Protocol of the Session on March 12, 2014

möchte ich noch einmal kurz die Geschichte der Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft in diesem Bundesland erläutern, weil sie vielleicht nicht allen Abgeordneten tatsächlich gegenwärtig ist und weil es wichtig ist, dass Sie sich diese Geschichte vergegenwärtigen, bevor Sie über unseren heutigen Antrag abstimmen.

Grundsätzlich gibt es zwei Modi der Abrechnung von Finanzhilfen: einerseits das pauschalisierte Abrechnungsverfahren und andererseits die auf Heller und Pfennig orientierte oder erfolgte Spitzabrechnung. Unser Schulgesetz sieht im Paragrafen 128 ein pauschalisiertes Zuwendungsverfahren vor, das sich – und das ist wichtig – einzig und allein auf die tatsächlichen Personalausgaben des Landes als Bemessungsgrundlage für die Schulen in freier Trägerschaft bezieht.

Ende der 90er-Jahre hat sich der Gesetzgeber dieses Landes bewusst für ein bürokratieentlastendes pauschalisiertes Verfahren entschieden. Dazu ist besonders wichtig, das Vorbild für unser Schulgesetz war das Schul- gesetz von Schleswig-Holstein, und das sieht diese Spitzabrechnung vor. Aber der Gesetzgeber in diesem Land hat gesagt, wir wollen keine Spitzabrechnung, wir wollen das pauschalisierte Verfahren. Inzwischen hat das Land Schleswig-Holstein im letzten Jahr gegengesteuert und ist zu unserer Regelung übergetreten. Wir hingegen gehen jetzt wieder den Weg, den das Land SchleswigHolstein vormals eingeschlagen hatte.

Zudem hat sich unser Vorgängerparlament für eine Unterdeckelung der Personalausgaben entschieden, sodass lediglich 50 bis 85 Prozent der Personalkosten von staatlichen Schulen ausgezahlt werden. Durch diese Kappungsgrenze war klar, dass der Beitrag des Landes zu den Personalkosten von Schulen in freier Trägerschaft eben nur ein Anteil ist und keine vollumfängliche Ausfinanzierung und dass Schulen in freier Trägerschaft zusätzlich zu den Landesmitteln in jedem Fall wahlweise Spendengelder einwerben müssen oder eben ein Schulgeld erheben, damit sie ihren tatsächlichen Finanzbedarf decken können.

Im Jahr 2001 hat das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern außerdem geurteilt, dass es Verschiebungen zwischen den Finanztöpfen – einerseits Personalausgaben, andererseits Sachausgaben – durch- aus geben kann, wenn das ausgegebene Geld generell dem Schulzwecke dient.

Jetzt komme ich zur neuen Regelung. Obwohl das Schulgesetz im Paragrafen 128 unverändert fortbesteht, hat der Bildungsminister eine zweite Kappungsgrenze eingeführt, wonach freie Schulen nun lediglich nur noch bis zu 85 Pro- zent ihrer Personalausgaben erstattet bekommen. Dazu müssen die Schulen in freier Trägerschaft detaillierte Angaben zu den voraussehbaren Kosten für Lehrkräfte mit persönlichen Daten der Lehrer/-innen erbringen. Anders als vom Gesetzgeber ursprünglich vorgesehen, entsteht demzufolge nicht nur ein hoher bürokratischer Aufwand für die Schulen in freier Trägerschaft, sondern natürlich auch aufseiten des Ministeriums. Mit dieser neuen Regelung bestraft die Landesregierung zudem alle Schulen, die über ein jüngeres Lehrer/-innen-Kollegium verfügen als wir es an den staatlichen Schulen vorfinden, und das betrifft zurzeit die meisten Schulen in freier Trägerschaft.

