Protocol of the Session on May 31, 2013

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD – Udo Pastörs, NPD: Die CDU – „Ausländerstopp“ haben die plakatiert seit den 80er-Jahren.)

Also weiß ich nicht, ob die Linie auf ewig so durchhaltbar ist.

(Udo Pastörs, NPD: Ich glaub, ja.)

Auf jeden Fall können wir Ihrem Antrag in der Sache viel abgewinnen, weil es unsere eigenen Positionen widerspiegelt, ablehnen müssen wir ihn leider trotzdem. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Silkeit von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ja, Frau Tegtmeier, so ist das in der Koalition. Ich kann aber nicht verhehlen – und das wissen Sie –, es gibt auch in meiner Partei so den einen oder anderen Sympathisanten bei diesem Thema.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber Sie haben meine Position absolut zutreffend wiedergegeben. Auf mich und auf die CDU-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern trifft das keineswegs zu und es ist insofern auch nicht verwunderlich, dass wir uns Ihrer letzten Meinung anschließen und den Antrag ebenfalls ablehnen.

Gestatten Sie mir trotzdem noch die eine oder andere Bemerkung zu dem Thema.

Mit Punkt 1 und 2 Ihres Antrages unterstellen Sie – also DIE LINKE – aus meiner Sicht, dass die Einbürgerungsbehörden ihr Ermessen fehlerhaft ausüben und sich damit rechtswidrig verhalten. Diese Unterstellung kann und werde ich nicht unterstützen.

Und, lieber Kollege Al-Sabty, wenn Ihnen solche Fälle vorliegen, dann wäre zumindest hier der richtige Ort, Ross und Reiter zu nennen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau, richtig.)

Ansonsten halte ich mich an das, was ich gestern sagte: Es gibt rechtsstaatliche Regeln, die nennen sich in diesem Fall „Verwaltungsvorschriften“, die sind bundes- einheitlich. Und ich bin überzeugt davon, dass die darin eröffneten Entscheidungsspielräume in Mecklenburg-Vor- pommern sowohl durch die Einbürgerungsbehörden vernünftig wahrgenommen werden und insbesondere das Thema Mehrstaatlichkeit auch nicht in der Art und Weise praktiziert wird, wie unterstellt wird.

Lassen Sie mich aber dennoch zu dem Thema Mehrstaatlichkeit noch das eine oder andere ausführen. Sie fordern in Ihrem Antrag die exklusive Hinnahme der mehrfachen Staatsangehörigkeit. Dass Sie ganz nebenbei unsere komplette Rechtsordnung auf den Kopf stellen und die Ausnahme zur Regel erklären, stört Sie offensichtlich nicht. Dabei blenden Sie ebenfalls die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, das ebenfalls von der Ausnahme und nicht von der Regel ausgeht.

Nebenbei gehen Sie mit Ihrem Antrag auch meilenweit an der Lebenswirklichkeit vorbei. Gemäß einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge votierten 88 Prozent der befragten Optionspflichtigen – lieber Kollege Al-Sabty, auf die stellten Sie vorhin ab – für den deutschen Pass.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ach guck! 88!)

Serap Çileli, eine türkische Schriftstellerin mit deutschem Pass, in Deutschland lebend, bringt einen eigenen, für mich nicht von der Hand zu weisenden Erklärungsansatz für derartige Anträge. Und ich zitiere, unter der Überschrift „,Alle Jahre wieder‘, heißt es so schön. SPDParteichef Sigmar Gabriel hat die Jagdsaison auf Wähler mit Migrationshintergrund eröffnet und verspricht im Falle eines Sieges bei den Bundestagswahlen den ,DoppelPass‘. Der Optionszwang sei eine Zumutung und eine innere Zerreißprobe für die betroffenen jungen Menschen.“ Und weiter heißt es bei ihr: „Das Wählerpotenzial bei Migranten ist kein Geheimnis mehr und alle wollen ein Stück vom Kuchen … Die Auseinandersetzung um die doppelte Staatsbürgerschaft ist letztlich reine Symbolpolitik, doch wir brauchen in Deutschland endlich wahre Debatten um die echten Belange der Menschen.“ Zitatende.

Ich habe mich sehr bei diesem Thema und meinen Recherchen mit der Frage beschäftigt: Wozu brauche ich eine doppelte Staatsbürgerschaft?

(Udo Pastörs, NPD: Um Vorteile zu ziehen.)

