Akute strukturelle Probleme – wenn wir über kommunale Finanzausstattung reden, meine sehr verehrten Damen
und Herren, dann haben wir doch immer zwei Teile von Problemlösungen zu sehen, zwei Regelungskomplexe, die wir im FAG finden, nämlich die horizontale Verteilung innerhalb der kommunalen Ebene und die vorausgehende vertikale Verteilung, das heißt, die Frage, wie viel denn eigentlich das Land der kommunalen Ebene zur Verfügung stellt.
Und wenn wir uns mal dieses im Zusammenhang anschauen, dann müssen wir doch feststellen, dass viele Probleme der horizontalen Verteilung eigentlich viel kleiner wären, wenn es bei der vertikalen Verteilung das große Füllhorn gäbe, mit dem man einfach das Geld auf die kommunale Ebene herabregnen lassen kann. Dann wäre das mit dem Verteilen viel einfacher.
Aber natürlich gibt es die Diskussion, ob die Verbundquote, die Beteiligungsquote, die das Finanzausgleichsgesetz mit 33,99 Prozent für die kommunale Ebene und logischerweise 66,01 Prozent für die Landesebene festlegt, aufgabengerecht und angemessen ist. Und das scheint mir doch ein Dreh- und Angelpunkt der Diskussion zu sein. Aber genau an diesem Punkt muss ich mir dann doch etwas erstaunt die Augen reiben, wenn ich feststelle, dass im FAG-Beirat genau diese Frage zur Diskussion gestanden hat und die Vertreter der beiden Landesministerien dort die bisherige Quote für angemessen gehalten haben, der Städte- und Gemeindetag sie für unangemessen hält und eine Veränderung zugunsten der kommunalen Ebene fordert – alle drei Positionen wundern uns nicht – und der Landkreistag sich bei einer solchen Abstimmung der Stimme enthält.
Das heißt, der gleiche Landkreistag, der hier – vielleicht nicht ganz der Landkreistag, sondern die Landrätekonferenz – auf der einen Seite die strukturellen Probleme beklagt, der möchte auf der anderen Seite nicht die Forderung erheben, dass die Beteiligungsquote zugunsten der Kommunen verändert wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch ein Tatbestand, den können wir genauso wenig wegwischen wie die anderen Tatbestände, die Sie hier richtig angeführt haben, Frau Rösler. Und deswegen habe ich diesen Tatbestand in Ihrer Sachdarstellung schmerzlich vermisst. Ich glaube, das gehört zur Wahrheit, dass man nicht durch Auslassung Dinge in eine andere Optik bringt, sondern dass man, wenn man schon über einen solchen Tatbestand redet, den Tatbestand bitte auch vollständig darstellt. Und Sie werden nicht behaupten können, dass ein solches Stimmverhalten des Landkreistages im FAG-Beirat nun etwas Unerhebliches sei, dass wir es hier einfach vernachlässigen können.
Ich halte es für sehr interessant, dass der Landkreistag sich hier so verhalten hat, und ich würde gerne mit dem Landkreistag mal in ein Gespräch eintreten – ich persönlich tue das, aber vielleicht sollten wir als Kommunalpolitiker in diesem Landtag das auch organisiert tun –, mit dem Landkreistag in ein Gespräch eintreten, wie es eigentlich
zu einer solchen Abstimmung kommt. Denn ohne die Hintergründe zu wissen, werden wir uns kaum sachgerecht mit dem Problem auseinandersetzen können.
Und nun, meine Damen und Herren, zum Thema „strukturelle Probleme“. Ja, kaum jemand wird bestreiten, dass es Probleme beim FAG gibt. Kaum jemand wird bestreiten, dass wir hier Handlungsbedarf haben. Der Minister hat es ja auch dargestellt und hat den Handlungsweg aus seiner Sicht aufgezeigt, wie an das Problem herangegangen werden soll. Also dass wir hier Handlungsbedarf haben, ja. Aber ich möchte gerne einmal einen nachdenklichen Gedanken in die Diskussion einspeisen.