Hier genügt allein ein Blick in die Statistik. An freien Schulen sind 26 Prozent der Lehrkräfte unter 40 Jahre, an Schulen in staatlicher Trägerschaft hingegen nur 6 Prozent. Schaut man sich aber die Lehrkräfte an, die über 55 Jahre alt sind, beträgt deren Anteil an öffentlichen Schulen 28 Prozent, an Schulen in freier Trägerschaft lediglich 15. Mit diesen Zahlen möchte ich ein für alle Mal mit dem Vorwurf aufräumen, dass Schulen in freier Trägerschaft, die ihre Lehrer/-innen wie die im öffentlichen Dienst bezahlen, nicht von den Einsparungen betroffen wären. Diese Behauptung ist ganz einfach falsch! Sie bringt alle Tarif zahlenden Schulen in Misskredit, und ich würde es begrüßen, wenn ich dieses Argument in der heutigen Debatte nicht noch einmal hören muss.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entgegen dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes enthält die neue Regelung auch die Zweckbindung der Personalzuschüsse an Personalausgaben. Also genau das, was ich gerade gesagt habe – genau das Gegenteil von dem.

Das von uns in Auftrag gegebene Gutachten kommt zu der Auffassung, die tatsächlich schon mehrfach im Rahmen der Anhörung vorgetragen wurde: Die Neufassung der Paragrafen 8 und 9 der Änderungsverordnung kann entgegen der amtlichen Begründung des Bildungsministeriums nicht auf die Rechtsprechung – Herr Butzki! – des Oberverwaltungsgerichtes bezogen werden, weil sich die Urteile auf Fälle aus dem Jahr 2005 beziehen, für die aber damals ein anderes Schulgesetz galt. Das Gutachten erklärt die Verordnung für nicht rechtmäßig und unwirksam, weil die Verordnung sowohl gegen das Grundgesetz, gegen die Landesverfassung als auch gegen das Schulgesetz verstößt. Das muss man sich mal vorstellen: Eine Verordnung verstößt gleichzeitig gegen drei Gesetze!

Die in der Änderungsverordnung bestimmten Regelungen und die damit verbundene Verwendungsnachweispflicht sind mit dem im Schulgesetz festgelegten Pauschalverwendungsverfahren nicht kompatibel und können generell auf dem Verordnungsweg überhaupt nicht rechtswirksam eingeführt werden. Hier wäre nämlich eine Schulgesetzänderung vonnöten, wenn man es denn wollte. Die Änderungsverordnung hat gesetzesändernde Qualität und überschreitet daher ihre Ermächtigung, denn die Änderung des Abrechnungsmodus von pauschalisiert zu einer konkreten Bedarfsdeckung ist so gravierend, dass sie einzig und allein vom Gesetzgeber erlassen werden kann. So sehen das im Übrigen alle Schulgesetze in allen Landesparlamenten vor, in allen Bundesländern vor.

Bevor ich zum dritten Verstoß komme, muss ich nun ein wenig in die Entstehungsgeschichte der Änderungsverordnung einführen: Die Änderungsverordnung wurde am 28. August 2013 erlassen, am 29. August veröffentlicht und trat rückwirkend zum Beginn des Schuljahres am 1. August in Kraft – am 29. August veröffentlicht. Gleichzeitig enthält diese Verordnung allerdings eine Frist für die Schulen in freier Trägerschaft, zu der sie alle ihre Unterlagen einreichen müssen, und die Frist war der 15. August. Verordnung am 29. August erlassen – und die Schulen sollten bereits zwei Wochen vorher alle ihre Unterlagen eingereicht haben.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist doch clever.)

Damit stellt die Festlegung der Antragsfrist im Paragra- fen 10 Absatz 1 eine echte Rückwirkung dar, die als Verstoß gegen das Grundgesetz und auch gegen die Landesverfassung grundsätzlich unzulässig ist. Wir fordern in unserem Antrag deshalb, dass die Landesregierung anerkennt, dass die Erste Verordnung zur Änderung der Privatschulverordnung dem Schulgesetz widerspricht und gegen das Rückwirkungsverbot verstößt und deshalb zurückgenommen werden muss. Eventuell entstandene Kosten an den Schulen in freier Trägerschaft sind zurück…

Frau Berger, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.