Und, lieber Kollege Al-Sabty, wir haben vorhin das Thema in der Lobby ganz kurz behandelt. Ich habe keine Antwort gefunden. Ich habe keine, überhaupt keine Antworten darauf gefunden, wozu ich eine doppelte Staatsbürgerschaft brauche.

(Udo Pastörs, NPD: Vorteile! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

„Die Welt“ versuchte am 2. Mai einen eigenen Erklärungsansatz zu finden, und ich zitiere: „Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein Irrweg“. „Bei der Besteuerung, im Wirtschaftsleben und bei der Migration brauchen wir eine eindeutige Haftbarkeit der Akteure. Daher ist die Zugehörigkeit zu einem Staat nur etwas wert, wenn sie unteilbar ist.“

Und auch im „Cicero“ war am 22.02.2013 zu lesen: „Zwei Pässe sind undemokratisch“. Ich zitiere: „Man kann es drehen und wenden, wie man will: Zwei Pässe bieten mehr Optionen als einer. Ob bei Sozialleistungen, in der Krankheits- oder Altersversorgung: Rosinenpickerei ist ganz legal möglich. Ganz bedenklich wird es, wenn jemand Deutschland verlassen kann, um in seinem ZweitLand Schutz vor Strafverfolgung zu genießen. Ein

Rechtsstaat kann so etwas nicht immer verhindern, aber er sollte es nicht auch noch fördern.“ Ende des Zitats.

Liebe Fraktion DIE LINKE, die Mehrstaatlichkeit ist kein Beweis für gelungene Integration, sondern zeigt nur, dass ein Bürger zwischen zwei Staaten steht. Für eine gelungene Integration ist es wichtig, dass sich der betreffende Ausländer vorbehaltlos zu unserem Staat bekennt und Rechtsklarheit somit in beide Richtungen herrscht.

Das sehe nicht nur ich so, sondern auch die Deutschtürkin Necla Kelek. Sie schrieb in der Märzausgabe des „Focus“ zum Thema „Doppelte Staatsbürgerschaft“: „Wir brauchen Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Deutschland identifizieren, deren Interessen nicht mal hier, mal dort liegen“. Diese Identifikation und Integration sind mit einem jahrelangen Prozess verbunden, insbesondere wenn der Ausländer in politisch oder gesellschaftlich völlig anderen Systemen gelebt hat.

Die Einbürgerung steht am Ende dieses Prozesses, die in der Regel meines Erachtens nach fünf Jahren, wie Sie meinen, nicht erreicht ist. Insofern sollte ein Ausländer vor der Regelzeit von acht Jahren integriert sein, gibt es bereits jetzt genügend Ausnahmemöglichkeiten. Einen grundsätzlichen Einbürgerungsanspruch nach fünfjährigem Aufenthalt in Deutschland lehne ich, wie Sie unschwer nach meinen Ausführungen erkennen können, ebenfalls ab.

Gleiches gilt für den letzten Punkt Ihres Antrages. Einkommensunabhängige Einbürgerung zu fordern, ist wieder typisch linke Schlaraffenpolitik. Zur Integration der ausländischen Bevölkerung in deutsche Lebensverhältnisse und ins deutsche Rechtssystem gehört selbstverständlich auch, dass sie einer Beschäftigung nachgehen und somit ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen. Und wenn jemand aufgrund eines unverschuldeten Unfalls Sozialleistungen beanspruchen muss, dann ist es auch recht so.

Bei der Einbürgerungsgebühr gibt es bereits heute Befreiungstatbestände, so zum Beispiel wenn ein Ausländer die Einbürgerungsgebühr nicht bezahlen kann. Auch der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft für ein Kind ausländischer Eltern durch Geburt im Inland ist bereits heute nach Paragraf 4 Absatz 3 Staatsangehörigkeitsgesetz möglich, wenn ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Silkeit, Sie haben gerade wieder ein sehr konservatives Weltbild vorgetragen. Ich kann Ihnen aber sagen: Die Welt ändert sich.

(Michael Silkeit, CDU: Nicht bei Ihnen.)

