Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unseren Koalitionspartner möchte ich ermuntern, bei der Kanzlerin und der Bundessozialministerin Druck zu machen, damit der Beschluss des Bundesrates vom Mai dieses Jahres zur Entfristung der Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket
(Vincent Kokert, CDU: Kommt die Formulierung aus dem Sozialministerium? Die kommt mir so bekannt vor.)
(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Torsten Renz, CDU: Wie dann? – Peter Ritter, DIE LINKE: Macht ihr selber.)
Als Landespolitiker dürfen wir an dieser Stelle ruhig ein wenig Landesegoismus an den Tag legen. Jugend- und Schulsozialarbeit in Mecklenburg-Vorpommern ist wichtig. Sie ist nicht nur wichtiger Bestandteil für Chancengerechtigkeit, sie ist auch ein Baustein im Kampf gegen die kruden Weltansichten der Antidemokraten von der braunen Fensterfront,
Selbst Kinder und Jugendliche wollen Sie mit Ihrer selektiv menschenverachtenden Weltansicht indoktrinieren.
(Michael Andrejewski, NPD: Das müssen Sie gerade sagen! – Stefan Köster, NPD: Sie sind ein Schwätzer.)
Ich werbe sehr dafür, dass wir als Landtag heute ein eindeutiges Signal für die Jugend- und Schulsozialarbeiter/-innen in unserem Land aussenden,
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Jugend- und die Schulsozialarbeit haben sich seit 1999 in Mecklenburg-Vorpommern zu unverzichtbaren, weil notwendigen und bewährten Elementen der Jugendhilfe entwickelt. Auch meine Fraktion dankt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den Trägern der Projekte sowie den Landkreisen und kreisfreien Städten für ihr inzwischen mehrjähriges Engagement.
Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Jugendklubs als auch die Streetworker auf den Straßen der Gemeinden, als Betreuer in Wohnobjekten oder in den Schulen sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für alle Jugendlichen, mit all ihren Sorgen und Nöten, mit ihren Alltagsproblemen. Sie unterbreiten den Jugendlichen gezielt Bildungs-, Beratungs- und Betreuungsangebote. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind aber auch in Krisensituationen für die Jugendlichen da, wo diese mit immer komplexer werdenden Problemlagen allein nicht mehr klarkommen. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind in Netzwerke und Hilfestrukturen eingebunden und seit Jahren qualifiziert.
Die Grundlagen sind schnell umrissen. Die Jugendsozialarbeit und in geringen Teilen auch die Schulsozialarbeit sind mit ihren Aufgaben, Zielen und ihrer Einordnung in das Hilfesystem des SGB VIII, im Kinder- und Jugend- förderungsgesetz des Landes, im Schulgesetz und untergesetzlichen Regelungen verankert. In den Richtlinien zur Gewährung von Personalkostenzuschüssen für Fachkräfte der Jugend- und Schulsozialarbeit in Mecklenburg-Vorpommern heißt es zum Beispiel, ich zitiere: „Jugend- und Schulsozialarbeit von örtlichen Jugendhilfe- und Schulträgern soll vorhandene Strukturen und Angebote bedarfsgerecht ergänzen, erweitern bzw. bereichern und in die jeweiligen jugendpolitischen Zielstellungen (Jugendhilfeplanungen) eingepasst sein. Die Jugend- und Schulsozialarbeit soll im Benehmen mit dem Träger der örtlichen Schulentwicklungsplanung erfolgen.“ Zitatende.
Meine Fraktion beschäftigt sich seit mehreren Monaten intensiv mit diesem Thema. Das Sozialministerium und die Koalitionsfraktionen wissen das. Das Thema hat die Öffentlichkeit und alle Beteiligten zum Jahreswechsel und teilweise bis in diesen Monat hinein stark beschäftigt.
Wie stellt sich also die aktuelle Situation dar? Welche Probleme gibt es und wo gibt es Handlungsbedarf? Dies hätte ein qualifizierter Antrag aufzeigen müssen.
Dieser entwicklungs- und situationsbedingten Notwendigkeit, diesem Ziel wird der von der Koalitionsfraktion vorgelegte Antrag in keiner Weise gerecht. Lassen Sie mich kurz erläutern, warum.
