Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Föderalismusreform wurde den Ländern unter anderem die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug übertragen. Damit den Ländern ein angemessener Planungszeitraum zur Verfügung steht, sollte die alte Bundesregelung bis zum Vorliegen der jeweiligen Länderregelung weiter gelten. In Mecklenburg-Vorpommern hat die Landesregierung von dieser Möglichkeit nun mit dem vorliegenden Gesetz Gebrauch gemacht.
Dieser Gesetzentwurf wurde von mehreren Faktoren beeinflusst. Es ist bereits mehrmals angeklungen, dass das Bundesverfassungsgericht im Mai 2011 eine stärkere Therapiegewichtung im Strafvollzug eingefordert hat. Durch geeignete Maßnahmen müsse die Gefährlichkeit der Täter reduziert werden, so das vorgegebene Ziel des Bundesverfassungsgerichts. Die Koalition nahm dies zum Anlass und hat im Koalitionsvertrag vereinbart, ein Landesstrafvollzugsgesetz zu erlassen, das die Vorgaben aus Karlsruhe ebenso wie der hier auch schon mehr
Meine Damen und Herren, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich in erster Linie – das ist auch schon angesprochen worden – mit der Sicherungsverwahrung beschäftigt, aber doch unmissverständlich die Änderung im Strafvollzug angemahnt. Diese Änderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Staat muss in Fällen, in denen die Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, schon während des Strafvollzugs alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Gefährlichkeit des Verurteilten zu reduzieren. Bereits während der Haft sollen dem Täter alle erforderlichen psychiatrischen und psycho- oder sozialtherapeutischen Behandlungen zukommen. Die Sicherungsverwahrung müsse logischerweise aus verfassungsrechtlicher Sicht stets das letzte Mittel sein und bleiben. Der vorliegende Gesetzentwurf orientiert sich an dem Musterentwurf einer Ländergruppe, die beteiligten Bundesländer sind hier also auch schon mehrfach genannt worden. Das erspare ich mir jetzt.
Im Rahmen der Sachverständigenanhörung wurde der vorliegende Gesetzentwurf grundsätzlich von allen Gutachtern begrüßt. An dieser Stelle möchte ich ebenfalls auf Herrn Professor Dünkel eingehen, der den Entwurf als eine gelungene Umsetzung eines konsequenten Wiedereingliederungsprozesses ansah, was sowohl die soziale Integration des Verurteilten wie auch den Opferschutz und, meine Damen und Herren – darauf müssen wir insgesamt sehr viel Wert legen –, die Prävention zukünftiger Straftaten in gleicher Weise befördert. Es gab also nicht nur Kritik, sondern der Gesetzentwurf ist im Allgemeinen auch als gelungener Gesetzentwurf von Professor Dünkel angesehen worden. Das haben Sie verschwiegen, Frau Borchardt. Der Schwerpunkt liegt also auf dem Schutz der Bevölkerung. Ich denke, das ist auch immer wieder wichtig zu sagen, vor weiteren Straftaten, und darauf kommt es uns insbesondere an, meine Damen und Herren.
Kritik von den Sachverständigen ist geäußert worden. Das ist hier also auch schon angesprochen worden. Ich will darauf kurz eingehen: Die Gefangenen erhalten für Arbeit und die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen eine Vergütung. Auch hierauf ist Frau Drese beispielsweise umfänglich eingegangen. Deren Höhe wurde in der Anhörung teilweise unter Hinweis auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 2002 kritisiert.
In der Entscheidung wurde ein Arbeitsentgelt in Höhe von neun Prozent der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße als verfassungsgemäß bewertet. Da liegen wir also deutlich auseinander. Auch damals gab es ein bereits zusätzliches Element der Arbeitsentlohnung, diese sogenannte und hier auch schon mehrfach erwähnte nicht monetäre Komponente. Durch die Teilnahme an Arbeit hat der Gefangene die Möglichkeit, seine Haftzeit zu verkürzen oder sonstige Hafterleichterungen zu erreichen. Diese Lösung wurde, Frau Drese hat es auch schon angesprochen, vom Bayrischen Verfassungsgerichtshof im Jahre 2010 bestätigt.