Wir haben hier viele verschiedene Beteiligte. Wir haben das Land, wir haben die Landkreise, wir haben die kreisfreien Städte, die großen kreisangehörigen Städte, wir haben mittlere Städte und Gemeinden, die noch zentralörtlichen Charakter haben, und wir haben kleine und kleinste Gemeinden. Und wir alle wissen, dass die Interessen dieser verschiedenen Beteiligten keineswegs immer deckungsgleich sind, sondern dass es hier durchaus unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Erwartungen an eine zukünftige Gestaltung des FAG gibt.
Natürlich hat der Minister recht, wenn er mit Formulierungen wie „aufgabengerechte Finanzausstattung“ versucht, Maßstäbe zu definieren. Aber das wird uns nicht aus der politischen Kalamität bringen, dass wir auch auf der kommunalen Ebene sehr divergierende Interessen haben, solange es um die horizontale Verteilung geht. Wenn es um die vertikale Verteilung geht, dann ist es alles sehr einfach für die kommunalen Verbände, bis jetzt,
Und deswegen, lieber Kollege Ritter, ist es keine Ausrede, nichts zu tun, sondern deswegen ist das eine Mahnung dafür, etwas sehr Sorgfältiges zu tun und vielleicht auch mal diese unterschiedlichen Interessen einfach zur Kenntnis zu nehmen und zu sagen, der hohe Erwartungsdruck, den ihr auf ein solches FAG-Gutachten legt, das Denken, wenn da so ein tolles Gutachten kommt, dann wird alles besser, ein solches Denken, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird sicherlich nicht für alle sich verwirklichen, denn ich bin ganz sicher, auch beim nächsten Finanzausgleichsgesetz und bei jeder Veränderung wird es Gewinner und Verlierer geben und wird es kontroverse Diskussionen geben.
Deswegen ist es unsere Aufgabe als Landtag, den Blick auf das ganze Land zu richten und dann eine abwägende Entscheidung zu treffen. Aber eine solche abwägende Entscheidung können wir nur treffen auf der Basis von vernünftigen Überlegungen, Betrachtungen und auch vernünftigem Zahlenmaterial. Und deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und deswegen, lieber Kollege Ritter, nicht nichts tun, aber überlegt handeln. Und überlegt handeln geht nicht, indem wir aus der Hüfte schießen, sondern überlegt handeln heißt, dass wir hier eine solche wissenschaftliche Untersuchung brauchen, die uns dann aber das Selberdenken und das Entscheiden auch nicht abnehmen wird.
Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden erhebliche Zeit brauchen, bis wir zu einer Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes kommen. Ich möchte allerdings hier für meine Fraktion auch sehr deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich hoffe und erwarte, dass wir zu einer Novelle so kommen, dass sie noch in dieser Legislaturperiode des Landtags in Kraft treten kann. Dieses auf die nächste Legislaturperiode zu verschieben, hielte ich bei diesem Problem für nicht angemessen. Aber, ich sage es noch mal, das heißt nicht, dass ich hier eine vernünftige wissenschaftliche Auseinandersetzung, die Notwendigkeit einer solchen wissenschaftlichen Auseinandersetzung verneine, nein, ich bejahe sie ausdrücklich.
Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ein sehr kompliziertes Problemknäuel vor uns in der Sache, wir haben einen Ablauf, der sich über einen langen Zeitraum erstrecken wird, aber wir alle wollen, dass dieser Zeitraum nicht zu lang ist. Und bei einem solch komplexen Sachverhalt scheint es mir wenig geeignet, lieber Kollege Ritter, hier so einen Antrag einzubringen und zu sagen, bis zum Datum X, dem Datum kann man sogar eine gewisse Logik abgewinnen, selbstverständlich, bis zum Datum X muss das alles über die Bühne sein.
Ich glaube, das macht es sich zu einfach, und deswegen möchte ich einem solchen Antrag nicht zustimmen.
