Also von daher bitte ich doch, diesem Antrag zuzustimmen, sich der Brisanz zu öffnen und das zu verstehen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2797 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2797 mit den Stimmen von SPD und CDU abgelehnt, bei Enthaltung der Fraktion der NPD und Zustimmung der Fraktion DIE LINKE.
Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/2737 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/2737 mit den Stimmen von SPD, CDU und DIE LINKE abgelehnt, bei Enthaltung der Fraktion der NPD und Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Transparenz bei Öffentlich-Privaten Partnerschaften erhöhen und Ausstiegsszenarien prüfen, Drucksache 6/2743. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/2799 vor.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Transparenz bei Öffentlich-Privaten Partnerschaften erhöhen und Ausstiegsszenarien prüfen – Drucksache 6/2743 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als uns vor einigen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in ganz Deutschland die Nachricht erreichte, dass Kommunen und andere Träger der öffentlichen Belange Verträge abgeschlossen hatten, beispielsweise zu Netzen, die man dann als CrossBorderline-Verträge verstanden hatte, trat ein großes Erstaunen in der Gesellschaft ein, dass es überhaupt solche Verträge gäbe. Die Frage, die damit verbunden war, war sofort: Welche Auswirkungen hat das auf die jeweilige Kommune und damit auf die Menschen, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in diesen Städten?
Als im Februar in den Medien über öffentlich-private Partnerschaften berichtet wurde, war das Erstaunen genauso groß. Ich habe mich gefragt, warum eigentlich, weil über ÖPP, wie das in Kurzform heißt, ja hinreichend Kenntnisse vorhanden sein müssten. Dennoch haben die Medien dazu beigetragen, dass die Sensibilität auch in der Politik erhöht wurde und dass logischerweise nachgefragt und hinterfragt wurde, wie es denn nun mit diesen Verträgen im Einzelnen aussieht. Das war für uns Motivation, Kleine Anfragen zu stellen und auch den heutigen Antrag einzubringen. Es geht also darum, auf der einen Seite Transparenz zu erreichen, auf der ande
ren Seite die konkreten Verträge zu beleuchten und drittens Schlussfolgerungen zu ziehen für die Zukunft.
Es ist noch nicht lange her und die Spuren sind immer noch sichtbar: Banken und Finanzakteure haben eine der größten Finanz- und Wirtschaftskrisen unserer Zeit zu verantworten. Sie wurden gerettet, ihre Spekulationen sogar noch belohnt. Dennoch hält sich hartnäckig der Glaube, Private sind bessere Unternehmer als der Staat. „Gespenstisch. Absurd. Zynisch. Rechtswidrig. Dämlich. Eine Beleidigung der menschlichen Vernunft“, urteilt der Philosoph und Publizist Werner Rügemer. Die Rede ist von öffentlich-privaten Partnerschaften, kurz ÖPP.
Es ist ein Modell, das in Großbritannien seit Ende der 90er-Jahre flächendeckend zur Anwendung kommt. In Deutschland wurde 2005 das Beschleunigungsgesetz für diese öffentlich-privaten Partnerschaften beschlossen. ÖPP-Projekte sollen schneller umgesetzt werden und häufiger zur Anwendung kommen. Wir alle, vermute ich mal, sind irgendwann in unserer Geschichte, in der jüngeren Geschichte, mit solchen Fragen konfrontiert worden. Die Frage war immer: Was verbirgt sich hinter diesen öffentlich-privaten Partnerschaften? Und ziehe ich die Definition von PricewaterhouseCoopers heran aus dem Jahr 2003, dann versteht man unter ÖPP, öffentlichprivaten Partnerschaften, Zitat, „eine langfristige Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft“. Ende des Zitats.
Ist diese Art der Beschaffung etwas Innovatives, etwas Geniales, ein Mittel für die Zukunft? Dem ist mitnichten so. Es gibt allein in Deutschland unzählige Beispiele für ÖPP-Projekte, die den Bürgerinnen und Bürgern teuer zu stehen gekommen sind. Da geht es um Teilstücke von Autobahnen, die viel diskutierte und immer wieder zitierte Elbphilharmonie in Hamburg, die Messehallen in Köln, das Bildungszentrum Ostend in Frankfurt am Main und, und, und. Die Kette ist fast unendlich.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern lassen sich Beispiele finden, so wie der Warnowtunnel in Rostock und die Justizvollzugsanstalt Waldeck. Und, wie eine Zeitung heute im Lande berichtet, auch das Landesbesoldungsamt in Neustrelitz, das Amts- und Finanzgericht Greifswald, das Polizeizentrum in Anklam und die JVA Neustrelitz werden hier aufgelistet. Also stellt sich die Frage: Warum der Antrag und was kritisieren wir an diesen Projekten?
Erstens. Es handelt sich um intransparente Vorgänge, vorbei am Parlament, vorbei an der Öffentlichkeit. Es werden Verträge geschlossen, die einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren umfassen – starre Verträge, Verträge, bei denen es schwer wird, am Ende noch durchzusehen, Verträge, die erhebliche Auswirkungen auf zukünftige Generationen haben. All das wird gemacht, weil es einen angeblichen Effizienzvorteil gibt.