Das beginnt oder endet schon allein mit dem Titel des Antrags, der da ganz schlicht lautet: „Jugend- und Schulsozialarbeit verstetigen“. Wenn sich der geneigte Leser beziehungsweise die geneigte Leserin darauf einlässt und dem Titel folgt, dann fragt er oder sie sich unweigerlich: Was und wie soll verstetigt werden?
Erfreut nehme ich zur Kenntnis, dass die Landesregierung offensichtlich nunmehr auch die Jugendsozialarbeit verstetigen will, nachdem diese in der Landesförderung seit 2007 benachteiligt wurde und immer weniger Stellen durch das Land gefördert wurden.
Im Punkt 1 des Antrages heißt es im Absatz 2, ich zitie- re: „Nunmehr muss sich die gemeinsame Förderung so verstetigen und mehrjährig ausgestaltet werden, dass Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sowie Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter kontinuierlich und entwicklungsorientiert mit den jungen Menschen arbeiten können, ohne befürchten zu müssen, dass die Länge der jeweiligen Zuwendung grundsätzlich ihre Fortbeschäftigung infrage stellt. Permanente Arbeitsplatzunsicherheit und häufiger Personalwechsel sind nicht geeignet, bedürftigen jungen Menschen verlässliche Hilfen in festen sozialen Beziehungen zu geben.“ Zitatende.
Personelle Kontinuität und mehrjährige Zuwendungsbescheide treffen auch auf unsere ungeteilte Zustimmung. Wie ist es jedoch zu bewerten, dass die Landesregierung die Mittel zur Förderung der Jugendsozialarbeit gegenüber der zurückliegenden ESF-Förderperiode für den Zeitraum 2014 bis 2020 weiter absenken will? Und was bedeutet unter diesem Aspekt eigentlich der Begriff „Verstetigung“ aus Sicht der Koalitionäre?
Die Kommunen finanzieren auch schon bisher gemeinsam mit dem Land die Stellen und auch bisher schon wird die Initiative aus Mitteln des ESF finanziert. Also nichts Neues, dabei wären neue Ansätze notwendig. Denn was führt zu den unsicheren Arbeitsplätzen? Neben dem Land über die ESF-Mittel finanzieren auch die Landkreise beziehungsweise die kreisfreien Städte und die Gemeinden die Kosten der Jugend- und Schulsozialarbeit mit. Diese haben aber nur einjährige Haushalte und zumeist werden diese erst im zweiten Quartal des laufenden Jahres oder gar am Ende des Jahres bestätigt. Und auch dann erst können die Mittel vollständig ausgereicht werden. Bis zum Vorliegen der endgültigen Haushalte herrscht bei den Jugend- und Schulsozialarbeitern beziehungsweise bei den Trägern Unsicherheit, ob und in welchem Umfang die Stellen fortgeführt werden.
Deshalb sind Ihre Beschreibungen, wie es in der Praxis aussieht, richtig. Zu begrüßende mehrjährige Zuwendungsbescheide des Landes lösen aber das Problem alleine nicht. Wenn Sie die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen wollen, dass auch die Landkreise und kreisfreien Städte und die Gemeinden ihre Förderbescheide mehrjährig ausstellen können, dann wäre das nur zu begrüßen. Klären Sie uns doch bitte darüber auf, wo Sie an dieser Stelle im Verfahren mit den Landkreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden sind und wie und bis wann Sie dieses Vorhaben umsetzen wollen! Wie gesagt, das fände unsere Zustimmung, wäre jedoch in dem ganzen Antrag das einzig neue Element.
Und dabei waren und sind wir in der Diskussion auf Landesebene wirklich schon weiter. Wo finden wir in Ihrem Antrag beispielsweise die Vorschläge der Expertenkommission „Zukunft der Erziehung und Bildung unter Berücksichtigung des lebenslangen Lernens in Mecklenburg-Vorpommern“ aus der 5. Legislaturperiode, die, gerade was die Schulsozialarbeit betrifft, verschiedene Wege aufgezeigt hat, wie wir die Jugend- und Schulsozialarbeit weiterentwickeln können?! Auch davon kein Wort in Ihrem Antrag.