Ich hätte mir allerdings, und das sage ich hier auch in aller Offenheit, durchaus vorstellen können, dass wir uns einen solchen Antrag einfach mal in den Innenausschuss ziehen, nicht, um ihn dann anzunehmen, sondern um ihn zum Anlass zu nehmen, mit allen Beteiligten, das heißt insbesondere auch mit den kommunalen Verbänden, über ein solches Thema zu reden und zu gucken, wie man hier den Prozess beschleunigen kann und wie man hier möglichst bald zu sachgerechten Ergebnissen kommen kann. Dieses war, und ich sage das in aller Offenheit, mit meinem Koalitionspartner leider so nicht möglich, der eine solche Behandlung im Innenausschuss nicht wünscht. Ich werde deshalb dem Antrag so nicht zustimmen können, lieber Kollege Ritter und liebe Kollegin Rösler, aber ich denke, auch wenn wir diesen Antrag heute ablehnen, das Thema des FAG, das Thema seiner Überarbeitung wird uns in den nächsten Jahren begleiten, und ich hoffe, dass wir dabei zu Ergebnissen …
Ich hoffe, dass wir dabei zu Ergebnissen kommen, die dann auf der kommunalen Ebene nicht bei jedem Begeisterung hervorrufen werden, die aber dann so gestaltet sein werden, dass diese kommunale Ebene insgesamt die ihr gestellten Aufgaben erfüllen kann. Das muss unser Ziel sein, daran müssen wir arbeiten. Und deswegen lassen Sie uns gründlich über eine Neugestaltung reden. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass die Haushaltslage der Kommunen kritisch ist, bedarf hier keiner besonderen Erwähnung mehr im Raum. Nicht umsonst sah sich die Landesregierung auch veranlasst, seit der letzten FAG-Novellierung immerhin bereits vier kommunale Hilfspakete zu schnüren. Ich erinnere noch mal an den Kommunalen Ausgleichsfonds, den Kofinanzierungsfonds, den Konsolidierungsfonds und jüngst den 100-Millionen-Euro-Gießkannenfonds in- klusive der vorgezogenen Zahlungen aus dem FAG.
Die Hilfe für die kommunale Familie ist dabei absolut richtig, allein an eine strukturelle Änderung des Finanzausgleichsgesetzes traute sich die Landesregierung lange Zeit nicht heran. Darum begrüßen wir es ausdrücklich, dass nun Gutachten zum vertikalen wie auch zum horizontalen Finanzausgleich demnächst beauftragt werden sollen, um eine grundsätzliche Reform vorzubereiten. Dies hat bekanntlich, das wurde auch schon gesagt, der FAG-Beirat in der Sitzung im April beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich halte es für dringend geboten, dass sich die Landesregierung Meilensteine und Fristen setzt. Das gehört sich meines Erachtens für ein gut organisiertes Ministerium. Und ich bin etwas verwundert, dass der Minister hier zu Protokoll gibt, dass es scheinbar intern noch keine feste Zeitplanung gibt. Ich halte es daher für eine legitime Forderung der Fraktion DIE LINKE, hier eine Frist oder einen Meilenstein zu setzen. Und wenn Herr Müller auch noch eine Reform des FAG in dieser Legislaturperiode wünscht, dann ist der 01.01.2016 der letzte mögliche Termin dafür, weil das der neue Doppelhaushalt ist. Also das heißt, dann sind Sie eigentlich mit der Terminvorstellung der LINKEN einverstanden.
Ich rate auch dem Hohen Hause wie auch der Landesregierung, möglichst schnell mit der Reform des FAGGesetzes voranzukommen, denn wie Sie alle wissen, ist die Diskussion um den Länderfinanzausgleich vollends entbrannt, und ich denke, wir sollten schnellstmöglich unsere Hausaufgaben gemacht haben und erkannt haben und berechnet haben, was wir und unsere Kommunen brauchen, um in diese Diskussion tief einzusteigen und die Interessen des Landes zu wahren. Das heißt, wir müssen jetzt richtig schnell vorankommen, denn sonst ist auch der Zug für den wichtigen Länderfinanzausgleich, für die wichtige Neuausrichtung des Länderfinanzausgleiches abgefahren.
Natürlich stehen die Konsolidierung des Landeshaushalts und eine höhere kommunale Finanzausstattung zunächst in einem Spannungsverhältnis. Die Antwort kann nicht nur heißen, immer mehr Geld ins System zu geben in der Hoffnung, dass sich dann alle Probleme lösen werden. Aber genauso wenig ist es eben zu vermitteln, wenn die Rücklagen des Landes auf über 1 Milliarde Euro steigen, während sich die Kommunen verschulden müssen.
