Dieser Antrag ist in den Energieausschuss gegangen. Dort wird er aus meiner Sicht sehr kompetent und gut beraten. Die Beratungsfolge wird sich über mehrere Monate hinwegziehen und das ist diesem Antrag auch angemessen.
Allerdings stellen wir heute einen zweiten Antrag zum gleichen Thema mit einer etwas anderen Zielrichtung. Es geht um das Ende der Frist, die am 04.01.2012 abläuft, wo alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, aber auch unsere Landesregierung die Möglichkeit haben, sich zum SUP, zum Strategischen Umweltprogramm, zu äußern, die Umweltprüfung, besser gesagt. Die Strategische Umweltprüfung wird durchgeführt durch die polnische Regierung zum Thema „An welcher Stelle ist ein Atomkraftwerk in Polen möglich/sinnvoll?“. Und diese SUP-Prüfung umfasst verschiedenste Punkte, die abgeprüft werden. Die BÜNDNIS-90/DIE-GRÜNEN-Fraktionen aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben gemeinsam ein Rechtsgutachten finanziert, was wir auch allen Mitgliedern des Energieausschusses
und damit auch allen Fraktionen zur Verfügung gestellt haben und damit auch selbstverständlich der Landesregierung. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass genau dieses Gutachten mit berücksichtigt wird von der Landesregierung,
sodass wir fristgerecht im Rahmen dieses SUP-Verfahrens eine Stellungnahme gegenüber der polnischen Regierung abgeben können.
Aus unserer Sicht hat unser Gutachten mehrere deut- liche Mängel dieses SUP-Verfahrens zutage gefördert.
Zum einen ist es Aufgabe einer SUP-Umweltprüfung, die Alternativen zu einem Neubau von Atomkraftwerken zu beleuchten. Diese Alternativprüfung läuft in den uns vorliegenden Unterlagen absolut zulasten der regenerativen Energien ab und ist auch nicht den regenerativen Energien angemessen. Polen hätte sehr, sehr gute Möglichkeiten, die Stromversorgung mittelfristig beziehungsweise langfristig komplett zu 100 Prozent aus erneuer- baren Energien zu decken.
(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau.)
Ein zweiter wichtiger Punkt, und das mag sich auf den ersten Blick etwas unfair anhören, aber die europäische Gesetzgebung ist weiter vorangeschritten und wer jetzt ein Atomkraftwerk bauen will, muss den Entsorgungsnachweis führen, wie jedes andere Unternehmen auch. Das ist deswegen etwas unfair aus meiner Sicht, weil natürlich Deutschland bereits viele Atomkraftwerke gebaut hat, so wie andere Länder in Europa auch, die allerdings keinen Entsorgungsnachweis führen können.
Wir suchen ja bekanntlich immer noch in Deutschland nach einem atomaren Endlager. Polen, das jetzt neue Atomkraftwerke baut, muss aber nach den Vorstellungen der EU, nach den Richtlinien der EU genau dieses jetzt mit nachweisen.
Unser Ziel ist es, dass durch die Kritik der Landesregierung und auch möglichst vieler Einwendungen erreicht wird, dass die polnische Regierung ein neues SUPGutachten beziehungsweise -Verfahren anstößt, in diesem Verfahren die regenerativen Energien korrekt dargestellt werden und auch die Möglichkeiten. Und aus unserer Sicht wäre das das bestmögliche Ergebnis, nämlich dass daraufhin die polnische Regierung auch erkennt, die regenerativen Energien sind die bessere Alternative für Polen wie auch Europa. Und in genau diesem Bereich möchten wir ihnen unsere Zusammenarbeit anbieten.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Bevor ich auf das konkrete Anliegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehe, lassen Sie mich kurz erläutern, was sich hinter
der grenzüberschreitenden Beteiligung Deutschlands an der Strategischen Umweltprüfung zu dem Entwurf eines polnischen Kernenergieprogramms verbirgt.
Die Republik Polen hatte Mitte des Jahres das Bundesumweltministerium darüber informiert, dass sie die Entwicklung eines polnischen Kernenergieprogrammes aufgenommen hat. Polen kam damit der Verpflichtung nach, die die Beteiligung der möglicherweise betroffenen Staaten an einem Strategischen Umweltprüfungsverfahren, eben diesem bewussten SUP-Verfahren, für Aktivitäten regelt, die grenzüberschreitend Auswirkungen haben können. In dem Programm stellt die polnische Regierung Umfang und Struktur der Maßnahmen dar, die für den Einstieg in eine eigenständige Kernenergie ergriffen werden müssen. Hierzu gehört unter anderem die Aufzeigung potenzieller Standorte für den Bau künftiger Kernkraftwerke und der damit verbundenen Rahmenbedingungen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stützt sich auf ein Gutachten einer Rechtsanwältin, was hier schon erwähnt worden ist, was von den Ländern MecklenburgVorpommern, Berlin und Brandenburg erstellt worden ist. Ein Hauptkritikpunkt, der in dem Gutachten angesprochen wird, ist, dass die Entscheidung zur Einführung der Kernenergie auf polnischer Seite bereits gefallen und gesetzlich beschlossen sei.
