Protocol of the Session on November 17, 2011

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke für die Fraktion DIE LINKE.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Was, ich?)

Ja, Frau Dr. Schwenke.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich musste erst mal darüber nachdenken, ob es dem Minister als Minister zusteht, einen Antrag abzulehnen.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Er ist auch Abgeordneter.)

Er hat hier gesprochen als Minister. Das hat die Präsidentin extra angekündigt.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das ist auch wirklich jetzt nicht so sehr von Belang, das hat nur dazu geführt, dass ich ein bisschen unaufmerksam war.

(Minister Harry Glawe: Ich hab Ihnen nur die Empfehlung gegeben, abzulehnen, Frau Kollegin.)

Trotzdem, Herr Minister, muss ich Ihnen sagen, natürlich ist Angst nie ein guter Ratgeber, aber sie ist da. Und damit müssen wir umgehen, und zwar müssen wir so damit umgehen, dass die Ängste abgebaut werden. Ich glaube nicht, dass jemand daran interessiert ist, Ängste zu schüren.

(Zurufe von Minister Dr. Till Backhaus und Udo Pastörs, NPD)

Herr Minister, Sie haben auch nicht das Recht, von der Ministerbank hier etwas zu kommentieren.

(allgemeine Unruhe)

Ich würde jetzt vorschlagen, Frau Dr. Schwenke, Sie reden zur Sache und überlassen die Sitzungsleitung einschließlich der angebrachten oder nicht angebrachten Kritiken dann hier oben dem Präsidium.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Okay. Dafür entschuldige ich mich. Ich werde das nicht mehr tun und komme jetzt zur Sache.

Also, Menschen in unserem Land, in Niedersachsen, Schleswig-Holstein haben Angst vor einem der größten Giftmülltransporte in der Geschichte der Bundesrepublik, vielleicht ist es sogar der größte. Die Presse überbietet sich fast mit Schlagzeilen, und das seit Wochen. Hintergrund ist, dass die Sanierung des mit Asbestzement- abfällen belasteten Geländes der ehemaligen FulguritWerke bei Wunstorf-Luthe erforderlich ist, damit ein vorhandenes Gewerbegebiet erweitert werden kann. Und das heißt, der Asbestabfall muss entsorgt werden. An einer entsprechenden Ausschreibung hat sich die Deponie Ihlenberg beteiligt und den Zuschlag erhalten. Die Folge sind eben jene Giftmülltransporte über Hunderte Kilometer mit Lkw, und das über einen langen Zeitraum.

Um es klar vorwegzunehmen: Die LINKE ist nicht daran interessiert, einen Überbietungswettbewerb in Populismus zu machen. Wir wollen eine sachliche Diskussion. Das beinhaltet aber, die Sorgen und Ängste der Menschen aufzunehmen und vor allem ernst zu nehmen. Und weiter müssen vor allem die Fragen der Öffentlichkeit beantwortet werden. Transparenz hilft, Ängste abzubauen. Das ist zumindest unsere feste Überzeugung. Es sind Fragen nach dem Gefahrenpotenzial, nach der Wirtschaftlichkeit, nach der Nachhaltigkeit und auch der Sinnhaftigkeit dieser Transporte. Und für uns ist außerdem die Frage nach den Verantwortlichkeiten im Genehmigungsverfahren ebenso interessant.

Die Motivation, die zu den in Rede stehenden Transporten führt, ist für uns ganz klar. Die derzeitige Halde mit den asbesthaltigen Abfällen entspricht in keiner Weise den Anforderungen an eine endgültige Lagerung von

Asbestabfall. Sie muss saniert werden. Allerdings stellen wir sofort die Frage: Kann dies nicht vor Ort geschehen? Aus unserer Sicht: Ja, diese Deponie muss und könnte vor Ort saniert werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb noch einmal: Warum die Transporte, die so viele Menschen bewegen und verängstigen?

Die Region Hannover hat ein veritables Interesse daran, dass das Deponiegelände von Wunstorf-Luthe zukünftig wirtschaftlich genutzt werden kann. Es liegt seit geraumer Zeit ein Antrag auf Nutzung des Geländes vor.

