Und was die Krankenversicherung betrifft, Sie haben hier gesagt, ja, wenn er denn Leistungen bekommt, also ergänzende Sachleistungen, dann ist er auch wieder krankenversichert. Das ist richtig. Aber in dem Antrag, wenn Sie ihn gelesen hätten, geht es ja gerade um die Leute, die das nicht bekommen, und wenn man solche Leistungen nicht bekommt, hat man auch keine Krankenversicherung.
Aber das ist ja das geringste Übel, nicht? Wenn man drei Monate nichts zu essen hat, ist es doch egal, ob man krank oder gesund ist, da ist man sowieso hinüber. Wenigstens gibt es keinen Wasserentzug, denn Wasser kann man sich vielleicht noch aus dem Fluss holen.
So, es geht hier also um Verhältnismäßigkeit und es ist auch falsch, wenn Sie sagen, dass Sanktionen nur einen geringen Anteil der Leute betreffen würden.
Voriges Jahr gab es über eine Million Sanktionen, das ist ein Massenphänomen. Es geht dieses Jahr vielleicht ein bisschen zurück, aber es ist ein Massenphänomen. Wie viele solcher 100-Prozent-Sanktionen verhängt werden, wissen Sie nicht, ich weiß es auch nicht, aber die gesetzliche Möglichkeit besteht. Und dass allein die gesetzliche Möglichkeit besteht,
Dass man das machen kann, dass man jemanden ohne Geld und ohne Essenmarken und ohne irgendetwas drei Monate lässt, das ist barbarisch! Da war es im 19. Jahrhundert noch besser, da kam man in ein Armenhaus oder in ein Arbeitshaus. Das ist wirklich kapitalistischer Stalinismus, das konnte einem unter Stalin auch passieren.
Wenn man nicht in den Gulag kam oder erschossen wurde, konnte es sein, dass einem die Lebensmittelbezugsscheine gestrichen wurden und dann konnte man sehen, wo man blieb.
Übrigens will ich Sie in Ihrem Elfenbeinturm noch auf ein verwandtes und noch schlimmeres Problem hinweisen, auch wenn Sie natürlich behaupten, das gibts nicht, aber ich weiß, dass es das gibt:
Diejenigen, die Sanktionen bekommen, die werden zumindest vorgewarnt, die kriegen eine Anhörung und haben
eine Zeit, in der sie sich darauf vorbereiten können – ob es ihnen nun etwas nützt oder nicht. Aber es kommt jetzt verhältnismäßig oft vor – verstärkt, nachdem man die Sozialagentur ersetzt hat durch das Jobcenter –, dass den Leuten einfach Leistungen eingestellt werden. Die kriegen am Anfang des nächsten Monats keine Leistungen überwiesen und wenn sie nachfragen, sagt man ihnen, es sei bei der Neuberechnung festgestellt worden, sie wären nicht mehr bedürftig, oder es hätte einen Anruf gegeben, sie würden in einer Bedarfsgemeinschaft leben, deswegen seien sie nicht mehr bedürftig – und dann stehen die erst mal ohne Leistungen da, vollkommen kalt erwischt. Selbst wenn sie wissen, wie man das macht und vor das Sozialgericht gehen, dauert das zwei Wochen, in denen sie gar nichts haben, völlig ohne Vorbereitung. Und die Leute, bei denen das nicht zutrifft, die kein Einkommen oder Vermögen haben – weil die Sozialagentur beziehungsweise das Jobcenter das irrtümlich annimmt – und nicht in der Bedarfsgemeinschaft leben, sind dann bedürftig und haben zwei Wochen nichts, bis das Sozialgericht entscheidet.
Da müsste man unbedingt etwas unternehmen, dass solche Leute in so einer Situation, besonders wenn Kinder betroffen sind, Familien mit Kindern – solche Fälle kenne ich auch –, dass die dann mindestens auf Darlehensbasis irgendetwas kriegen. Ansonsten haben wir hier wirklich Zustände wie zu Dickens Zeiten im 19. Jahrhundert und das verbreitet sich mittlerweile. Das ist eine sehr ernste Sache, auch wenn Sie das zum Totlachen finden, Herr Renz.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2132. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/2132 mit den Stimmen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion der NPD.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Prozess der Onshore-Ölfeldentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern positiv begleiten, Drucksache 6/2127. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/2174 vor.
Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Prozess der Onshore-Ölfeldentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern positiv begleiten – Drucksache 6/2127 –
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie dem Ihnen vorliegenden Antrag entnehmen können, sprechen sich die SPD-Landtagsfraktion beziehungsweise die Koalitionsfraktionen ausdrücklich dafür
aus, eventuelle Möglichkeiten, welche sich gerade für die wirtschafts- und finanzschwachen Regionen im östlichen Teil unseres Landes aus einer möglichen Erdölförderung ergeben könnten, positiv zu begleiten.
Um es gleich am Anfang klarzustellen: Hier geht es nicht um die Wende der Wende in der Energiepolitik. Die SPDLandtagsfraktion wird weiterhin an ihrem erklärten Ziel festhalten, energie- und wirtschaftspolitisch dieses Land durch einen Ausbau der erneuerbaren Energien und durch eine Erhöhung der Wertschöpfung in diesem Bereich weiter voranzubringen.
