Protocol of the Session on May 30, 2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Innovations- und Energiepolitik heißt für mich als Wirtschaftsminister, Rahmenbedingungen und hier zukunftsorientierte attraktive Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Innovation und Technologie sind die Grundlage für wettbewerbsfähige Produkte, Dienstleistungen und erfolgreiche Unternehmen.

Ich begrüße den uns vorliegenden Antrag sehr und unterstütze auch den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut.)

Gegenwärtig stellt sich die Situation in MecklenburgVorpommern wie folgt dar: Die wirtschaftliche Situation in unserem Land kann sich sehen lassen. Wir sind besser als andere Länder durch die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre gekommen. So hatte Mecklenburg-Vorpom- mern in den Jahren 2007/2009 und 2012 die höchsten Wachstumsraten aller Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland aufzuweisen. Das Jahr 2012 war mit einer Wirtschaftsleistungssteigerung von 1,9 Prozent die Spitze in der Bundesrepublik. Jedoch liegt ein Schwachpunkt der Volkswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern in dem zu geringen Anteil des verarbeitenden Gewerbes an unserer Gesamtwirtschaftsleistung.

(Udo Pastörs, NPD: Und des produzierenden Gewerbes.)

Dieser Anteil lag im Jahr 2011 bei 10,8 Prozent. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein liegt er bei 15,2 und der Bundesdurchschnitt bei 22,0 Prozent.

Ein Grund dafür ist, dass die Industriedichte in Mecklenburg-Vorpommern mit 28 Beschäftigten je 1.000 Einwohner deutlich unter dem Durchschnitt der neuen Länder, hier liegt er bei 40, und unter dem Bundesdurchschnitt, hier liegt dieser Schnitt bei 62 je 1.000 Einwohner, liegt. Hier werden wir nur gegensteuern können, wenn es uns gemeinsam gelingt, die industrielle Wertschöpfung in Mecklenburg-Vorpommern zu erhöhen. Und Wertschöpfung im Land gelingt nur mit wettbewerbsfähigen Produkten, welche in Deutschland, in Europa oder auf der ganzen Welt absetzbar sind. Forschung und Entwicklung müssen daher gezielt in wirtschaftsnahen Bereichen effektiv betrieben werden.

Um diesem Ziel Stück für Stück näherzukommen, haben wir für die Förderung von Forschung und Entwicklung und Innovation in Mecklenburg-Vorpommern in der EUFörderperiode der Jahre 2007 bis 2013 Mittel in einer Höhe von insgesamt 155 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zur Verfügung gestellt. Davon wurden insgesamt 134,9 Millionen bewilligt. Mit diesen Mitteln konnten bisher 733 Projekte gefördert werden, davon 332 Verbundforschungsprojekte mit einem Fördervolumen von 87,1 Millionen Euro. Und wir setzen auch zukünftig konsequent Schwerpunkte in die Forschung und Technologiepolitik.

Der uns hier vorliegende Antrag greift mindestens drei der zukünftigen Schwerpunkte des Wirtschaftsministeriums auf. Und Herr Holter hatte darauf hingewiesen, es gibt noch einige mehr.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist ein Pfiffikus, unser Vorsitzender.)

Wir werden die Verbundforschung in der neuen Förderperiode von 2014 bis 2020 fortsetzen. Die Wirtschaft ist geprägt durch kleine und mittlere, oft inhabergeführte Unternehmen.

Forschung, Entwicklung und Innovation sind ohne finanzielle Begleitung durch Dritte kaum möglich. Neben der finanziellen Begleitung durch das Land ist die Unterstützung der regionalen Wirtschaft durch die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Landes zwingend erforderlich.

In den Forschungseinrichtungen sind genau das Wissen und die Infrastruktur vorhanden, welche sich die kleinen Unternehmen zunutze machen können. Was liegt da näher, als hier die Verbindung beider Bereiche anzustreben? Daher erfolgte im Jahr 2008 die Einführung der Verbundforschungsförderung. Ziel war es, die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft auf feste Füße zu stellen.