Ich zitiere an dieser Stelle mal aus einem Rechtsgutachten, mit der Genehmigung der Frau Präsidentin, über die Eigentums- und Rechtsverhältnisse der Fulgurithalde, erstellt für die Fraktion DIE LINKE in der Regionalversammlung der Region Hannover. Darin wird zur Motivation zur Sanierung vor Ort ausgeführt, ich zitiere: „Die Verwaltung verfolge diese Variante nicht weiter, weil es dafür keine Förderung des Landes und aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung sowie keine positiven ökonomischen Effekte für den Logistikstandort Wunstorf gäbe.“ Und weiter: „Wenn die Asbestzementschlammhalde nicht an Ort und Stelle dauerhaft gesichert, sondern abgetragen und das Haldenmaterial in einer dafür zugelassenen Deponie abgelagert wird, eröffnet sich die Möglichkeit, das Haldengrundstück, das gegenwärtig als nicht überbaubare Industriefläche planungsrechtlich ausgewiesen ist, durch Sanierung gewerblich nutzbar zu machen.“ Zitatende.

Und so wurde dann auch vor Ort entschieden. Übrigens, und das nur am Rande, es haben alle Fraktionen im Regionalausschuss einschließlich der GRÜNEN zugestimmt, mit einer Ausnahme, der Fraktion DIE LINKE. Und so kam es dann zu diesem Verfahren der Ausschreibung und dem Begehr, die Deponie zu verlagern. Diese Ausschreibung hat ja Ihlenberg bekanntlich gewonnen.

Natürlich verstehe ich den Wunsch der Region Hannover, diese Deponie loszuwerden und das Gelände einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Verstehen heißt aber nicht billigen. Tausende Lkw über einen langen Zeitraum auf der Straße, wenn es auch anders ginge, sind weder für mich sinnvoll noch ökologisch, noch nachhaltig. Da rede ich noch nicht einmal über die im Raum stehenden Gefahren.

Auch wenn der Wirtschaftsminister darüber berichtet, dass weder für die Beschäftigten auf dem Ihlenberg noch für die Bevölkerung entlang der Transportstrecke oder vor Ort nach mündlichen Aussagen des TÜV Nord Gefahren durch Asbestfaseremissionen bestehen, so bleibt immer noch das deutlich höhere Unfallrisiko durch die Transporte. Ich kann das tatsächliche Risiko durch Asbestfaseremissionen fachlich nicht einschätzen und auch nicht bewerten, aber ich nehme die Ängste innerhalb der Bevölkerung sehr ernst. Auch aus diesem Grund macht der Deponieumzug weder für mich noch für meine Fraktion Sinn.

Es gibt Argumente, die einen Umzug nach dem Ihlenberg befürworten, und das ist, die gewonnene Ausschreibung bedeutet sicherlich ein gutes Geschäft, und das auch

unabhängig davon, ob der Preis ein marktüblicher Preis ist oder ein bisschen darunter. Für uns gilt aber nach wie vor, auch gute Geschäfte für den Ihlenberg und damit für das Land sollten nicht gegen den Willen der Menschen vor Ort abgeschlossen werden.

Hier haben die IAG und die Landesregierung die politische Dimension dieses Geschäftes völlig unterschätzt, denn nur so kann ich mir erklären, wie es zu diesem Kommunikationsdesaster kommen konnte. Die Information der Öffentlichkeit erfolgte bis letzte Woche ausschließlich über die Medien und der Deponiebeirat war gar nicht erst einbezogen worden. Das sind unhaltbare Zustände, Regierungswechsel hin oder her. Wir werden dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Schwenke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Schwenke, mir ist ja nur gerade eben noch durch den Kopf gegangen, als ich Ihre Rede zum Schluss hörte, wann denn eigentlich die ersten 500.000 Tonnen Asbestmaterial eingelagert worden sind, wer möglicherweise dafür verantwortlich war und wer dazu alles gehört worden ist im näheren und weiteren Umfeld.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, ja, ja.)

Aber das hat nicht unbedingt etwas mit dem heutigen Antrag zu tun.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Deswegen erwarte ich jetzt auch keine Antwort von Ihnen. Also das ist ein bisschen Sarkasmus oder Ironie, aber das muss man sich auch mal gönnen dürfen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das halte ich aus, Herr Schulte.)