Gerade die Hochqualifizierten leben heutzutage tatsächlich in mehreren Nationen

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Gern auch als deutscher Staatsbürger. – Michael Andrejewski, NPD: Die Reichen vor allem.)

und für die müssen wir auch ein Angebot machen. Aber das ist nur ein Teil der Migranten, um die es uns geht. Und ich denke einfach, dass es sinnvoll wäre, wenn Sie nach links und rechts schauen und sich die Lebenswirklichkeiten in unserer Gesellschaft genauer ansehen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts durch die rotgrüne Koalition im Jahr 2000 war ein entscheidender gesellschaftspolitischer Fortschritt. Mit dieser Reform wurde das Staatsangehörigkeitsrecht an die elementaren Notwendigkeiten eines Einwanderungslandes angepasst. Und dass wir ein Einwanderungsland sind, das bestreitet Herr Silkeit heute erneut. Ich glaube, das ist nicht mehr zeitgemäß.

Durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 29. August 2007 wurden diese Errungenschaften jedoch teilweise wieder zurückgenommen und die Einbürgerung erschwert. Von den bundesweit etwa sieben Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit leben gut fünf Millionen seit mehr als acht Jahren in Deutschland und erfüllen somit eine der wesentlichen Einbürgerungsvoraussetzungen. Dennoch erlangen pro Jahr nur rund 100.000 Personen die deutsche Staatsangehörigkeit. Seit 2004 sind die Einbürgerungszahlen sogar um ein Sechstel zurückgegangen. Dieser Rückgang zeigt, dass die gesetzlichen Hürden für eine Einbürgerung viel zu hoch sind. Das Einbürgerungsverfahren muss erheblich vereinfacht werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein großer Teil der Gesellschaft von der aktiven Partizipation durch Wahlen und Abstimmungen sowie den elementaren Bürgerrechten, wie der Berufs- und Versammlungsfreiheit, ausgeschlossen ist. Und Sie rufen immer nach Integration. Ich denke, das ist auch ein ganz wichtiger Bestandteil der Integration, dass man an der Gesellschaft teilhaben kann.

(Zuruf von Michael Silkeit, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion teilt mit der Fraktion DIE LINKE das Ziel, die Einbürgerung von nichtdeutschen Staatsangehörigen zu erleichtern, auch wenn im Detail manchmal unsere Meinungen ein bisschen auseinandergehen. Aber ich denke, das ist nicht das Problem bei diesem Antrag.

Die weitaus größte Zahl der Einbürgerungen erfolgt als sogenannte Anspruchseinbürgerung nach Paragraf 10 Absatz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Danach ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat, auf Antrag einzubürgern, wenn er sich zur freiheitlich-demo- kratischen Grundordnung bekennt, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert, er nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt wurde und über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sowie der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt. Ich denke, das sind relativ viele

Hürden. Bezogen auf die Zahl der Einbürgerungen insgesamt machen die Anspruchseinbürgerungen bundesweit etwa 74 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern etwa 67 Prozent der Einbürgerungen aus.

Interessant wird es nun bei der sogenannten Ermessenseinbürgerung nach Paragraf 8 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Danach kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag schon dann eingebürgert werden, wenn er handlungsfähig im Sinne des Aufenthaltsgesetzes oder gesetzlich vertreten ist, er nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt wurde, er eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Bezogen auf die Zahl der Einbürgerungen insgesamt machen die Ermessenseinbürgerungen bundesweit etwa vier Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern aber nur zwei Prozent aus. Sie sehen, da ist noch ein kleiner Spielraum.

Im Sinne einer partizipativen Demokratie muss unser Ziel die weitestgehende Angleichung von Wohn- und Wahlbevölkerung sein. Die grüne Bundestagsfraktion hat daher den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts in den Bundestag eingebracht. Der Abgeordnete Hikmat Al-Sabty hat darauf bereits hingewiesen.

Kernbestandteile der von ihr vorgeschlagenen Reformen waren die folgenden Punkte:

Erstens. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland soll ausgebaut werden. Dabei soll auf das sogenannte Optionsmodell verzichtet werden, das die Betroffenen zwingt, sich mit der Volljährigkeit für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Es ist integrationspolitisch kontraproduktiv, Menschen, die von ihrer Geburt an Teil dieser Gesellschaft sind, dazu zu zwingen, mit ihrer Volljährigkeit eine ihre Zugehörigkeit infrage stellende Entscheidung zu treffen.

Zweitens. Die Frist für die Einbürgerungen soll verkürzt werden. Dabei sollen auch neue Ansprüche, insbesondere für staatsangehörigkeitsrechtlich besonders schutzbedürftige Personen, im Gesetz verankert werden.