Neu war, dass die Hochschulen und Forschungseinrichtungen nicht in Unteraufträgen für die Unternehmen arbeiten sollten, sondern eigene Projektanträge realisieren können. Diese Projekte konnten durch das Wirtschaftsministerium mit bis zu 100 Prozent der Ausgaben gefördert werden. Das war das Wesentliche an der Neuausrichtung der Förderung. Damit war es faktisch überhaupt möglich geworden, dass Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam an Projekten arbeiten konnten. Heute kann ich mit Stolz sagen, dass sich alle Hochschulen des Landes an den Verbundforschungsprojekten beteiligen.

Die erfolgreiche Verbundforschungsförderung wird fort- geführt und bildet einen Schwerpunkt im neuen Operationellen Programm in der EFRE-Strukturfondsperiode 2014 bis 2020. Gegenwärtig planen wir 117 Millionen Euro ein. Aufgrund der hohen Bedeutung, die wir diesem Bereich beimessen, sind das circa 75 Prozent zur noch jetzt laufenden Förderperiode. Wir werden die Schutzrechtsaktivitäten der Wirtschaft und die Entwicklung von Strategien unterstützen, welche sicherstellen, dass die Schutzrechte der Forschungseinrichtungen und des Landes besser für die regionale Wirtschaft genutzt werden können.

Patentanmeldungen in Deutschland kommen zu 84 Prozent aus der Wirtschaft, zu 3 Prozent aus der Wissenschaft und zu 13 Prozent von freien Erfindern. Anders ist es bei uns im Land. Hier kamen im Jahr 2010 48 Prozent der Patentanmeldungen aus der Wirtschaft, 21 Prozent aus der Wissenschaft und 31 Prozent von freien Erfindern. Das heißt, wir haben in Mecklenburg-Vorpommern viel zu wenig Schutzrechtsaktivitäten bei den Unternehmen des Landes. Damit steht Mecklenburg-Vorpommern bei der Anzahl an Patentanmeldungen vor anspruchsvollen Herausforderungen.

Die drei wesentlichen Ursachen für den geringen Anteil der Wirtschaft am Patentanmeldungsverfahren sind die zu geringe Industriedichte, die Kleinteiligkeit unserer Wirtschaftsstruktur und der regelmäßige Sitz von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen verschiedener Unternehmen an Stammsitzen außerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Hier muss reagiert werden, hier müssen wir deutlich besser werden.

Bislang unterstützen wir die Schutzrechtsaktivitäten der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern durch die generelle Förderung von Forschung und Entwicklung, durch die Unterstützung von Patentinformationsstellen im Land. Darüber hinaus unterstützt das Bildungsministerium einen Verwertungsverbund der Hochschulen. Und genau hier wollen wir ansetzen. Wir wollen mit der Entwicklung einer Strategie sicherstellen, dass die Forschungsergebnisse und Schutzrechte der Hochschulen wesentlich besser als bisher für die regionale Wirtschaft genutzt werden können. Die Schutzrechte dürfen nicht meistbietend in andere Bundesländer verkauft werden, wenn hier im Land Unternehmen Interesse an der Produktion oder dem Verfahren haben. Sie müssen auch sicherstellen, dass die Unternehmen im Land konkret davon erfahren, dass es diese Erfindungen an den Hochschulen gibt.

Es gilt, dass die gemeinsamen Wirtschaftstransferbeauftragten von Wirtschaftskammern und Hochschulen zusammen mit dem Verwertungsverbund der Hochschulen unseres Landes in den jeweiligen Zukunftsfeldern eine Strategie „Schutzrechte der Wissenschaft des Landes erfolgreich für die Wirtschaft des Landes nutzen“ erarbeiten und umsetzen. Wir werden dabei selbstverständlich die regionalen Akteure einbinden.