(Andreas Butzki, SPD: Jetzt zuhören!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit mehreren Monaten wird in diesem Lande versucht, eine politische Debatte zu inszenieren, für die es bei Lichte betrachtet eine politische Grundlage gar nicht gibt. Interessierte Debattenteilnehmer singen dabei immer wieder dasselbe falsche Lied. Demnach würden einige als die Robin Hoods der freien Schulen um Gerechtigkeit und das Wohl der Beteiligten streiten, während finstere Mächte den armen kleinen Robin von dieser Wohltat abhalten wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, manch eine/ manch einer von Ihnen hegt zwar eine gewisse Vorliebe für die Farbe Grün, dass dies indes ausreicht, sich zum Robin Hood der freien Schulen aufzuschwingen, kann getrost bezweifelt werden. Die Debatte, vor die wir gestellt sind, ist eine ausnahmslos rechtliche. Es geht allein um die Frage, welches Handeln der Regierung durch das Grundgesetz, das Schulgesetz, andere Vorschriften so- wie die hierzu ergangenen Gerichtsurteile auferlegt ist oder eben auch nicht. Insofern kann es der richtige Schritt sein,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also zu behaupten, dass Recht und Politik nichts miteinander zu tun haben, ist schon recht forsch. Das ist unglaublich!)

einen Rechtsprofessor mit der Beurteilung eben dieser Frage zu beauftragen, Herr Abgeordneter Saalfeld. Ich betone – es kann.

(Rainer Albrecht, SPD: Zuhören!)

Zunächst ist aber darauf hinzuweisen, dass Rechtsgutachten weder die gültigen Rechtsquellen noch gültige Gerichtsurteile außer Kraft setzen können. Es geht mithin lediglich um die Frage,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Recht und Politik haben nichts miteinander zu tun, und das von der Legislative zu behaupten – schämen Sie sich!)

es geht mithin lediglich um die Frage,

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht darum, rechtskonforme Regelungen zu finden, die den Schulen in freier Trägerschaft nützen, und das sollten Sie als Bildungsminister doch wohl schaffen.)

es geht mithin lediglich

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Schämen Sie sich! – Michael Andrejewski, NPD: Ja, genau. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD)

um die Frage: Sind die Argumente des Gutachters so zwingend, dass sie die Landesregierung zu einer Korrektur ihrer Rechtsposition veranlassen oder nicht? Dass die Landesregierung für neue Argumente offen ist, hat sie anlässlich eines Rechtsgutachtens zu den Beförderungskosten der Schülerinnen und Schüler unter Beweis gestellt. Die seinerzeit vorgetragenen Argumente schienen so schlüssig, dass derzeit gemeinsam mit den kreisfreien Städten eine Neuregelung der Schülerbeförderung erörtert und vorbereitet wird.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber erst nach der Debatte hier im Landtag. Im Landtag erschienen Ihnen die Argumente noch nicht schlüssig.)

Wie steht es aber in dieser Hinsicht mit dem nun vorliegenden Rechtsgutachten, Frau Abgeordnete Berger? Wenn Sie mögen, gebe ich Ihnen eine Antwort darauf. Allerdings macht eine Parlamentsdebatte nur Sinn, wenn Sie auch bereit sind, den Antworten zuzuhören.

Ich beginne von hinten, sowohl was Ihre Rede angeht als auch was das Gutachten betrifft:

Erstens. Der Gutachter wirft der Landesregierung vor, die Privatschulverordnung sei deshalb rechtswidrig, weil sie am 29. August 2013 mit Veröffentlichung rückwirkend zum 1. August 2013 in Kraft gesetzt worden ist und hierbei eine Frist zur Abgabe entsprechender Unterlagen auf den 15. August 2013 datiert wurde, verbunden mit der Sanktionsandrohung, den Finanzhilfesatz auf zunächst 70 Prozent des Finanzhilfesatzes abzusenken, falls die Antragstellerin die geforderten Nachweise nicht rechtzeitig erbringt.

