Protocol of the Session on October 10, 2013

Der Maßnahmeplan ist das Ergebnis eines langen, intensiven Prozesses mit allen Beteiligten. Die Landesregierung hat bereits 2010 mit der Erarbeitung begonnen. Das bedeutet aber nicht, dass von damals bis heute nichts passiert ist. 2011 haben SPD und CDU in Mecklenburg-Vorpommern im Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie die Umsetzung der Konvention unterstützen. Und damit begann auch die Detailarbeit, die Anpassung von Verordnungen und Richtlinien in Mecklenburg-Vorpommern.

Für die Landesregierung war es stets oberstes Gebot, die Umsetzung mit den Betroffenen gemeinsam zu erarbeiten. Der Integrationsförderrat und für die betroffenen Menschen selbst die sie vertretenden Vereine und Verbände sowie staatliche und nicht staatliche Organisationen haben daran mitgearbeitet. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für dieses großartige Engagement bedanken.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe bereits in der vergangenen Landtagssitzung bei der Vorstellung des Berichts des Integrationsförderrates detailliert berichtet, wie der Prozess zu diesem Maßnahmeplan zustande kam, was wir alles an gemeinsamen Veranstaltungen und Beratungen gemacht haben, sodass ich jetzt darauf verzichten möchte. Klar ist, dass die Umsetzung eine Querschnittsaufgabe ist. Deshalb haben sich auch alle Ressorts der Landesregierung beteiligt.

Kommen wir zu den Inhalten. Der Maßnahmeplan fasst die Ziele und Maßnahmen der Landesregierung in einer Gesamtstrategie für die nächsten Jahre zusammen. Dabei liegen insbesondere folgende Prinzipien zugrunde, die in allen Bereichen Berücksichtigung finden müssen:

1. Bewusstseinsbildung für eine inklusive Gesellschaft

2. die Förderung der aktiven gleichberechtigten Teilhabe

am Leben in der Gemeinschaft

3. die Partizipation von Menschen mit Behinderungen und

4. der Abbau von Barrieren in allen Lebensbereichen

Wir haben neun Handlungsfelder, die von den Ressorts als vorrangig eingestuft wurden:

1. die Bewusstseinsbildung

2. die Barrierefreiheit

3. Verkehr

4. Wohnen

5. Selbstbestimmung

6. Schutz der Persönlichkeit

7. Bildung

8. Gesundheit und

9. Arbeit und Beschäftigung

Jede einzelne aufgeführte Maßnahme wird vom verantwortlichen Ressort unter Beteiligung der Menschen mit Be- hinderungen und chronischen Erkrankungen durchgeführt.

Lassen Sie mich dafür Beispiele nennen. Während wir hier im Landtag über den Maßnahmeplan beraten, wird in 2,4 Kilometer Luftlinie aktiv an seiner Umsetzung gearbeitet. Der Integrationsförderrat berät mit der Kassenärztlichen Vereinigung das Thema „Barrierefreie Arztpraxen“. Der Maßnahmeplan enthält insgesamt 50 einzelne Vorhaben zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen am gesellschaftlichen Leben.

Ich will einige weitere Beispiele nennen.

Stichwort „inklusive Bildung“: Wir schaffen bis zu 45 zusätzliche Stellen für sonderpädagogisches Personal, insbesondere an Grundschulen. Insgesamt sind es in M-V dann 110 Stellen. Wir erarbeiten Aus- und Fortbildungskonzepte für Lehrer aller Schularten, um ihre sonderpädagogische Diagnostik- und Beratungskompetenz zu stärken. Wir bilden bis zu 2.000 Lehrkräfte im Themenfeld Inklusion mit den Mitteln des Europäischen Sozialfonds weiter. Auch an der Uni Greifswald wird ein Lehrstuhl für Sonderpädagogik im Rahmen der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer eingerichtet.

Stichwort „Arbeitsmarkt“: In Mecklenburg-Vorpommern existieren bereits 22 geförderte Integrationsprojekte, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnen sind und in denen mindestens 25 Prozent der Beschäftigten schwerbehindert sind, zum Beispiel in CAP-Märkten, Wäschereibetrieben, Betrieben der Gebäudereinigung, Hotel- und Gaststättenbereich, Dienstleistungsbereichen, Garten- und Landschaftsbau. Der Verein „Ohne Barrieren“ ist der größte Arbeitgeber für Menschen mit schweren Behinderungen in unserem Land.

