Protocol of the Session on October 10, 2013

Nun zu einzelnen Bereichen des vorgelegten Maßnahmeplans. In Teil I will die Landesregierung wirksame Maßnahmen ergreifen, „um in der Gesellschaft … das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und Würde zu fördern“. Dieses Ziel, das ich im Folgenden verkürzt als Bewusstseinsbildung bezeichne, wird in Artikel 8 der UN-Kon- vention gefordert. Die Landesregierungen sind zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet. In MecklenburgVorpommern wurde das lange Zeit nicht so gesehen. In den Vorläufern des Maßnahmeplans fehlen entsprechende Passagen. Erst nachdem meine Fraktion 2011 forderte, die Bewusstseinsbildung in den Maßnahmeplan aufzunehmen, änderte sich das.

Nun ist die Bewusstseinsbildung Teil des Maßnahmeplans. Wie die Bewusstseinsbildung erfolgen soll, ist jedoch sehr vage bestimmt.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Hier sei als Beispiel genannt, dass das Ministerium für Inneres und Sport entsprechende Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landes- und Kommunalverwaltung fördert. Sie finden am Institut für Fortbildung und Verwaltungsmodernisierung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege in Güstrow statt.

Das liest sich gut. Im Bericht zur Situation von Menschen mit Behinderungen gab es bereits eine fast gleich lautende Aussage. Realisiert wurden diese Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bis jetzt jedoch nicht. Auf meine diesbezügliche Kleine Anfrage Ende des vergangenen Jahres hieß es aus der Landesregierung, dass die Ressorts keinen Bedarf an entsprechenden Schulungen angemeldet hätten. Für dieses Jahr liegt dem Institut nur eine einzige Anmeldung aus dem Büro des Bürgerbeauftragten vor. Sie soll 2014 realisiert werden.

Der Maßnahmeplan wirkt also nicht. Es reicht offensichtlich nicht aus, den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes Schulungen zur Bewusstseinsbildung nahezulegen. Die Landesregierung muss hier ihre Verantwortung wahrnehmen und die Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung verbindlicher gestalten. Die Aktivitäten der Landesregierung sind fast alle in der Möglichkeitsform formuliert. Die mangelnde Verbindlichkeit ist ein Grundzug des vorgelegten Maßnahmeplanes. Beispielsweise beabsichtigt die Landesregierung, barrierefreie Wahlräume einzurichten.

Das ist meines Erachtens die einzige richtige Konsequenz. Konkreter wird der Maßnahmeplan jedoch nicht. Wo und bis wann die Veränderungen durchgeführt werden sollen, das bleibt unbenannt.

Ein anderes Beispiel: Es soll die Barrierefreiheit von öffentlichen Einrichtungen verbessert werden. Ich zitiere: „Bei einer integrativen und inklusiven Beschulung beziehungsweise Förderung in Kindertageseinrichtungen können entsprechende Vorhaben oder Vorhabensteile gefördert werden.“ Zitatende.

Hier ist zunächst unklar, welches Konzept die Landesregierung für behinderte Kinder verfolgt. Ist es Integration oder Inklusion? Beide Konzepte sind bekanntlich gegensätzlich. Hinzu kommt auch hier die fehlende Verbindlichkeit. Maßnahmen zur Barrierefreiheit können gefördert werden, sie müssen es aber nicht. Ein solches Vorgehen teilt meine Fraktion nicht. Wir wollen, dass Maßnahmen zur Barrierefreiheit fest eingeplant werden und nicht von der Kassenlage abhängen.

Vieles im vorgelegten Plan ist meines Erachtens auch nicht zu Ende gedacht. So will das Sozialministerium alle Beratungsangebote erfassen, um Doppelstrukturen zu erkennen und Bereiche, wo es noch an Beratungen mangelt. Das ist gut und kann die Beratungslandschaft positiv verändern. Allerdings sollte dieses Angebot auch kommuniziert werden. Was nützt ein Angebot, das keiner kennt?

