Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was ist eigentlich mit dem Antrag gewollt? Das ergibt sich nicht aus der Ziffer 2 des Antrages, sondern da muss man sich tatsächlich die Ziffer 1 angucken. Wenn man das ins Verhältnis setzt, dann ist für die Wiederaufnahme von Transporten mit asbestbelasteten Abfällen auch nach Klärung der Transportsicherheit, auch unter Einbeziehung dieses Gutachtens, auch unter Prüfung der Wirtschaftlichkeit im Endeffekt doch gar kein Raum mehr.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Ziffer 1 des Antrages macht es im Grunde klar, was gewollt ist. Das kann man auch so wollen, das ist gar nicht das Thema. Das ist dann auch eine politische Aussage: Asbesttransporte sind sofort zu stoppen. Dann lassen Sie uns aber ehrlicherweise genau darüber sprechen, dass im Endeffekt der Antrag, der heute hier zur Debatte steht, heißt, wir wollen keine Asbesttransporte, unter welchen Voraussetzungen auch immer, auf den Ihlenberg. Wie gesagt, das kann man wollen, aber dann soll man auch ehrlicherweise, gerade wenn man von Ehrlichkeit und von Ernsthaftigkeit im Gespräch mit den Menschen in diesem Land spricht, das so deutlich sagen. Dann sollten wir uns vielleicht auch in diesem Raum darüber im Klaren werden, worüber wir eigentlich reden.
Die Deponie Ihlenberg ist eine Deponie der Deponieklasse 3. Das ist die zweithöchste Deponieeinstufung, die es in Deutschland überhaupt gibt. Diese Deponie ist geeignet für die oberirdische Ablagerung von gefährlichen Abfällen, das heißt, was man im Sprachgebrauch allgemein als Sonderabfälle bezeichnet.
(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was ist mit Planfeststellungsverfahren und Umweltverträglichkeitsprüfung?)
Dann muss man auch dazu sehen, dass die asbesthaltigen Abfälle, um die es tatsächlich heute hier geht, entsprechend behandelt, eingestuft werden, und das ergibt sich aus Ihrem Bitter-Gutachten, entweder für eine Abfallentsorgung auf einer Deponie der Deponieklasse 1 oder, wenn sie denn gefährlicher sind, für eine Abfall- entsorgung auf der Deponieklasse 2.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, damit Sie dann auch mal wissen, was Deponieklasse 2 bedeutet, das ist Hausmüll. Hausmüll ist das, was der Gefährlichkeitsstufe dieser Stoffe bei dem entsprechenden Transport und der Entsorgung auf der Deponie Ihlenberg gleichkommt. Das ist nicht verwunderlich, wenn Sie sich überlegen können, was für Schäden, zum Beispiel durch Sickerwasser, auch aus Hausmüll entstehen können. Aber man muss es dann entsprechend einordnen können. Das ändert nichts daran, auch das will ich hier ganz deutlich sagen, dass Asbest und Asbeststoffe gefährlich sind. Sie sind gefährlich, sie sind krebs- erregend und man muss entsprechend mit ihnen umgehen.
Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist es selbstverständlich – und darüber müssten wir eigentlich in diesem Haus nicht diskutieren und darüber haben wir uns wohl einvernehmlich verständigt –, dass sowohl beim Transport von asbesthaltigem Material als auch bei dessen Entsorgung als Reststoff sämtliche Sicherheitsbestimmungen, die bestehen, zwingend eingehalten werden müssen. Wir diskutieren hier nicht darüber, ob irgendwo lasch im Umgang mit Sicherheitsbestimmungen, mit Transportbestimmungen, mit umweltrechtlichen Bestimmungen oder mit Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten auf der Deponie umgegangen werden soll. Im Gegenteil: Ich bin derjenige, der ausdrücklich dafür steht, dass man eine Vorschrift im Zweifelsfall dann enger auslegen sollte, als dass man tatsächlich die Menschen vor Ort gefährdet.
Und, meine Damen und Herren, was auch selbstverständlich sein sollte – und das gilt dann insbesondere für die hiesigen Behörden –, dass die hiesigen Behörden im Zusammenhang mit der Deponie Ihlenberg ihren Aufsichts- und Genehmigungspflichten nachkommen und dass das natürlich entsprechend kontrolliert wird. Das ist originäre Aufgabe hier im Land und das ist im Zweifelsfall dann auch eine Sache, womit sich der Landtag zu beschäftigen hat.