Meine Damen und Herren, dem ist aber eben nicht so. Ich bin mit dem BMU, also dem Bundesumweltminis- terium, und mit meinen Länderkollegen einig, dass es sich bei den von Polen vorgelegten Unterlagen noch um einen Programmentwurf handelt. Es fehlt der entscheidende Ministerratsbeschluss, der nach den Planungen der polnischen Seite an sich auch schon hätte getroffen sein sollen. Da sich jedoch die europäischen Nachbarstaaten das Recht genommen haben, für das Beteiligungsverfahren im eigenen Land den gleichen Zeitraum von drei Monaten einzufordern, wie es Polen seinen Bürgern zugestanden hat, ist es inzwischen zu einigen Verzögerungen, und da haben Sie Recht, in dem Verfahren gekommen. Also: Einen Verstoß gegen europäische Regelungen dadurch, dass in Polen beschlossen worden sein soll, in die Kernenergienutzung zur Stromgewinnung einzusteigen, kann ich nicht erkennen.
Des Weiteren werden Verfahrensfehler, inhaltliche Fehler, Lücken und Verstöße gegen europäisches Recht moniert. Aus der Antragsbegründung ist aber ersichtlich, dass es bei dieser Kritik gar nicht vordringlich um die Missachtung europäischen Rechts geht, sondern ganz allgemein um die Haltung Polens zum Umgang mit Atomkraft. Mit den Risiken in den zur Verfügung gestellten Unterlagen kommt dieses deutlich zum Ausdruck. Inhaltliche Lücken, Nachlässigkeiten, Verharmlosungen, nicht geprüfte Alternativen sind tatsächlich Aspekte, die in dem Beteiligungsverfahren gegenüber Polen geltend gemacht werden müssen. Hierfür ist aber bereits eine entsprechende Stellungnahme der Landesregierung vorgesehen. Das Kabinett wird am 20. Dezember darüber beschließen. Sie wird allerdings nicht vordringlich darauf abstellen, ob ein Verstoß gegen europäisches Recht vorliegt.
Lassen Sie mich vielmehr einige Punkte nennen, die die Landesregierung in ihrer Stellungnahme gegenüber dem polnischen Wirtschaftsministerium ansprechen wird:
Erstens. Eine hinreichende Auswertung der Unfälle von Tschernobyl und von Fukushima findet nicht statt.
Zweitens. Die Gefahren, die durch Hochwasser entstehen können, werden nicht genügend berücksichtigt, dies obwohl die acht grenznahen Standorte zu Deutschland, an denen möglicherweise ein Kernkraftwerk erbaut wird, beziehungsweise die drei Standorte, die an der Oder liegen, eine detaillierte Betrachtung nahelegen und obwohl der Umweltbericht selbst von einem unzulänglichen polnischen Hochwasserschutzsystem ausgeht.
Drittens. Die bisherigen Angaben zu dem Einsatz, der Ausstattung und der Wahl der Reaktoren sind zumindest unvollständig, da sie eben überwiegend auf Herstellerangaben beruhen.
Viertens. Umweltschädigende Auswirkungen von Störfällen werden ungenügend berücksichtigt, indem zum Beispiel die Ereignisse der sogenannten Stresstests, wie sie nach Fukushima auch durchgeführt wurden, nicht ausgewertet wurden.
Fünftens. Es fehlen Angaben zu den strahlenschutzrelevanten Grenzwerten, die in Polen künftig gelten sollen.
Sechstens. Die Auswirkungen von möglichen Erdbeben werden nicht umfassend erläutert und auch nicht untersucht.
Siebtens. Die Frage der Zwischen- und Endlagerung, Sie sprachen es schon kurz an, wird unzureichend behandelt. Sie stellt zwar gegebenenfalls einen Verstoß gegen die EU-Richtlinie 2011/70/EURATOM dar. Dieser Mangel wird jedoch sowohl in der Stellungnahme der Landesregierung als auch anschließend in der Konsultation über den Entwurf des polnischen Kernenergieprogramms auf- gezeigt und mit den Vertretern der polnischen Regierung auch erörtert werden.