Eine Internetseite, die alle Angebote auflistet, vernetzt und den Ratsuchenden hilft, das richtige Angebot zu finden, wäre die passende Ergänzung zu den geplanten Maßnahmen. Sie wird im Maßnahmeplan allerdings nicht erwähnt. Generell listet der hier vorgelegte Plan die entsprechenden Passagen der UN-Konvention auf und leitet daraus Handlungsfelder ab. Die konkreten Maßnahmen, die man eigentlich dann erwartet, denn es handelt sich ja um einen Maßnahmeplan, sind jedoch sehr dürftig.

Beispielsweise im Bereich Gesundheit, da wird konstatiert, dass es an der Barrierefreiheit in diesem Bereich noch mangelt. Die Landesregierung beschränkt sich jedoch darauf, ich zitiere, „das Bewusstsein der praxisbetreibenden Ärztinnen und Ärzte für die Einrichtung einer barrierefreien Praxis zu stärken“, Zitatende. Das finde ich dürftig. Andere Bundesländer helfen hier durch Investitionsprogramme.

Ich fasse zusammen: Meine Fraktion hat einen substanziellen Maßnahmeplan erwartet, einen, der genaue Maßnahmen benennt, Maßnahmen, die eine Terminsetzung und Verantwortliche haben. Was uns vorgelegt wurde, bleibt bei Absichten, ist weitgehend unverbindlich und damit auch nicht überprüfbar. Diese Vorlage sollte dringend überarbeitet werden. Der vorgelegte Maßnahmeplan ist als Arbeitsgrundlage untauglich. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Minister Harry Glawe)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schubert von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Werte Frau Stramm, ich werde im Rahmen meiner Ausführungen noch auf einige Punkte, die Sie angesprochen

haben, eingehen. Eins vorweg aber: Nicht vom Zeitpunkt der UN-Behindertenrechtskonvention an haben wir uns mit den Belangen der Menschen mit Behinderungen auseinandergesetzt. Die Grundlage war schon vorher für die Politik für Menschen mit Behinderungen in Mecklenburg-Vorpommern

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber nicht bindend.)

die gleichberechtigte Teilhabe am Leben der Gesellschaft, und dieses Grundrecht ist sowohl im Artikel 3 des Grundgesetzes als auch in Artikel 17a der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern verankert gewesen. Und schon damals haben wir uns damit befasst und haben nicht erst auf die UN-Behindertenrechtskonvention gewartet.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na ja, Herr Schubert!)

Aber ich werde ein bisschen langsamer sprechen.

Mit dem SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – im Jahre 2001, mit dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes im Jahre 2002, mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz im Jahre 2006 und dem Landesbehindertengleichstellungsgesetz ebenfalls im Jahre 2006 wurden bereits wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gesetzt.

Auf den bisherigen Grundlagen aufbauend, verfolgt unser Land das Ziel, Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen, zu verhindern, ihnen die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Um diese Ziele konsequent umzusetzen, ist der vorliegende Maßnahmeplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ein wichtiges Instrumentarium.

Innerhalb unserer Rechtsordnung ist die 2008 in Kraft getretene UN-Konvention einem Bundesgesetz gleichgestellt. Es ist also unstreitig, dass eine Umsetzung zu erfolgen hat. Bund und Länder sind damit aufgefordert, in den Mittelpunkt ihrer Politik die gleichberechtigte Teilhabe, Selbstbestimmung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu rücken.

Mit dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention hat die schwarz-gelbe Bun- desregierung 2011 einen Prozess in Gang gesetzt, der das Leben der Menschen mit Behinderungen in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Und mit dem Maßnahmeplan unserer Landesregierung erhält der Nationale Aktionsplan nun ein ausführendes Gesicht in MecklenburgVorpommern.