Aber wenn man das ernsthaft sieht und wenn man das den Menschen vor Ort ernsthaft so sagt, darauf haben sie einen Anspruch, dann muss man zur Kenntnis nehmen und das auch deutlich sagen, dass die Genehmigungsbehörden für den Transport – und der Minister hat eben darauf schon hingewiesen – von Wunstorf-Luthe in Niedersachsen zum Ihlenberg hier bei uns im Land eben nicht hier im Land ansässig sind. Die sitzen nicht in Schwerin, in Grevesmühlen oder an sonst einem Ort hier in Mecklenburg-Vorpommern, sondern sie sitzen in Hannover. Das ist nämlich einmal das Sozialministerium in Niedersachsen und die Gewerbeaufsicht oder das Gewerbeaufsichtsamt Hannover. Mir ist jetzt nicht bekannt, dass die Stadt Hannover zwischenzeitlich Teil des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich können wir von den dortigen Behörden die gleiche Umsicht und die gleiche Verantwortung im Umgang mit solchen Stoffen erwarten wie von unseren eigenen Landesbehörden. Aber zuständig, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bleiben trotzdem die Landesbehörden in Niedersachsen.
Man muss doch auch mal überlegen, was man den Damen und Herren in den zuständigen Ämtern in Hannover unterstellt. Der größte Teil des Transportes findet in Niedersachsen statt. Die gefährden mit dem Transport erst mal ihre eigenen Leute, bevor das Material überhaupt hier hinkommt.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Falls es eine Gefährdung gibt. – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Warum sind sie jetzt gestoppt?)
Da ist doch logisch, weil ich im Rahmen eines Transportes eine entsprechende abfallrechtliche Genehmigung durchführen muss, und für die abfallrechtliche Genehmigung mache ich die entsprechende Untersuchung. Das machen Sie übrigens auch, wenn Sie innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern Transportgenehmigungen brauchen. Dazu kommt noch, Sie kriegen die Transportgenehmigungen erst dann, wenn Sie eine entsprechende Annahmestelle für den Abfall haben. Auch das ist dann entsprechend vorzulegen und zu prüfen. Aber wie gesagt, um darauf zurückzukommen, wir können doch nicht per se unterstellen, dass dort bei den Behörden in Niedersachsen die entsprechenden Genehmigungen fahrlässig erteilt werden und die Untersuchungen nicht ordnungsgemäß gemacht werden.
Und was wäre dann die Konsequenz, wenn wir das unterstellen würden? Was wollen wir denn tatsächlich? Welche Maßnahmen wollen wir ergreifen, um einen genehmigten Transport dann zum Ihlenberg zu verhindern? Wollen wir den Wirtschaftsminister auffordern, mit seinen Mitarbeitern Straßensperren an der Landesgrenze oder spanische Reiter zu errichten? Das kann doch wohl nie
mand ernsthaft meinen. Wenn man das nicht will – und das kann man auch nicht machen –, dann muss man den Menschen auch sagen, wenn der Transport in Niedersachsen genehmigt worden ist, dann ist der Transport genehmigt und dann hat das Land MecklenburgVorpommern keine entsprechenden Möglichkeiten mehr.
(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auch denen wünsche ich eine asbestfreie Luft. – Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dann kommen wir zur Deponie hier, dann kommen wir zur Deponie hier auf dem Ihlenberg. Dafür ist das Land Mecklenburg-Vorpommern zuständig. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren und wir müssen auch heute nicht darüber diskutieren, dass eine nicht erfolgte Genehmigung im Jahr 1979, weil damals ganz andere Vorschriften gegolten haben, vielleicht heute so nicht wieder stattfinden würde. Aber unter den derzeit geltenden Voraussetzungen – vielleicht sieht das OVG Greifswald das anders, aber im Moment ist das so – ist dort eine Deponie und diese Deponie hat sich an einer Ausschreibung beteiligt und diese Ausschreibung ist durch die IAG gewonnen worden. Dann stellt sich doch die Frage, was wir machen wollen. Was Sie hier machen, ist, heute zu sagen, wir fordern die Landesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen. Die Maßnahme, die dann noch übrig bleibt, ist, dass die IAG Vertragsbruch begehen soll. Mehr Maßnahmen sind da nicht. Wir müssten einen Gesellschafterbeschluss herbeiführen, der der IAG sagt, wir verweigern diese Annahme.
Jetzt haben Sie eben selbst ausgeführt, das Gebot ist hier so kostengünstig angenommen worden, dann müssen Sie auch mal überlegen, was für einen Schaden- ersatzanspruch auf die IAG zukommt, ohne dass Sie überhaupt wissen, ob es ein Gefährdungspotenzial für die Leute gibt. Das ist nur der erste Schritt dabei. Wenn Sie das tatsächlich bis zur nächsten Konsequenz durchdenken, dann muss man sagen, wenn wir hier keine Stoffe dieser Gefährdung auf dem Ihlenberg haben wollen, dann kann das nicht nur für Stoffe gelten, die aus Niedersachsen kommen, dann muss das wohl auch für Stoffe gelten, die aus Mecklenburg-Vorpommern kommen. Das heißt, dann müssten wir die Deponie schließen. Wir haben aber heute noch nicht mal das Geld, um die vernünftige Rekultivierung und Nacharbeitung dieser entsprechenden Anlage zu ermöglichen.