Ebenso werden wir die Patentinformationsstelle Mecklenburg-Vorpommern, die beim TBI – Technologiebe- ratungsinstitut – angesiedelt ist, im Hinblick auf ihre Dienstleistungswirkung auf die Unternehmen untersuchen. Es ist zu prüfen, ob ihr Angebot besser an den Bedürfnissen der Wissenschaft ausgerichtet werden kann, wobei sie gleichzeitig den Anforderungen des Deutschen Patent- und Markenamtes entsprechen muss. So sollten Anmeldungen für Schutzrechte zukünftig auch in Mecklenburg-Vorpommern prioritätssichernd entge

gengenommen werden können. Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern sollen nicht mehr direkt in München ihre Patente anmelden müssen, sondern sie sollen künftig auch bei uns im Land die Unterlagen rechtssicher einreichen können.

Wir werden eine Kommunikationsplattform „Wissenschaft und Wirtschaft“ aufbauen, meine Damen und Herren. Mit Themen von Forschung und Entwicklung beschäftigen sich in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche Akteure. Das sind neben den Unternehmen selbst auch Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, verschiedene Netzwerke, die Transferstellen, die Technologiezentren und natürlich auch die Ministerien unseres Landes.

Trotz umfangreicher begleitender Maßnahmen und Förderangebote ist die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Ziel einer engeren Zusammenarbeit für verbesserten Technologietransfer und innovative Produkte und optimale Verfahren noch ausbaufähig. Eine optimale Vernetzung und Informationsweitergabe haben wir bisher noch nicht erreicht. Das ist ein ständiger Prozess. Wir sind dabei, die Terminabstimmungen und die Informationsabläufe weiter zu optimieren. Wirtschaft und wirtschaftsnahe Wissenschaft bedürfen einer gemeinsamen Kommunikationsplattform zu Forschung, Entwicklung und Innovation. Zudem müssen Technologiestrategien aus dem Technologie- und Innovationskreis Wirtschaft und Wissenschaft als die Erfolge unserer Technologieunternehmen konsequenter kommuniziert werden. Und daran sind wir sehr interessiert. Das muss auch überregional stattfinden.

Meine Damen und Herren, das Technologieportal „Wirtschaft und Wissenschaft“ im Internet ist ein weiteres Beispiel, um die Dinge voranzubringen. Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind gut vorbereitet. Wir stellen uns den Herausforderungen. Ich bin dankbar, dass die Koalition diesen Antrag gestellt hat. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Saalfeld.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss jetzt ein bisschen Wasser in den Wein kippen. Ich denke, Sie haben auch nichts anderes er- wartet.

Zunächst gratuliere ich der Regierungskoalition zu ihrer ersten wissenschaftspolitischen Initiative in dieser nicht mehr ganz frischen Legislaturperiode. Es ist aber bezeichnend, dass diese erste wissenschaftspolitische Initiative nur einer wirtschaftspolitischen Initiative zu verdanken ist. Die Wissenschaft hat in dieser Regierung offensichtlich keine starken Fürsprecher.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

Und ich teile hier die Kritik von Herrn Holter, dass dieser Antrag kein Beitrag zur Debatte über Innovationspolitik ist und er ein Schaufensterantrag ist.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Sie haben wohl eben nicht richtig zugehört?)

Der vorliegende Antrag ist bei allem Respekt kein Glanzstück – doch, ich habe ganz genau zugehört –, kein Glanzstück des Parlamentarismus.

(Dietmar Eifler, CDU: Und auch nicht richtig verstanden. – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Allein der erste Absatz des Antrages ist an Banalität kaum zu übertreffen. Eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und Phrasen ohne Erkenntnisgewinn und Bedeutung soll das Parlament heute verabschieden.

Ja, nun könnte man sich in die Taschen lügen und sagen, Allgemeinplätze und Phrasen stehen in jedem Antrag, und nun kommen aber die konkreten Maßnahmen, und auf die komme es schließlich an. Aber weit gefehlt, denn diese Banalität zieht sich leider durch den gesamten Antrag.