Wir tun dies auch in dem Bewusstsein, dass die vorhandenen Erdölressourcen zu wertvoll sind, um sie im wahrsten Sinne des Wortes zu verbrennen. Aber Erdöl, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, ist heutzutage nicht nur immer noch, und das bedauere ich ausdrücklich, ein wesentlicher Bestandteil im Bereich der energetischen Erzeugung. Erdöl ist als Rohstoff für eine Vielzahl von Produkten auch wesentlicher Bestandteil unserer industriellen Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, überlegen Sie einmal selbst, wie Ihr Leben wirklich aussehen würde, wenn Sie von heute auf morgen tatsächlich auf Produkte verzichten wollten, die auf der Basis von Erdöl entstehen. Und ich meine jetzt nicht die Kugelschreiber,
die momentan bis zum 22.09. allerorts verteilt werden. Manche haben auch Stifte aus Holz, Frau Karlowski. Das ist sehr positiv, aber im Endeffekt ist es nicht nur das, es ist eine Vielzahl...
Aber sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns von den Kugelschreibern und den Holzbleistiften abgehen. Gucken Sie sich Ihren Schreibtisch an! Gucken Sie sich alle Ihre Sachen an, dann wissen Sie, dass Sie tatsächlich in Ihrem ganzen Leben mit Erdölprodukten umgeben sind!
Und, meine Damen und Herren, man kann natürlich sagen, in Ordnung, wir wollen auch zukünftig unseren Lebensstandard auf dem derzeitigen Niveau halten, aber die Förderung der Rohstoffe, egal, worum es sich handelt, soll doch bitte nicht vor meiner Haustür geschehen, sondern irgendwo, wo es mich nicht stört oder beeinträchtigt.
Das, meine Damen und Herren, ist eine Einstellung, die zugegebenermaßen heute weit verbreitet ist. „Not in my backyard“ nennen das die Engländer. Auf gut Deutsch: überall woanders, nur nicht bei mir vor der Haustür. Verantwortungsvolle Politik, meine Damen und Herren, sieht allerdings anders aus. Darum, sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen, steht meine Fraktion grundsätzlich positiv einer Nutzung der hier im Land vorhandenen Ressourcen gegenüber. Und dies gilt auch für eventuelle Erdölvorkommen in Mecklenburg-Vorpommern.
Was wir allerdings wollen, und das gilt natürlich auch für eine entsprechende Erdölförderung hier in unserem Land, wenn es denn tatsächlich dazu kommen sollte, ist, dass eine solche Ressourcennutzung im Einklang mit den umwelt- und tourismuspolitischen Zielen dieses Landes erfolgt. Und so gilt für meine Fraktion die Position, die auch vom Landestourismusverband im Hinblick auf eine Nutzung eventueller Erdölvorkommnisse im Einklang mit den touristischen Zielen des Landes vertreten wird.
Ich erlaube mir, den Chef des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Bernd Fischer, zu zitieren. Der führt aus: „Für uns steht fest, dass es keinesfalls um die Frage ,Tourismus oder Öl?‘ gehen darf. … Vielmehr gehe es darum, ob und wie tourismus- und energiewirtschaftliche Interessen in Einklang zu bringen seien. Die zum Teil geschützte natürliche und landschaftliche Grundlage für den Tourismus müsse,“ so Herr Fischer weiter, ausdrücklich „erhalten bleiben.“
Dies, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist auch die Auffassung meiner Fraktion. Dass Tourismus, Landschaftsschutz und Erdölförderung nicht in Widersprüchen stehen müssen, zeigt sich im Übrigen seit Langem in unserem Land auf der Insel Usedom.
Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben gestern im Rahmen der Haushaltsdebatte auf die finanzielle Situation gerade von Gemeinden in Vorpommern hingewiesen. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle jemanden zu zitieren, der eben aus dieser Region ist. Peter Drechsler, Chef des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA in Vorpommern erklärt zu der Frage einer Erdölförderung in Vorpommern: „Warum nicht? Sollte das Öl gefördert werden, spült das schließlich Geld in die klammen Kassen der InselGemeinden, die dieses dringend benötigen“, so Herr Drechsler.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, selbst wenn nicht alle Vorhersagen sich mit den optimistischen Szenarien erfüllen sollten und tatsächlich nicht bis zu 14 Milliar- den Euro über die Dauer einer eventuellen Erdölförderung in die Kassen der Kommunen und des Landes gespült werden sollten, auch ein Bruchteil solcher Einnahmen würde sich gerade für die dortigen finanzschwachen Regionen unseres Landes positiv auswirken.
Vor diesem Hintergrund sollten wir solche Möglichkeiten wie eben eine eventuelle Erdölförderung in MecklenburgVorpommern nicht einfach beiseiteschieben. Wir sollten vielmehr darauf achten, dass, anders als in anderen Regionen der Welt, hier im Land eine Erdölförderung unter Beachtung aller umweltpolitischen Belange zum Wohl der finanziellen und wirtschaftlichen Interessen erfolgt, und einen solchen Prozess dann aber auch tatsächlich positiv begleiten.
Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werden wir daher dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auch nicht zustimmen können. Wir werden aber dem Wunsch, der an uns von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN herangetragen worden ist, diesen Antrag federführend in den
Wirtschaftsausschuss und zur Mitberatung an den Energieausschuss zu überweisen, folgen und dem entsprechenden Antrag, wenn er formal durch Sie, Herr Kollege Jaeger, gestellt wird, dann auch unsere Zustimmung geben.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich zunächst für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf eine interessante Diskussion mit Ihnen. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.