Achtens. Insgesamt ist die Standortwahl nicht transparent, was sich schon allein darin widerspiegelt, dass zwar von 28 Standorten gesprochen wird, aber nicht mehr als 27 Standorte in den Gutachten aufgelistet werden. Hinzu kommt, dass nunmehr ein neuer weiterer Standort benannt wurde oder auftaucht, der überhaupt nicht in den Unterlagen enthalten ist, an denen zurzeit die Öffentlichkeit beteiligt wird.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, dass sich die Landesregierung mit dieser Frage bereits seit mehreren Wochen auch mit den zuständigen Fachabteilungen sehr intensiv beschäftigt hat und auch im Rahmen der Beschlusslage durch das Kabinett die entsprechenden Fragen an den polnischen Nachbarn stellen wird. Es ist eine autarke Entscheidung von Polen, aber selbstverständlich sind wir als Nachbarland unmittelbar davon betroffen und es gibt kein Land in Deutschland, was nach dem Umstieg in der Kernenergie besonders begeistert wäre, wenn im Nachbarland jetzt ein Einstieg in die Kernenergie beginnt, das ist doch selbstverständlich. Trotzdem müssen wir uns an die geltenden europäischen Bestimmungen halten und deswegen werden wir mit einem umfangreichen Katalog darauf eingehen.
Bei Verstößen gegen europäisches Recht bedarf es im Übrigen entgegen der Forderungen des Antragstellers nicht der Landesregierung, aber mittlerweile habe ich ja gelesen, dass das gestrichen wird, deswegen spare ich mir das jetzt. Es bedarf nicht der Landesregierung, sondern es kann jeder selbstständige Bürger einen Antrag stellen, und auf eine solche Beschwerde folgt in der
Regel ein Bescheid der Kommission, gegen den der Beschwerdeführer dann Klage erheben kann. Die Verfolgung formaler und nachlässiger Fehler ist aber langwierig und führt im Ergebnis häufig nur dazu, dass ein Verstoß gegen EU-Bestimmungen festgestellt wird oder dass eben entschieden wird, dass ein solcher nicht vorlag und vielleicht auch noch eine Finanzstrafe erhoben wird. Da das Beschwerdeverfahren keine aufschiebende Wirkung hat, wurde das Umweltverträglichkeitsverfahren weiter betrieben und der Ministerratsbeschluss wird herbeigeführt werden.
Es könnte also auch die Fraktion, wenn sie zur Auffassung käme, selbst Beschwerde führen. Ob das zielführend ist in dem Sinne, was wir alle wollen, da mache ich zumindest mal ein Fragezeichen hinter. Als zuständiger Ressortminister halte ich es für viel effektiver, mit den polnischen Nachbarn darüber in den Dialog zu treten und in den anstehenden Konsultationen zu versuchen, unsere Position darzulegen, Nachbesserungen zu erreichen oder nach Möglichkeit der Beschlusslage ein Neubauprogramm „Kernenergie“ gänzlich zu den Akten zu legen.
Soweit des Weiteren beantragt wird, der polnischen Regierung Unterstützung insbesondere in Hinsicht auf erneuerbare Energien zu geben, ist dies der Punkt, der bereits Gegenstand der Konsultation sein wird, wo in großen Teilen mein Kollege Schlotmann zuständig ist als Fachminister für die Ressorts. Also auch hier sind wir bereits seit Längerem in intensiven Gesprächen.
Sie sehen also, dass die Landesregierung genau dieses Anliegen, was Sie hier vortragen, sehr intensiv in den jeweiligen Fachressorts behandelt. Wir sind uns in der Sache einig, wir müssen aber immer dabei berücksichtigen, dass es nicht in unserem Land, nicht in der Bundesrepublik Deutschland stattfindet, sondern in dem Fall in der Republik Polen und insofern auch die Entscheidungshoheit auf dem Gebiet der Republik Polen ist. Deswegen werden wir mit unseren Fragen, mit unseren Argumenten auch dafür werben,
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fordert in ihrem Antrag, dass die Landesregierung im Rahmen des aktuellen Konsultationsver- fahrens bis zum 4. Januar 2012 auf Verfahrensfehler hinweist beziehungsweise ein Beschwerdeverfahren ge- gen die EU-Kommission prüfen sollte, und dieses auf Grundlage eines Gutachtens, erstellt im Auftrage der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MecklenburgVorpommern, Brandenburg und Sachsen.