Ich möchte dazu noch mal ein paar Ausführungen machen vom ersten Tag der Menschen mit Behinderungen. Da sagte Professor Dr. Welti – ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin aus dem Protokoll – auch was zu den finanziellen Dingen: „Zu den Verpflichtungen der Vertragsstaaten gehört es, hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte unter Ausschöpfung der verfügbaren Mittel Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen. Das ist die auch im allgemeinen Pakt über

wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verwendete Formel …“

Und er führt weiter aus: „Und es sollte auch nach durchlebter Wirtschaftskrise kein Zweifel daran bestehen, dass die Bundesrepublik Deutschland zu den wirtschaftlich leistungsfähigeren Vertragsstaaten der Behindertenrechtskonvention gehört. Gleichwohl“ – und jetzt hören Sie bitte zu, Frau Stramm! – „wird man einräumen müssen, dass im Bereich der sozialen Rechte immer ein schrittweiser Prozess erforderlich ist“

(Jörg Heydorn, SPD: Genau. Sehr gut.)

„und nicht alle sozialen Rechte sofort und unverzüglich verwirklicht werden können. Die Staaten werden jedoch darlegen müssen“ – und das, glaube ich, hat dieser Aktionsplan auch dargelegt –, „dass ein solcher Prozess in Gang ist und der Prozess in Richtung der Verwirklichung ausgerichtet ist, das heißt, ein sozialer Rückschritt sollte an dieser Stelle ausgeschlossen sein.“ Und das ist ganz eindeutig zu ersehen aus dem Maßnahmeplan.

Betroffene Menschen brauchen Aussagen, was nach Auffassung der Landesregierung nun also passieren soll – Zielsetzung, Aufgaben, Zuständigkeiten und zeitliche Vorstellungen. All dies hat die Landesregierung auf ihrem Weg zur Inklusion mit dem vorliegenden Plan vorbereitet. Wir sind uns allein bei der Begrifflichkeit schon einig, es wird ein Weg beschritten, am Ziel sind wir noch längst nicht angekommen.

Wir haben bereits gehört, dass zehn Handlungsfelder benannt und mit konkreten Maßnahmen untersetzt wurden. Neben all den Inhalten erscheinen mir aber zwei Aspekte bedeutsam, weshalb dieser Plan so wichtig ist. Zum einen: Der Maßnahmeplan weckt nochmals das Bewusstsein in jedem von uns, dass wir die Wechselwirkungen zwischen den jeweiligen Beeinträchtigungen jedes einzelnen betroffenen Menschen und den vorhandenen Barrieren, die wir in unseren Gedanken oder unserer Gedankenlosigkeit als Gesellschaft mit uns schleppen, endlich genauer unter die Lupe nehmen müssen. Und dieses Spannungsfeld müssen wir über die Grenzen der Ressorts der Landesregierung hinaus auflösen.

An dieser Stelle übernimmt Bildung im weitesten Sinne eine ganz wichtige Aufgabe, denn Bewusstsein muss wachsen, deutlich und mit Sachverstand, um nachhaltig wirken zu können. Deshalb unterstützen wir auch ganz unbedingt die öffentlichkeitswirksame Begleitung des Maßnahmekatalogs.

Ich möchte an dieser Stelle noch mal zitieren, und zwar das Deutsche Institut für Menschenrechte. Dort ist eine Monitoring-Stelle eingerichtet zur UN-Behindertenrechts- konvention, die begleitet die Umsetzung dieser Maßnahmepläne der einzelnen Länder und wurde 2009 vom Deutschen Institut durch das Arbeits- und Sozialministerium gefördert. Und da wird noch mal ganz klar darauf hingewiesen, die Barrieren in den Köpfen müssen abgebaut werden. Bewusstseinsbildung ist eine Verpflichtung und das muss fortlaufend geschehen. Fortlaufend, und deswegen kann man nicht einen Zeitpunkt setzen, bis dahin muss es erreicht werden, diese Bewusstseinsbildung muss ständig sein und insofern auch ressortübergreifend. Ich denke, das muss schon im Kindesalter anfangen und muss dann über die Generationen hinaus weitergeführt werden.