Kein Wort über die bedarfsgerechte Weiterentwicklung, kein Wort über die inhaltliche Weiterentwicklung, kein Wort über die weitere rechtliche Ausgestaltung der Jugend- und Schulsozialarbeit im Land. Stattdessen findet man unter Punkt 1 Absatz 1, der sich fast ausschließlich auf die Schulsozialarbeit bezieht, die Aussage, dass Lehrer, Eltern und Schüler die Schulsozialarbeit als unverzichtbaren Bestandteil eines modernen Bildungssystems bewerten.
Was soll uns das sagen? Muss die Schulsozialarbeit rechtlich weiter ausgestaltet werden? Soll sie gar aus dem Jugendhilfesystem in das Bildungssystem überführt werden? Und wenn ja, warum, wann und wie? Auf die aktuellen Diskussionen geht der Antrag weder ein, noch gibt er Antworten. Er zeigt nicht mal einen Weg auf, um Antworten zu erlangen.
Auch bei der Frage der Finanzierung der Schulsozialarbeit aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes begrüßen die Koalitionäre lediglich, dass es diese Möglichkeiten gibt. Das ist nachvollziehbar, denn ohne die Mittel des Bundes würde Ihre Bilanz ziemlich schlecht aussehen. Doch was soll weiter geschehen? Appelle an die Koalitionspartner allein reichen nicht aus.
Nur noch 206 statt 311 Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter und nur noch 229 von 252 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern wurden im Jahr 2012 im Vergleich zum Jahr 2007 aus Landesmitteln gefördert. Sie, Frau Ministerin und Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, haben sich mit der Finanzhilfe des Bundes einen schlanken Fuß gemacht. Aber Sie verlieren kein Wort darüber, ob oder dass die Finanzierung durch den Bund verstetigt werden muss und dass Schulsozialarbeit im SGB VIII explizit fest verankert werden sollte und aus unserer Sicht muss. Bei den wirklich entscheidenden Fragen lassen Sie die Öffentlichkeit und alle Beteiligten an diesem Prozess völlig im Unklaren, ich vermute einmal, weil Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, wie an vielen anderen Stellen zum Nachteil der Betroffenen und letztendlich des Landes wieder einmal völlig unterschiedlicher Meinung sind.
Deshalb hat meine Fraktion den Ihnen vorliegenden Änderungsantrag eingebracht. Wenn Sie Ihrem Antrag Inhalt und Aussagekraft geben wollen, dann müssen Sie unserem Antrag zustimmen. Ich befürchte jedoch, dass Sie statt verbindlicher Aussagen und konzeptioneller Ansätze lieber blumige Worte für viel Unbestimmtes vorziehen und darauf hoffen, dass Sie die Wählerinnen und Wähler damit ablenken können. Zum Schluss möchte ich noch ein weiteres Problem ansprechen und ich erwarte eine Antwort: Zumindest die finanzielle Verantwortung für den Auszahlungsstopp und Förderausfälle für die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter für den von der EU geprüften Zeitraum bis zum
Jahr 2010 haben Sie übernommen. Für die Förderverstöße danach sollen die Landkreise und kreisfreien Städte haften. Halten Sie daran weiter fest? Wenn ja, dann gefährden Sie das Bestehen dieser bewährten und unverzichtbaren Stellen. Denn die Landkreise und kreisfreien Städte werden sich bei diesem Einstehungsrisiko aufgrund der ESF-Förderung dreimal überlegen, ob sie zukünftig Jugend- und Schulsozialarbeit weiter betreiben können und wollen. Das hätte rein gar nichts mit Verstetigung zu tun.
Wohin soll also die Reise bei der Jugend- und Schul- sozialarbeit im Land gehen? Was ist Ihr Konzept, damit die Kinder gerade nicht in den Brunnen fallen? Was ist Ihr Ziel? 300 Schulsozialarbeiter? Was passiert mit den Jugendsozialarbeitern? Im Ausschuss sind Sie mir da- zu eine Antwort schuldig geblieben und auch der Antrag liefert dazu keine Aussage. Mit Entwicklung und Zukunftsgestaltung hat das herzlich wenig zu tun. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Änderungsan- trag. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Auch die CDU-Fraktion bedankt sich bei den Schul- und Jugendsozialarbeitern für die bisher geleistete Arbeit und deswegen setzen wir uns auch gemeinsam mit unserem Koalitionspartner für die Verstetigung der Mittel ein.