dass Armutsbekämpfung kein Schwerpunktthema Ihrer Regierungspolitik ist. In der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten – deswegen bat ich ja, dass er hier im Raum bleibt, weil ich ihn gern mal fragen würde, ob er sich noch an die Regierungserklärung aus dem Dezember 2011 erinnern kann –
haben wir vergeblich nach den Wörtern Armut oder Armutsbekämpfung gesucht. In der Regierungserklärung,
ist dieses Thema nicht vorgekommen. Hinzu kommt noch, wenn man sich das mal anschaut: In regelmäßigen Abständen vollziehen Sie ja Popularitätsumfragen und fragen nach vorgestanzten Fragekriterien ab,
wie die Bürgerinnen und Bürger die Entwicklung in diesem Land einschätzen. Die Kategorie Armut oder Armutsentwicklung kommt bei diesen Abfragen auch überhaupt nicht vor. Der Mecklenburg-VorpommernMonitor 2013 erfragte bei der Bevölkerung Einschätzungen zum Tourismus, Einschätzungen darüber, wie sie das Erscheinungsbild der Dörfer betrachtet, und aberwitzigerweise fragten sie die Menschen dieses Landes, welchen Ruf Mecklenburg-Vorpommern in Deutschland habe,
was Pfälzerinnen und Pfälzer, Schwaben und Hessen denken und empfinden. Welche Besorgnisse es hierzulande hinsichtlich der Armutsentwicklung gibt, welchen Stellenwert für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Armutsbekämpfung hat, das alles interessierte Sie vorsorglich nicht.
Allem Anschein nach meinen Sie, der realen Armutssituation mit der Variation dreier Wege begegnen zu können. Ein erster Weg ist der der Ignoranz.
Darüber hatte ich gerade gesprochen. Ein zweiter Weg ist ein Praktizieren der Politik nach der sogenannten „Pferdeäpfel-Theorie“. Sie hängt dem Irrglauben an, dass sich Armut am effektivsten vorbeugen lässt, indem man Reichtum vergrößert. Wer so denkt und handelt, verkennt, dass Armut nicht trotz Reichtum entsteht, sondern durch Reichtum.
Und ein dritter Weg, indem Sie womöglich meinen, Ihre politischen Schwerpunktsetzungen würden quasi automatisch zu mehr Wohlstand und Armutsbekämpfung führen, beispielsweise im Bestreben, Gesundheitsland Nummer eins zu werden. Weil es aber,
Herr Glawe, einen untrennbaren Zusammenhang – und den kennen Sie – zwischen Armut und Gesundheit gibt, liegt es auf der Hand, dass wir ohne eine offensive Politik zur Armutsbekämpfung niemals Gesundheitsland Num
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Harry Glawe, CDU: Von Gesundheits- wirtschaft haben Sie gar keine Ahnung. Das kann ich Ihnen bescheinigen.)
Nach aktuellen Erkenntnissen, ich zitiere mal Professor Rosenbrock, der vergangenes Jahr im November in Kiel eben über diesen Zusammenhang von Armut und Lebenserwartung gesprochen hat. Er hat herausgearbeitet, dass die Lebenserwartung von Frauen und Männern, die in Armut leben, im Durchschnitt statistisch bei Frauen 8,4 und bei Männern 10,4 Jahre geringer ist als bei den Menschen, die in Wohlstand leben.
(Harry Glawe, CDU: Die Lebenserwartung in Mecklenburg-Vorpommern hat sich in den letzten 20 Jahren um 5 bis 7 Jahre erhöht, Herr Koplin.)
Und wir LINKEN, Herr Glawe, verlangen eine offensive Politik der Armutsbekämpfung von Ihnen. Die reicht von Mindestlöhnen ohne Ausnahmen, Herr Glawe, über die Bekämpfung arbeitsmarktpolitischer Verwerfungen bei Zeitarbeit bis zu prekärer Beschäftigung.