Die Landesrechnungshöfe der Länder und der Bundesrechnungshof haben in ihrer Stellungnahme zu ÖPPProjekten diesen Effizienzvorteil häufig widerlegt. Dort wurden die Effizienzvorteile der Berater den Berechnungen der Rechnungshöfe gegenübergestellt. Auch hier kann ich gern einige Beispiele liefern, so beispielsweise das Südbad in Trier – minus 25,4 Prozent, die Berufsbildende Schule Kaiserslautern – minus 10,47 Prozent, das Finanzministerium in Brandenburg – minus 8,5 Prozent. Es wird deutlich: Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung, so
fern sie denn überhaupt stattfindet, werden Zahlen schöngerechnet, es werden Fehler gemacht. So fließt in die Berechnungen nicht ein, dass es sich bei ÖPPProjekten in der Regel um Steuersparmodelle mit hohen Abschreibungen handelt. Hier entstehen erhebliche Steuerverluste. Es werden günstige Förderkredite ausgereicht und auch Anschubfinanzierungen sind nicht selten.
Doch eines wiegt vor allem in Mecklenburg-Vorpommern schwer: ÖPP-Projekte dienen in keiner Weise dazu, die regionale Wirtschaft zu stärken. Es werden aus Sicht der mittelständischen Unternehmen Riesenaufträge vergeben, Aufträge in einer Größe, an denen sich kein Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligen kann. Wenn die öffentliche Hand baut, sieht es in der Regel anders aus – eine bekannte Forderung hier aus diesem Hohen Haus –, dann werden diese Projekte in Lose aufgeteilt. Eine Beteiligung der regionalen Unternehmen ist in der Regel möglich. Fazit ist, die angenommene Wirtschaftlichkeit solcher Projekte ist sehr zweifelhaft. Schon deshalb gehören die Fakten auf den Prüfstand.
Aber schauen wir uns doch das Beispiel in Waldeck an. Rund 50 Millionen Euro bezahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mehr, weil das Land einen Bau anmietet, der von einem privaten Investor errichtet wurde. Denn 55 Millionen Euro soll der Bau gekostet haben, aber das Land bezahlt über 30 Jahre lang pro Jahr rund 4 Millionen. 4 mal 30 sind gleich 120 Millionen, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu berappen haben, damit dieses Gefängnis, diese Justizvollzugsanstalt dort errichtet werden konnte. Wirtschaftlichkeit und Effizienzvorteile kann ich an dieser Stelle nicht erkennen, meine Damen und Herren. Das ist ja auch nicht weiter verwunderlich, weil zum damaligen Zeitpunkt gar keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen stattgefunden haben.
In Waldeck bekommen wir auch zu spüren, wie starr die Verträge tatsächlich sind. Bauliche Veränderungen, zum Beispiel in Form von Anpassungen an neue Sicherheitsvorschriften, müssen immer mit dem Investor ab- gesprochen werden. Das ist ja auch verständlich, weil das Objekt Eigentum eines Privaten ist. Bezahlen muss allerdings auch hier das Land. Zudem müssen in Waldeck 100 neue Arbeitsplätze für die Inhaftierten entstehen, der Platz dazu wäre da. Auch die Sicherheitsanlagen müssten erneuert werden, aber bisher sträubt sich der Investor.
Hier stellt sich also die Frage, wie öffentliches Interesse mit den Privaten in Übereinstimmung zu bringen ist. Obwohl das Land als Eigentümer den Privaten einen tollen Gewinn sichert, muss bei jeder anstehenden Veränderung beinahe schon gebettelt werden, um diese zu erreichen.
Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche hat die Finanzministerin, Frau Polzin, im Finanzausschuss bereits deutlich gemacht, welche Haltung die Koalition zu unserem Antrag einnehmen wird. Es gäbe keine ÖPP-Projekte in Mecklenburg-Vorpommern. Das kennen wir aus der Vergangenheit. Wir haben gestern und heute schon darüber diskutiert. Man versucht nun, aus dem Antrag herauszukommen und aus dem Thema rauszukommen, indem man sagt, ÖPP findet in Mecklenburg-Vorpommern nicht statt. Nein, wir haben lediglich Investorenbauten, da laufe alles wie geschmiert.
Frau Polzin, ich hoffe, der Mitarbeiter, dem dieser definitorische Kunstgriff eingefallen ist, bekommt von Ihnen einen ausgegeben. Wir könnten uns über diese Definitionsfragen lange streiten. Das will ich aber nicht, dass wir uns darüber streiten.
Gehen wir mal auf die Internetseite der ÖPP Deutschland AG, dann finden Sie auf dieser Plattform, die durch die Bundesregierung mit 10,7 Millionen gefördert wird, eine Aussage dazu. Hier wird jährlich ein Bericht über die Entwicklung von ÖPP, also öffentlich-privaten Partnerschaften, in Deutschland herausgegeben. Im Bericht 2012 war zu lesen, dass die klassischen ÖPP-Projekte, also jene über die vier Phasen planen, bauen, erhalten und betreiben, deutlich weniger geworden sind.