Das denke ich mir. So lange kennen wir uns inzwischen schon.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Oh, ablenken von der eigenen Verantwortung, Herr Schulte.)

Ach, Herr Ritter, das brauche ich nicht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist hier angesprochen worden: Man muss das Thema ernst nehmen. Und wenn man natürlich solche Themen ernst nimmt, und das sollte man tatsächlich tun, dann müssen die Antworten, die man den Menschen gibt, nicht nur in der Region, auch in diesem Land insgesamt der Wahrheit entsprechen. Zu der Wahrheit gehört natürlich dann auch, dass man den Menschen tatsächlich sagt, wo

denn überhaupt die Handlungsspielräume für das eigene Handeln sind. Und wenn wir über das Thema Asbest- entsorgung auf der Deponie Ihlenberg reden – und jetzt will ich mal die 500.000 Tonnen, die da schon lagern, außen vor lassen, weil die eigentlich keine Rolle spielen bei der Frage, ob man heute wieder Asbestmaterial nimmt oder nicht –, dann ist es natürlich unbestritten, da gebe ich den Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sicher recht und das wird wahrscheinlich auch keiner hier im Landtag bestreiten, dass Asbest nicht gerade zu den gefahrfreien Stoffen in Deutschland gehört. Das ist ja auch kein Wunder, dass seit 1993 in Deutschland sowohl die Herstellung als auch die Verwendung von Asbeststoffen verboten ist. Es hängt natürlich damit zusammen, dass von Asbest- fasern Krebs ausgehen kann, dass das karzinogene Stoffe sind.

Aber wenn man von Asbest redet, wenn man von Asbeststoffen redet, dann muss man sich auch über eins im Klaren sein, selbst wenn seit 1993 diese Stoffe nicht mehr hergestellt oder verwendet werden dürfen: Sie sind halt da. Und wenn sie da sind, muss man auch gerade, weil sie gefährlich sind, verantwortungsbewusst damit umgehen.

Wir haben hier heute einen Antrag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorliegen, wo der Landtag aufgefordert wird, oder die Landesregierung soll dann aufgefordert werden, dass unverzüglich alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Asbesttransporte aus Niedersachsen zur Deponieanlage Ihlenberg zu stoppen – ich verkürze das jetzt mal, Ihr Änderungsantrag ergänzt das ja noch etwas weiter –, dass dafür Sorge getragen werden soll, dass die Transporte solange nicht wieder aufgenommen werden, bis aufkommende Gedanken oder aufgekommene Bedenken und Zweifel hinsichtlich der Transportsicherheit und der Wirtschaftlichkeit umfassend untersucht wurden und der Landtag über die Ergebnisse unterrichtet worden ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Landesre- gierung und Herr Minister Glawe haben darauf hinge- wiesen: Die Landesregierung hat bereits im Wirtschaftsausschuss erste Informationen im Zusammenhang mit dem Transport von Asbeststoffen auf die Deponie oder anstehende Transporte von Asbeststoffen auf die Deponie Ihlenberg bekannt gegeben. Und, wenn ich das richtig im Kopf habe, Herr Minister, sonst müssen Sie mich korrigieren, war eine der Aussagen, die Sie dort getroffen haben, dass, solange nicht die Ergebnisse des TÜV-Gutachtens vorliegen, ohnehin keine weiteren Transporte stattfinden werden. Das vielleicht einfach mal zu den Rahmenbedingungen. Wir reden hier heute nicht darüber, dass morgen der Lkw fährt und die Stoffe anliefert.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was ist eigentlich mit dem Antrag gewollt? Das ergibt sich nicht aus der Ziffer 2 des Antrages, sondern da muss man sich tatsächlich die Ziffer 1 angucken. Wenn man das ins Verhältnis setzt, dann ist für die Wiederaufnahme von Transporten mit asbestbelasteten Abfällen auch nach Klärung der Transportsicherheit, auch unter Einbeziehung dieses Gutachtens, auch unter Prüfung der Wirtschaftlichkeit im Endeffekt doch gar kein Raum mehr.