Im Gegensatz zu dieser theoretischen Kontrolle besteht jedoch nach dem geltenden Recht die erhebliche Gefahr der politischen Einflussnahme auf die Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch die Regierung. Äußern kann sich dies zum einen darin, dass die Staatsanwaltschaften zur Unterdrückung politischer Gegner missbraucht werden, oder umgekehrt darin, dass bei politisch hochrangig Verdächtigen die Ermittlungen eingestellt beziehungsweise gar nicht erst aufgenommen werden.
Staatsanwaltschaften begünstigen zudem informelle Abhängigkeitsstrukturen. Der hierarchische Aufbau der Justiz sowie wesentliche Grundzüge des Statusrechts der Staatsanwälte entstammen dem historischen Beamtenrecht. Das Beamtenrecht ist auf die Bedürfnisse der Exekutiven zugeschnitten und mit einer unabhängigen Justiz nicht vereinbar.
Dieser strukturelle Missstand in der deutschen Justizlandschaft kann nur dadurch behoben werden, dass den Staatsanwälten eine den Richtern vergleichbare persönliche und sachliche Unabhängigkeit verliehen wird. Bei der Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen müssen die Staatsanwälte ebenso wie die Richter ausschließlich dem Gesetz unterworfen sein und nicht den Weisungen des Justizministeriums.
Auch innerhalb des staatsanwaltschaftlichen Behördenaufbaus müssen bestehende Abhängigkeits- und Weisungsstrukturen abgebaut werden. Das bestehende Substitutions- und das Devolutionsrecht des Leitenden Oberstaatsanwalts sind daher ersatzlos zu streichen. Ihre Weisungsgebundenheit zu beenden, ist eine Forderung, die bereits von außen an die BRD herangetragen wurde, per Resolution des Europarats am 30. September 2009.
Und bei den weisungsgebundenen Staatsanwälten ist es ja im Grunde noch schlimmer als bei Richtern, da diese eben nicht über die richterliche Unabhängigkeit verfügen.
Selbst wenn der Großteil der Richter in ihren Entscheidungen unabhängig ist, so entscheiden diese doch nach ihren Überzeugungen, das heißt, dass sie die sich bietenden Spielräume in der Rechtsprechung ausschöpfen
und Wertungen vornehmen. Und angesichts der sich bietenden Spielräume, welche die Rechtsanwendung lässt, kann also schon bei der Personalauswahl die Entscheidungsfindung nachhaltig beeinflusst werden.
Im Grunde handelt es sich um ein vorbeugendes Mittel gegen Rechtsmissbrauch mit fatalen Folgen, wenn die Staatsanwaltschaften unabhängig gestellt werden. Wer nun aber behaupten mag, es gebe ja dafür keinen Grund, der könnte gleichfalls dafür eintreten, dass man die Vorbereitung eines Angriffskriegs aus dem Strafrecht streicht. Die zentrale Bedeutung von den Staatsanwaltschaften für die Ahndung von Straftaten wird besonders in den Fällen deutlich, in denen Defizite in Erscheinung treten, wenn Karrieren erst gefördert und später Loyalitäten eingefordert werden.
Wer kann schon hinter die Kulissen der Macht sehen und belegen, wie unverständliche Entscheidungen in der Justiz zustande gekommen sind?! Vonseiten der Projektgruppe „Richterliche Selbstverwaltung“ heißt es treffend, dass die Parteidemokratie dazu geführt hat, dass die Gewaltenteilung von einer Gewaltenhäufung abgelöst wurde
und der angedachte Kontrollansatz dadurch geschwächt wurde, wörtlich, Zitat: „Die Trennung der beiden Staatsgewalten“, also Legislative und Exekutive, „ist kein wirksames politisches Machtverteilungsprinzip mehr, sondern sinkt zu einem Prinzip der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung herab.“ Wirksame Gewaltenkontrolle kann eben nicht stattfinden, wenn die zu kontrollierende Exekutive ihre Kontrolleure selbst auswählt, bestellt, bezahlt und befördert.
Solche Zustände sind inzwischen in fast allen Mitgliedsstaaten Ihrer heiß geliebten Europäischen Union abgeschafft. Aus Sicht des Europarats stellen sie das Leitbild unabhängiger Rechtsprechung infrage. In der BRD allerdings sieht man das nach wie vor nicht so eng, auch wenn schon 1993 die institutionelle Unabhängigkeit der Justiz im Zuge der EU-Osterweiterung gegenüber den damaligen Kandidatenstaaten zur Voraussetzung für eine Aufnahme gemacht wurde.