Andererseits haben die ÖPP-Light-Projekte zugenommen. Das sind die, die Sie als Investorenbauten bezeichnen. Hier geht es um die Planung und den Bau als solche. Deswegen bin ich der Überzeugung, es geht hier nicht um definitorische Abgrenzung, sondern es geht um das Prinzip, ob mit privaten Mitteln öffentliche Vorhaben realisiert werden oder nicht. Darüber kann man sich jetzt natürlich spitzfindig streiten, ob es alle vier Phasen oder zwei Phasen sind. Bei mir lautet die Frage, ob die private Beteiligung einen Beitrag leisten muss, um öffentliche und hoheitliche Aufgaben zu lösen.
Ich mache Ihnen ein Angebot, damit Sie unserem Antrag zustimmen können: Ich will, Frau Präsidentin, hier eine mündliche Änderung unseres Antrages einbringen. In Punkt 1 werden nach den Worten „Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP)“ die Worte „sowie Investoren- bauten“ angefügt.
Dann gibt es auch den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem wir zustimmen werden, weil der in die gleiche Richtung geht und diese definitorische Frage aufnimmt. Ich glaube, Herr Suhr, darüber sind wir uns, ohne dass wir darüber gesprochen haben, auch wiederum einig, dass es hier um das Prinzip geht und nicht um die Definition, ob nun ÖPP im klassischen oder im leichten Sinn, wie das jetzt gerade definiert wird.
Damit haben auch Sie die Möglichkeit, unserem Antrag zuzustimmen. Wir sind der Überzeugung, dass die Verträge auf den Tisch gehören. Auch die Konditionen ge- hören auf den Tisch, denn es geht immerhin um viel, viel Geld, eine erhebliche Stange Geld. Knapp 10 Millionen Euro bezahlt das Land jedes Jahr an Miete für Hochbaumaßnahmen mit besonderen Finanzierungsformen, wie wir im Haushalt 2014/2015 nachlesen können. Insgesamt bezahlt das Land rund 280 Millionen für elf Objekte.
Hinzu kommt, dass es bei Weitem nicht bei allen Gebäuden klar ist, wie viel das Land berappen muss, um diese am Ende der Laufzeit zu kaufen. Das muss dann neu verhandelt werden. Das alles zeigt doch, dass wir mehr Transparenz bei diesem Thema brauchen, ob wir das Kind nun „ÖPP“ oder „Investorenbauten“ nennen.
Wir wollen natürlich auch wissen, wie sieht es denn aus, ist es ein Mietkauf, geht das Objekt am Ende der Laufzeit in das Eigentum des Landes über, ist es kein Mietkauf, was passiert am Ende, weil die Nutzung wird ja so oder so gebraucht. Wir wollen natürlich auch wissen, ob Ausstiegsmöglichkeiten bestehen.
Ja, die eine Seite, das sagt überhaupt nichts aus über die Gesamtbelastung, die die Steuerzahlerinnen und die Steuerzahler in Mecklenburg-Vorpommern zu tragen haben.
Deswegen muss hier Klarheit hergestellt werden und das ist die Frage, die wir stellen. Ich will hier auch mit deutlicher Kritik anmerken, dass die Kleine Anfrage, die ich im Februar gestellt habe und die zum 03.03. dieses Monats beantwortet sein sollte, heute nach wie vor nicht auf dem Tisch liegt, sprich die Antwort natürlich nicht auf dem Tisch liegt. Ich frage mich, warum Sie gegenüber der Zeitung, dem „Nordkurier“, Ihre Antworten geben können und den Parlamentariern diese Antwort nicht geben können. Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute – zumindest heute Vormittag – die Antwort auf dem Tisch haben, damit wir mit dieser Aussage auch eine inhaltlich gute Debatte führen können. Deswegen sind Sie jetzt natürlich im informatorischen Vorteil.
Diese Kleine Anfrage – Frau Polzin, Ihr Haus hat die Aufgabe erfüllt – liegt in der Staatskanzlei. Wir sind darüber informiert worden, dass die Staatskanzlei die Antwort auf die Kleine Anfrage nicht freigibt. Warum eigentlich?
Ja, und insoweit sind wir dann wieder beim gestrigen Thema Spielfeld. Welche Grundlagen schafft die Regierung,
damit wir eine klare und auf einer guten sachlichen Grundlage stehende Debatte hier führen können? Das verweigert die Regierung, namentlich die Staatskanzlei, und das finde ich einen Skandal.
Und ich meine, wenn es um ein öffentliches Interesse geht, da ist die Regierung verpflichtet, die Parlamentarier in Kenntnis zu setzen und nicht darauf zu dringen, dass unser Antrag zurückgezogen wird. Einen Teufel werden wir tun! Wir wollen, dass hier Klartext geredet wird und dass die Öffentlichkeit weiß, was mit ÖPP-Projekten oder Investorenbauten in Mecklenburg-Vorpommern zusammenhängt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.