Der erste Punkt des Antrages fordert die Fortführung eines EFRE-Programms. Hätte die Opposition gewagt, eine solche Forderung aufzustellen, wäre sie von der selbstgewissen Regierungskoalition mit der Feststellung vom Platz gejagt worden, dass es eines solchen Antrages nicht bedarf, denn die Regierung mache das ja sowieso schon lange und brauche keine Aufforderung durch das Parlament. Der Antrag sei daher überflüssig. Wir haben solche Argumentationsketten hier schon mehrfach hören müssen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, das stimmt.)

Also, sehr geehrte Damen und Herren von SPD und CDU, Sie müssen sich hier schon einmal entscheiden, wie Sie in Zukunft argumentieren wollen. Was die Bewertung von Anträgen anbelangt, messen die Fraktionen von SPD und CDU gerne und regelmäßig mit zweierlei Maß.

Ich untersetze meine Kritik nun an den einzelnen Punkten.

Punkt a) verdeutlicht nochmals, teilweise komisch wie grotesk, wie weit sich die Koalition von der Realität im Land bereits entfernt hat. Demnach bedürfe es für Wirtschaft und Hochschulen weiterer Anreize, damit sie in Form der Verbundforschung kooperierten.

Meine Damen und Herren, alle Anreize in Ehren, aber die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wird bestimmt nicht durch ein besseres Anreizsystem im Land verbessert. Stattdessen muss das forschungs- und entwicklungsfeindliche Umfeld in unserem Land beseitigt werden. Dazu gehören bisher eine unambitionierte Wirtschaftsförderpolitik, eine desolate Grundfinanzierung der Hochschulen, die Überlast der Wissenschaftler in der Lehre und ein Landespersonalkonzept, das 20 Prozent aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Land gejagt hat. Das alles kann kein Anreizsystem der Welt wieder wettmachen.

Forschung und Entwicklung sind für Unternehmen in unserem Land extrem teuer geworden. Warum? Weil sie wegen der schlechten Grundausstattung an den Hochschulen faktisch alles selbst mitbringen müssen. Mit der bisherigen Ausstattung können die Hochschulen nicht mal ihre Betriebskosten selbst bezahlen. Sie wissen es,

die Hochschulen verstromen und verheizen daher schon seit längerer Zeit ihre Grundausstattung und ihre Personalmittel.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Anreizsysteme sind schön und gut, dafür müssen jedoch die Voraussetzungen stimmen. Stimmen die Voraussetzungen nicht, sind die Anreize wirkungslos und es entstehen nur Mitnahmeeffekte. Stattdessen muss als erster Schritt unsere Wissenschaftslandschaft ertüchtigt werden, um unsere kleinteilig strukturierte Wirtschaft in ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit unterstützen zu können.

Als zweiter Schritt muss unsere Wirtschaftsförderung im Land anspruchsvoller werden. Insbesondere müssen Unternehmen, die Landesförderung erhalten, auch verpflichtet werden, innerhalb von fünf Jahren nach der Förderung mindestens ein Projekt in der Verbundforschung zu realisieren. Nur so können wir sicherstellen, dass die Fördermittel nur in Unternehmen fließen, die auch längerfristig am Markt Chancen haben und nicht wie das CD-Werk in Dassow von der chinesischen Konkurrenz einfach überholt werden.

In einem dritten Schritt, aber vor allem nicht als ersten Schritt, können wir dann gerne noch ein Anreizsystem aufbauen.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Allerdings würde ich das Geld lieber in einen Verbundforschungsfonds zur Unterstützung finanzschwacher Unternehmen einerseits und für Forschungs- und Entwicklungsprojekte von besonderer Bedeutung andererseits stecken. Ich glaube, dahin gehend, wenn ich es richtig verstanden habe, zielt auch der Änderungsantrag der LINKEN, die hier noch mal einen Fonds fordern.

Meine Damen und Herren, die Koalition macht hier den dritten Schritt vor dem ersten und stellt unter Beweis, dass sie wenig Ahnung hat, warum im Land die Verbundforschung nicht besser vorankommt.