Und an dieser Stelle möchte ich noch einmal das Engagement unseres ehemaligen Landtagsabgeordneten und Verstorbenen Ralf Grabow würdigen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jüngstes Beispiel ist die Eröffnung des HotelSportforum in Rostock Anfang August. Etwa die Hälfte der Mitarbei

ter dort sind Menschen mit Behinderungen. Auch die Landesregierung geht mit gutem Beispiel voran. In meinem Haus haben wir eine Quote von zwölf Prozent.

Stichwort „Zugänglichkeit“: Mir ist wichtig, dass die Menschen, für die wir Politik machen, diese auch verstehen können. Deshalb ist der Text des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes und der Rechtsverordnung in Gebärdensprachvideos für Menschen mit Hörbehinderung verfügbar. Das gilt auch für das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderungen und das Persönliche Budget für blinde und sehbehinderte Menschen. Um das Persönliche Budget für blinde und sehbehinderte Menschen noch weiter bekannt zu machen, sind die Informationen als Hörbuch erhältlich.

An dieser Stelle möchte ich sagen, dass es sich auch für alle anderen lohnt, dieses Hörbuch zu hören. Ich selbst habe es getan. Man versteht dann die Idee des Persönlichen Budgets besser.

Geplant ist auch, für das Landesblindengeld ab 2014 ein Hörbuch aufzulegen.

Stichwort „Bauen“: Auch bei baulichen Maßnahmen geht es voran, zum Beispiel die Beachtung der Barrierefreiheit beim Umbau des Amtsgerichts Güstrow, beim Umbau des Hauptgebäudes der Uni Rostock. Im Krankenhausbereich vergeben wir Fördermittel des Landes nur, wenn Barrierefreiheit gesichert ist, zum Beispiel bei der Warnow-Klinik in Bützow und beim MediClin Krankenhaus in Crivitz. In Bützow hat sich mein Staatssekretär gerade persönlich davon überzeugen können.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Austausch und die Zusammenarbeit zu inklusiven Themen fanden schon statt, als die UN-Behindertenrechtskon- vention noch gar kein geltendes Recht war. Gerade deshalb möchte ich auf die Kritik eingehen, die von einigen Seiten am Maßnahmeplan und bereits an seinem Entwurf geübt wurde.

Sie finden bei vielen Maßnahmen unter dem Punkt „zeitlicher Rahmen“ die Angabe „fortlaufend“. Das ist doch aber ganz klar. Die Idee der Inklusion kann doch nur ein fortlaufender Prozess sein. Dieser hat in der Vergangenheit begonnen und wird uns weiter beschäftigen. Einfach nur die Idee der Inklusion mit Einzelmaßnahmen abzuhaken, wäre nicht angemessen. Man kann Inklusion nicht mit Einzelaktionen umsetzen, sondern es wird ein fortlaufender Prozess, an dem wir uns alle beteiligen müssen.

Und es handelt sich bei den festgelegten Vorhaben auch nicht um wolkige Programmsätze, wie der Bürgerbeauftragte Teile des Maßnahmeplans nannte. Es sind konkrete, definierte, abrechenbare Maßnahmen und der Bürgerbeauftragte hat ja selbst die Möglichkeit, im Integrationsförderrat, dem er seit vergangenem Jahr als Mitglied angehört, an der Umsetzung des vorliegenden Plans mitzuarbeiten, was er auch tut.

Ebenso unberechtigt finde ich die Kritik, dass im Maßnahmeplan keine konkreten Angaben über die einzusetzenden Finanzmittel enthalten sind, also angeblich finanziell nicht untersetzt sind. Jedes Ressort wird in seinem Verantwortungsbereich den möglichen Finanzbedarf für die Umsetzung der Maßnahmen seriös ermitteln und im Rahmen der eigenen Budgetverantwortung planen und verwalten. Und ich finde, es wäre nicht angemessen,

wenn wir einfach immer nur die Inklusion über Geld definieren würden. Meine Erfahrung ist, dass es natürlich neben wie immer umkämpften Finanzressourcen vor allem notwendig ist, die Barrieren in den Köpfen abzubauen, und zwar nicht bei den Menschen mit Behinderungen, sondern oft bei denen ohne Einschränkungen.