Eine FAG-Novellierung muss daher den differenzierten Problemlagen der Kommunen gerecht werden. Im Rahmen der anstehenden Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs müssen eine Reihe offener Fragen und Probleme geklärt werden, und zwar unter Einbeziehung der Kommunen, des Landes und eben auch des Bundes. Einige ausgewählte Punkte möchte ich aus unserer Sicht darstellen.
Erstens muss geklärt werden, was eigentlich eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen bedeutet. In dieser Hinsicht hoffen wir auch auf qualifizierte Antworten durch das Gutachten.
Zweitens muss eine Lösung für die massiv steigenden Kosten bei der Jugend- und Sozialhilfe gefunden werden. Ohne eine Lösung dieser Frage kann es keine Lösung der kommunalen Finanzierungsfrage geben. Kurzfristig muss der Bund bei den Kosten der Unterkunft den eigenen Anteil spürbar erhöhen. Der GRÜNEN-Vorschlag im Bundestag sieht eine Erhöhung der Bundesbeteiligung in zwei Schritten auf insgesamt 37,7 Prozent vor, so- dass die Gesamtbeteiligung inklusive der weiteren Ausgleichsbeträge 49 Prozent betragen würde. Mittelfristig soll auch bei der Eingliederungshilfe der Bund an der Finanzierung beteiligt werden. Ein erster Schritt in diese Richtung sichert das Verhandlungsergebnis zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Bundesratszustimmung zum Europäischen Fiskalpakt.
Drittens muss aber auch über eine verbesserte Einnahmesituation gesprochen werden, und zwar auf allen staatlichen Ebenen. Fakt ist, die Kommunen unterliegen einer volatilen Finanzausstattung. Das muss ich Ihnen nicht erklären. Die Einnahmen sind in den letzten Jahrzehnten entkoppelt vom Wirtschaftswachstum und können mit den steigenden Ausgaben nicht mehr schritthalten.
Als GRÜNE haben wir dazu sehr detaillierte und durchgerechnete Konzepte im Bundestag wie auch im Wahlprogramm zur Bundestagswahl vorgelegt. Die GRÜNENReformvorschläge zu den Gemeinschaftssteuern steigern die Einnahmen und lassen die Kommunen partizipieren, egal ob nun Änderungen bei der Unternehmens- und Einkommensbesteuerung oder Abschaffung des SplittingVorteils oder der Abgeltungssteuer. Im Saldo werden sich die Einnahmen für die Kommunen erhöhen.
Auch Reformvorschläge für kommunale Steuern haben das Potenzial zur Entlastung. Eine Berechnung der Grundsteuer nach pauschalierten Verkehrswerten würde die Bemessungsgrundlage erweitern. Die Gewerbesteuer wollen wir zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer weiterentwickeln. Die Einbeziehung der Freien Berufe wird das Aufkommen verstetigen. Außerdem bestehen im Vergleich zu anderen Flächenländern unterdurchschnittliche Hebesätze. Als Land müssen wir überlegen, ob es sinnvoll ist, stärker zu steuern, etwa über die Festsetzung nivellierender Hebesätze.
Die „Verstetigung der Einnahmen“ ist übrigens ein gutes Stichwort, denn während sich der CDU-Fraktionsvor- sitzende Vincent Kokert als Retter der Kommunen im Land positionieren will, …
… beschließen die CDU-Kollegen auf Bundesebene massive Steuersenkungen zulasten der Kommunen. Zwischen 2010 und 2013 entziehen Steuergesetze wie zum Beispiel die Mövenpick-Steuer den Kommunen insgesamt 5,2 Milliarden Euro.
(Vincent Kokert, CDU: Das haben Sie auch gesagt beim Städte- und Gemeindetag. Da knabbern wir heute noch dran.)
Insofern wäre es auch ein Beitrag für die Kommunen in unserem Land, wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, mit Ihren Kollegen auf Bundesebene einmal sprechen würden. Scheinbar sind die Auswirkungen einer solchen Politik dort nicht wirklich angekommen.
Und dass wir sehr ehrlich, was Wahlversprechen anbelangt, damit umgehen, Herr Kokert, das sehen Sie an unserem Wahlprogramm.