Was schreibt oder was sagt das Deutsche Menschenrechtsinstitut dazu: „Die ‚Barrieren in den Köpfen‘ – Menschen mit Behinderungen werden immer noch eher als ‚Objekte der Fürsorge‘ statt als selbstbestimmt lebende Subjekte angesehen; Menschen mit Behinderungen werden auf ihre Behinderung festgelegt anstatt als Menschen wahrgenommen zu werden, die erst in der Wechselwirkung mit den vielfältigen Hindernissen in ihrem gesellschaftlichen Umfeld eine Behinderung erfahren …“

Ich meine, das ist eindeutig genug und insofern muss dieses fortlaufend sein und wir können nicht davon ausgehen, dass wir einen Zeitpunkt setzen, bis zu dem es erreicht sein muss.

Und der zweite Aspekt, weshalb dieser Plan so wichtig ist: Mir liegt es am Herzen, dass wir nicht Politik machen über die Menschen, sondern mit den Menschen. Nicht wir sollten uns anmaßen, über die Qualität oder Nutzbarkeit einer Maßnahme zu urteilen, sondern diejenigen, die davon betroffen sind, sollen dies tun. Deshalb unterstützen wir auch die Mitnahme der Interessenvereinigungen, Verbände und Selbsthilfevereine. Dort sitzt der bedarfsgerechte Sachverstand, der die Ziele und deren Umsetzung gewichten kann. Auch die Beteiligung Einzelner kann die Arbeit erfolgreich gestalten, weiterbringen und damit kreativ gestalten.

Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, Frau Stramm, und deswegen musste ein langer Diskussionsweg beschritten werden. Ich habe an diesen Diskussionen damals als Bürgerbeauftragter selbst teilgenommen und ich weiß, dass es viele Veranstaltungen gegeben hat mit den Interessenvertretern, wo Hinweise, Anregungen gegeben worden sind, die dann auch wirklich Bestandteil des Maßnahmeplans geworden sind.

Und insofern, denke ich, es lohnt nicht zu behaupten, die Landesregierung schreibt einen Maßnahmeplan, der nicht mit den Beteiligten diskutiert worden ist,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hat sie auch gar nicht gesagt.)

wo dann auch Anregungen und Hinweise eingegangen sind. Und dieser Prozess, das hat ja auch noch mal der Tag der Selbsthilfe bestätigt und das hat auch Frau Müller noch mal gesagt, es war zwar ein langer Weg, der viel Zeit in Anspruch genommen hat, aber dieser Weg war ihrer Meinung nach richtig.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber den Maßnahmeplan hat sie kritisiert.)

Und Sie waren beide, Frau Gajek und auch Frau Stramm, bei dieser Veranstaltung und haben genau diese Worte gehört.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Auch die Kritik.)

Natürlich hat sie auch Dinge kritisiert. Sie hatte über den zeitlichen Ablauf gesprochen, dass der nicht definiert worden ist. Ich hatte eingangs gesagt, ich sehe das anders, auch meine Fraktion sieht das anders,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und wir auch.)

weil es ein fortlaufender Prozess ist, und deswegen kann man keine Zeitpunkte setzen. Dieser Prozess muss ständig hinterfragt werden und das wird er ja auch, denn eine Novellierung steht ja an oder eine Überprüfung, und insofern finde ich es richtig, dass man fortlaufend darüber diskutiert,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Streitkultur ist doch auch schön.)

keine Zeitpunkte setzt und auch keine Betroffenen nennt. Denn betroffen ist die gesamte Landesregierung und sind wir auch selbst, die das umsetzen müssen. In den einzelnen Fachressorts natürlich, wenn es den Baubereich betrifft, Barrierefreiheit, dann sind die jeweiligen Ministerien dafür zuständig, aber die Umsetzung der UN-Behinder- tenrechtskonvention ist eine übergreifende Aufgabe, ressortübergreifend, und wir selbst sind in diese Verantwortung mit einbezogen und sollten auch unsere Möglichkeiten nutzen, das Bewusstsein bei den Bürgerinnen und Bürgern zu schärfen, gerade welche Ziele und Wünsche wir haben, und das sollten wir auch gemeinsam durchtragen.

Ich kann für unsere Fraktion sagen, wir unterstützen diesen Maßnahmeplan und werden ihn auch aktiv begleiten, und noch mal vielen Dank an die Landesregierung für diesen Maßnahmeplan. – Danke.