Wollen Sie einen Gefährdungstatbestand für die Leute hier in der Nähe der Deponie erreichen, indem Sie ihnen sagen, wir können im Grunde die erforderliche Rekultivierung dieser Maßnahmen gar nicht durchführen? Das ist die Konsequenz Ihres Antrages und das sollen Sie dann bitte auch den Leuten sagen, dass Sie diejenigen sind,
die entsprechend dafür Sorge tragen, dass dort nicht die erforderlichen umweltrechtlichen Bestimmungen im
Nachgang eingehalten werden können oder aber dass das Land das Geld dafür zur Verfügung stellen muss.
Bei der Größenordnung, über die wir da reden, reden wir über mehrere 10 Millionen Euro, also in der Größenordnung vielleicht von ungefähr 50 Millionen Euro, die momentan noch an Rückstellung für die entsprechende
Renaturierung und Aufarbeitung des Deponiekörpers fehlen. Das müssen Sie den Leuten dann auch sagen, 50 Millionen Euro aus den Landesmitteln.
Und die zweite und die dritte Frage, die sich dann stellt, ist die Frage: Was machen wir mit den Reststoffen, die hier im Land anfallen? Wenn wir den Menschen in Norddeutschland sagen, wenn ihr ein Problem habt, weil ihr im Moment eure eigene Deponie sanieren wollt, denn das ist ja der Hintergrund für die ganze Angelegenheit, dann sind wir nicht bereit, eure Reststoffe aufzunehmen, obwohl wir es könnten, dann können wir doch nicht von denen erwarten, wenn wir hier Abfallstoffe haben, dass sie dann sagen, ihr habt zwar keine Deponie der Deponieklasse 3 mehr, die habt ihr erst mal zugemacht, weil euch das nicht genehm war, aber ihr wollt jetzt, dass ihr das nach Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Hamburg transportiert. Ist das die Konsequenz aus Ihrem Handeln?
(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Asbest ist beim Transport gefährlich. Still liegender Asbest ist nicht gefährlich.)
Sie würden es doch hier auf dem Land auch transpor- tieren. Glauben Sie allen Ernstes, der Lkw-Transport innerhalb von Mecklenburg-Vorpommern ist dann nicht gefährlich, nur weil der Asbest möglicherweise aus Mecklenburg-Vorpommern kommt?
Gucken Sie sich doch mal die Rohre an, die hier noch im Land liegen, wie viel Asbeststoff dabei ist.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Gar keine Transporte, das geht natürlich auch nicht. – Heinz Müller, SPD: Ja.)
Machen Sie doch mal eine Selbstfindung und überlegen Sie sich, was Sie mit Abfall machen wollen. Wenn Sie sich dann dazu durchgerungen haben, ob Sie mit entsprechenden umweltrechtlichen und abfallrechtlichen Bestimmungen umgehen wollen oder nicht, dann kommen Sie noch mal hierhin, dann können wir über die Angelegenheit diskutieren.
(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt technische Möglichkeiten, es sicher zu transportieren. Beachten Sie die! – Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber der Punkt an der Sache ist doch ganz einfach, Sie sind mit einem Antrag gekommen – wir wollen auch die Wahrheit sagen und Sie haben gesagt, man soll den Leuten die Wahrheit sagen –,
Sie sind in diesen Landtag mit einem Antrag gekommen nach dem Motto, wir haben da eine Bürgerbewegung, wie groß sie auch immer ist, im Bereich des Ihlenbergs
und das Problem nehmen wir jetzt auf und erzählen den Leuten genau das, was sie hören wollen. Dann sind wir die Guten und alle anderen, die verantwortungsbewusst in diesem Land handeln,
(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auch die Sozialdemokraten treten doch für die Menschenrechte ein, oder nicht? – Zurufe von Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist die Wahrheit Ihres Antrages. Sie sind offensichtlich auch nicht in der Lage, sich mit den Problemen, die tatsächlich damit verbunden sind, ernsthaft auseinanderzusetzen.
Das, was Sie hier dem Land vorwerfen, ist doch im Grunde nur eins: Macht, was ihr wollt, Hauptsache, das Zeug bleibt außerhalb des Landes, ist völlig egal, ob nachher eine Gefährdung entsteht oder nicht.