Dass dies auch ohne Gefährdung der Kontrollbefugnisse des Parlaments oder des Demokratieprinzips möglich ist, zeigt etwa das Beispiel Italien, wo die Staatsanwaltschaften schon vor Jahrzehnten von der Exekutive abgekoppelt wurden und seitdem staatsorganisatorisch der Judikative zugerechnet werden. Ohne diese vollständige sachliche und persönliche Unabhängigkeit der italienischen Staatsanwälte wäre die dort regelmäßig erfolgende Aufdeckung krimineller und mafiöser Strukturen bis hinauf in höchste Ebenen der Politik überhaupt nicht denkbar gewesen. Nur eine unabhängige Staatsanwaltschaft kann auch eine insgesamt unabhängige und funktionierende Strafjustiz vorbehaltlos gewährleisten.
Auch die Linksfraktion, allerdings im Deutschen Bundestag, hat den hierzu aufgezeigten Missstand erkannt und mit einem umfangreichen Gesetzentwurf den Versuch unternommen, Exekutive und Judikative zu entflechten.
In der durchgeführten Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages haben sich zahlreiche Sachverständige für die Annahme des von der Linksfraktion vorgelegten Gesetzentwurfes ausgesprochen und insbesondere darauf aufmerksam gemacht, dass damit in Deutschland lediglich die Unabhängigkeitsstandards für die Justiz eingeführt würden, die in anderen Ländern der Europäischen Union längst eine Selbstverständlichkeit darstellen. Die Loslösung der Justiz aus dem Zugriff der Exekutive, so ist in den Stellungnahmen zu lesen, widerspreche nicht dem Gewaltenteilungsprinzip, sondern helfe eher seiner Verwirklichung. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Staatsanwälte sind als staatliches Organ der Strafrechtspflege Teil der dritten Gewalt. Sie sind der Objektivität verpflichtet
Die Diskussion um die Organisation der Staatsanwaltschaft ist nicht neu. So spricht sich der Deutsche Richterbund dafür aus, nach der Abschaffung des politischen Beamten im Bereich der Staatsanwaltschaft auch das Weisungsrecht neu zu regeln. Dass sich aber nun ausgerechnet die NPD dieses Themas annimmt, mutet doch etwas grotesk an,
fordert die NPD doch für die Staatsanwälte künftig eine den Richtern vergleichbare persönliche und sachliche Unabhängigkeit.
Die Ernsthaftigkeit dieses in dem NPD-Antrag postulierten Anliegens muss man gelinde gesagt in Zweifel ziehen.
Der Antrag strotzt vor Unterstellungen. So wird die Behauptung aufgestellt, die bestehenden Karrierestrukturen innerhalb der Staatsanwaltschaft würden informelle Abhängigkeitsstrukturen begünstigen.
Auch wird mal eben kurzerhand das Beamtenrecht als mit einer unabhängigen Justiz nicht vereinbar erklärt. Zudem wird ausgeführt, es bestehe, Zitat, „die ganz er
hebliche Gefahr der politischen Einflussnahme auf die Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch die Regierung“.
Ich frage mich, woran die NPD das festmachen will. Auch angesichts aktuell anhängiger Verfahren sehe ich eine politische Einflussnahme nicht. Vielmehr sind die aufgestellten Behauptungen Ausfluss der Rechtsstaatsphobie der NPD.
Wenn strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der NPD durchgeführt wurden und werden, liegt das nicht an irgendeiner Art von politischer Einflussnahme,
sondern dies liegt schlicht daran, dass die Staatsanwaltschaften aufgrund des sogenannten Legalitätsprinzips zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtet sind, wenn sie Kenntnis von strafbaren Handlungen erlangen.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Davon kann Herr Köster ein Lied singen, nicht, Herr Köster? – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
die NPD und die Justiz, das ist ein weites Feld. Dass Mitglieder der NPD die Aufmerksamkeit von Staatsanwaltschaften auf sich ziehen, haben wir gerade in diesem Landtag, auch in dieser Legislaturperiode, wieder mehrfach erlebt.
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die NPD die Vorteile des Rechtsstaats durchaus gerne in Anspruch nimmt,
ihn andererseits aber abschaffen will. Denn die NPD findet sich nicht nur wegen falscher Angaben in Rechenschaftsberichten vor Verwaltungsgerichten wieder,
(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Wo ist der Schatzmeister? – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nicht wahr, Herr Köster?)