Es geht um Programme für Langzeitarbeitslose und schwer vermittelbare Personen ebenso wie um die Bezahlung von Wohnen und Energie. Es geht also um eine konzertierte Aktion zur Armutsbekämpfung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zwei Punkte sind mir in Bezug auf diesen Antrag besonders wichtig.
Frau Hesse, einen kleinen Moment bitte. Ich bitte, von den Zwischenrufen über die Stuhl- und Tischreihen abzusehen.
Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern in der Tat eine zu hohe Kinderarmut, denn jedes arme Kind ist eines zu viel. Aber das Problem ist, für den Begriff „Armut“ gibt es keine einheitliche Definition. Materielle Armut wird in der Regel durch die Armutsrisikoquote ausgedrückt. Sie gibt den Anteil an der Bevölkerung an, der im Nettoeinkommen pro Kopf weniger als 60 Prozent des Medians in der Gesellschaft beträgt. Aber auch die Empfänger von sozialen Sicherungsleistungen werden als arm betrachtet. Demzufolge gelten Personen als arm, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten können. Dabei ist das Armutsrisiko von Kindern auf das Engste verbunden mit der Einkommens- und Vermögenssituation ihrer Eltern.
Sehr geehrte Abgeordnete, im Jahr 2009 wurde im Auftrag meines Hauses der „Bericht zur Lebenssituation von Haushalten mit Kindern in Mecklenburg-Vorpommern“ fertiggestellt. Wir haben damit einen guten Überblick zur Einkommenssituation und zum Armutsrisiko, zur Inanspruchnahme sozialer Sicherungsleistungen und zur Selbsteinschätzung der wirtschaftlichen Lebenssituation erhalten. Auch wurde sehr genau darauf geschaut, wie die Erwerbssituation der Eltern aussah. Wir haben also das Thema „Armut in Mecklenburg-Vorpommern“ im Rahmen der Sozialberichterstattung bereits angepackt. Auf den Bericht aufsetzend hat die Landesregierung einen umfänglichen Handlungskatalog beschlossen und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen.
Nun stellt eine neue Studie die aktuellen Kinderarmutsrisikoquoten in den Bundesländern dar. Die Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern besagen, dass die Zahl der vom Armutsrisiko betroffenen Kinder von 87.000 im Jahr 2005 auf 62.000 im Jahr 2010 zurückgegangen ist. Im Jahr 2011 stieg sie auf 63.000, im Jahr 2012 auf 72.000 armutsgefährdete Kinder. Wie erklärt sich jetzt dieser deutliche Anstieg?
Meine Mitarbeiter sind dieser Frage nachgegangen. Sie haben beim Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen, der die Ergebnisse des Mikrozensus im Auftrag des WSI aufbereitet hat, nachgefragt. Das Amt hat dazu erklärt, dass der Stichprobenumfang des Mikrozensus in Mecklenburg-Vorpommern nur circa 8.000 Befragungen umfasse. Er verringere sich nochmals bei der Bestimmung des Kinderarmutsrisikos. Dadurch seien große stichprobenbedingte Schwankungen möglich. Eine Interpretation der Daten solle sich daher immer nur auf die Tendenz mehrerer Jahre beziehen und nicht auf das Ergebnis eines einzelnen Jahres.
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2012 hat entgegen der WSI-Studie festgestellt, dass die Armutsquote bei Kindern unter drei Jahren von 2008 bis 2011 um ein Viertel zurückgegangen ist. Basis der Untersuchungen waren hier die amtlichen Statistiken zum Bezug von Hartz IV bei Familien mit Kleinkindern.
Sehr geehrte Abgeordnete, Fakt ist, Mecklenburg-Vor- pommern hat nach wie vor bundesweit das geringste Nettoeinkommen bei den privaten Haushalten. Dass wir bei den Armutsgefährdungsquoten einen der hinteren Plätze einnehmen, kann daher nicht überraschen. Deswegen wird Mecklenburg-Vorpommern in erheblichem Maße vom Mindestlohn profitieren. Rund 265.000 Menschen werden bis zu 2.667 Euro zusätzliches Einkommen pro Jahr nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes erhalten. Das zeigt, entscheidend