Der Gutachter weist allerdings selbst darauf hin, dass eine rückwirkende Änderung dann rechtlich nicht zu beanstanden wäre, sofern dem Betroffenen klar und bekannt sein musste, dass Neuregelungen erlassen werden. Diese Kenntnis hatten die Träger der freien Schulen mit dem Bekanntwerden der Urteile des OVG Greifswald zur Privatschulfinanzierung aus dem Jahr 2012

(Rainer Albrecht, SPD: Aha!)

und einem Schreiben des Bildungsministeriums vom 15. Januar 2013, in dem eine Neuregelung angekündigt wurde.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist hier nicht anzuwenden. Es gibt ein anderes Schulgesetz. – Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danach musste jeder Träger davon ausgehen, dass er nicht ohne Weiteres wie bisher zum Beispiel 85 Prozent Finanzhilfe bekommen wird, sondern dass sich zumindest das Verfahren ändert. Es folgten weitere entsprechende Schreiben: am 22. April 2013, am 23. April 2013, am 6. Juni 2013, am 23. Juli 2013, am 16. August 2013 sowie am 20. September 2013. Angesichts dieser Faktenlage kommen die Juristen des Bildungsministeriums ganz klar zu dem Ergebnis, dass den vom Gutachter geforderten Rechtsmaßstäben Rechnung getragen wurde.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Der Gutachter führt übrigens selbst aus, dass eine rückwirkende Inkraftsetzung nicht generell,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

nicht generell rechtlichen Bedenken begegne. Nach seiner Auffassung sei dann nicht von einer Rechtswidrigkeit auszugehen, wenn, Zitat, „alle betroffenen Schulträger im Wege der ministeriellen Verbandsanhörung über den bevorstehenden Erlaß der Änderungsverordnung vor dem 1. August 2013 unterrichtet gewesen wären“, Zitatende. Diese Formulierung ist für sich genommen schon bemerkenswert genug. Offenbar hat der Gutachter sich nicht erkundigt, ob eine solche Kenntnis vorgelegen hat. Dabei wäre vermutlich eine entsprechende Bitte an die Arbeitsgemeinschaft der Schulen in freier Trägerschaft hinreichend gewesen.

Ich habe daher meinerseits den Sprecher der Arbeitsgemeinschaft noch in der letzten Woche gebeten, uns darüber in Kenntnis zu setzen, ob die Verordnung alle Träger erreicht hat oder nicht. Eine Antwort steht leider noch aus. Aber, meine Damen und Herren, genau davon gehe ich fest aus.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zu Unrecht! – Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Ich kann mir einfach beim besten Willen nicht vorstellen, dass es die Interessenvertretung der freien Schulen, nämlich die Arbeitsgemeinschaft freier Schulen, versäumt hat, ihre Schulträger zu informieren. Sofern dies nicht gegeben sein sollte, ist das vom Gutachter geäußerte Argument hinfällig.

Hinzu kommt, dass im tatsächlichen Verfahren von der Frist „zum 15. August 2013“ gar kein Gebrauch gemacht wurde. Vielmehr hat das Ministerium bei Bedarf Nachfristen bis in den Dezember 2013 gewährt. Nach meiner Kenntnis sind im beruflichen Bereich nur drei Träger von entsprechenden Sanktionen betroffen, und nur in einem einzigen Fall – und Sie wissen wahrscheinlich auch, wer das ist, Frau Berger – weigert sich nach meiner Kenntnis der Träger einer freien allgemeinbildenden Schule bis heute, jene Unterlagen vorzulegen, die eine ordnungsgemäße Bearbeitung des Antrages möglich machen.

(Rainer Albrecht, SPD: Aha!)

Gerne hätten meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Gutachter diese Sachverhalte erläutert, wenn er denn gefragt hätte – hat er aber nicht.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)