Und selbst, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Maßnahmeplan ist die Arbeitsgrundlage für unseren inklusionspolitischen Auftrag. Mein Ministerium wird der Öffentlichkeit diesen Maßnahmeplan als Broschüre zur Verfügung stellen und selbstverständlich werden wir ihn auch in leichte Sprache übersetzen lassen. Wir hier im Landtag und alle Beteiligten und Interessierten werden die Möglichkeit haben, die Wirksamkeit der Maßnahmen selbst zu beurteilen.

Die Landesregierung hat mit dem Maßnahmeplan den Beschluss gefasst, ihn im Jahr 2017 zu evaluieren und in der nächsten Legislaturperiode fortzuschreiben. Wir werden den Integrationsförderrat und die Vereine und Verbände der Menschen mit Behinderungen beteiligen. Alle Ressorts der Landesregierung sind verpflichtet, die Fortschritte bei der Umsetzung der festgeschriebenen Maßnahmen zu ermitteln und dem Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales zu berichten.

Der Maßnahmeplan ist Verpflichtung und Chance zugleich. Seine Umsetzung ist eine Herausforderung, die nur gemeinsam mit allen Beteiligten gemeistert werden kann. Ich freue mich auf die Mitwirkung der Betroffenen, ihrer Angehörigen und der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen sowie aller gesellschaftlicher Gruppen, Organisationen und Institutionen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die UNBehindertenrechtskonvention in Mecklenburg-Vorpom- mern mit Leben erfüllt wird! – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Karen Stramm für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Meine Fraktion fordert seit Jahren, dass der Maßnahmeplan zur Umsetzung der UN-Konvention von der Landesregierung vorgelegt wird. Das können Sie in der Parlamentsdatenbank nachlesen. Nun ist der Maßnahmeplan endlich da und er erfüllt nicht die Erwartungen. Dabei hat die Landesregierung sich viel Zeit genommen. Bekanntlich räumte die Bundesregierung nach ihrer Unterzeichnung der UN-Konvention im Jahr 2009 den Landesregierungen zwei Jahre ein, um die Situation von behinderten Menschen in den Bundesländern zu erfassen und der Bundesregierung darüber zu berichten.

Diesen Termin hat die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Verpennt.)

nicht gehalten. Sie berichtete der Bundesregierung erst im Jahr 2012. Dann brauchte sie noch ein Jahr, bis end

lich der Maßnahmeplan vorgelegt wurde. Allein diese Terminerfüllung ist für die Landesregierung kein Ruhmesblatt. Sie sagt doch etwas über die Prioritätensetzung aus.

Auch bei den Plänen zur Umsetzung der UN-Konvention waren die meisten anderen Bundesländer schneller und sie sind heute bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen schon viel weiter. In Mecklenburg-Vorpommern geht alles nicht nur etwas langsamer, die Landesregierung weiß auch wenig. Das wurde spätestens mit dem Bericht über die Lage von Menschen mit Behinderungen deutlich, in dem die Landesregierung uns über weite Teile Bundesdaten präsentierte. Für die hiesigen Verhältnisse hat die Landesregierung einfach keine validen Daten. Vielleicht löst erst die Opposition Recherchen aus. Ich erinnere nur an die nicht vorhandene Barrierefreiheit der Wahllokale.

Nun zu einzelnen Bereichen des vorgelegten Maßnahmeplans. In Teil I will die Landesregierung wirksame Maßnahmen ergreifen, „um in der Gesellschaft … das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und Würde zu fördern“. Dieses Ziel, das ich im Folgenden verkürzt als Bewusstseinsbildung bezeichne, wird in Artikel 8 der UN-Kon- vention gefordert. Die Landesregierungen sind zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet. In MecklenburgVorpommern wurde das lange Zeit nicht so gesehen. In den Vorläufern des Maßnahmeplans fehlen entsprechende Passagen. Erst nachdem meine Fraktion 2011 forderte, die Bewusstseinsbildung in den Maßnahmeplan aufzunehmen, änderte sich das.