Der vorliegende Gesetzentwurf folgt genau diesem Maßstab. Neben der Entlohnung in Geld wird den Gefangenen die Möglichkeit eingeräumt, Haftzeitverkürzung zu
erreichen, wenn sie, wie gesagt, an Arbeits- oder Therapiemaßnahmen regelmäßig mitwirken. In Bezug auf die vorgeschlagene Verbesserung der nicht monetären Entlohnung hat die Koalition die Kritik der Sachverständigen also aufgegriffen und im Gesetzentwurf formuliert. Die Einzelheiten hat Frau Drese genannt, das erspare ich mir ebenfalls an dieser Stelle.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Kritikpunkt war die unterschiedliche Behandlung von Anwälten, Notaren und Verteidigern in Bezug auf die Kontrolle des Schriftverkehrs und der Besuche. Frau Borchardt ist darauf eben ausführlich eingegangen. Allerdings sehen wir das etwas anders. Wie auch bei der bisherigen Bundesregelung ist im Gesetzentwurf tatsächlich keine Kontrolle der Verteidigerpost – ich betone, der Verteidigerpost – und der Besuche vorgesehen. Das hat seinen guten Grund. Der Schutz der Verteidigerpost dient dem verfassungsrechtlich geschützten Verteidigungsrecht der Gefangenen. Deshalb ist zu Recht jede Einsichtnahme in die Verteidigerunterlagen durch einen Dritten unzulässig. Bei den nicht als Verteidiger tätigen Anwälten und Notaren handelt es sich allerdings um eine gänzlich andere Interessenlage. Aus diesem Grund ist und bleibt diese Privilegierung, übrigens wie in anderen Bundesländern auch, ausschließlich den Verteidigern vorbehalten.
Meine Damen und Herren, auf die Frage, ab wann einem zu lebenslänglicher Haft Verurteilten der Langzeitausgang gewährt werden kann, wurde im Vorfeld heftig diskutiert. Sicherlich dienen Vollzugslockerungen dem Resozialisierungsziel. Es ist aber auch selbstverständlich, dass eine Vollzugslockerung nur dann infrage kommt, wenn der Gefangene hierfür psychisch geeignet ist.
Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass neben dem Langzeitausgang, also einem Verlassen der Anstalt für mehrere Tage, denn davon reden wir hier, noch weitere der Resozialisierung dienende Vollzugslockerungen zur Verfügung stehen. Eine lebenslängliche Strafe wird für Mord, Totschlag und andere Straftaten mit Todesfolge verhängt, also wir sprechen hier von Delikten mit erheblichem Gewicht. An dieser Stelle darf der Straf- und Abschreckungsgedanke nicht in den Hintergrund rücken. Wenn Lebenslänglichen der Langzeitausgang als die liberalste aller Lockerungen erst nach zehn Jahren ermöglicht wird, ist dies – nach unserer Auffassung – mehr als angemessen und steht dennoch einer Resozialisierung nicht entgegen. Frau Borchardt sprach es an. Da gebe ich ihr ausdrücklich recht, insofern ist also nur eine Einzelfallentscheidung Voraussetzung.
Meine Damen und Herren, die Seelsorge ist auch angesprochen worden, die Seelsorge der Gefangenen. Im Gesetzentwurf wurde mit der Seelsorge ein wichtiges Angebot an die Gefangenen zur Verwirklichung ihrer Religions- beziehungsweise Weltanschauungsfreiheit
festgeschrieben. Die Freiheit, Seelsorger einer Religionsgemeinschaft in Anspruch zu nehmen oder einer bestimmten Weltanschauung zu folgen, ist im Artikel 4 des Grundgesetzes fest verankert. Deshalb wurde zur Wahrung der Unabhängigkeit der Seelsorge bewusst auf eine gesetzliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit verzichtet.
Es ist bereits gefestigte Rechtsauffassung, dass die Wahrung der Vertraulichkeit des seelsorgerischen Gesprächs mit einem Geistlichen auch zum Schutz der Grundrechte des Seelsorgesuchenden gehört. Es verbie
tet sich daher jede Maßnahme, die dieses Recht einschränken würde. Daher ist es konsequent, wenn die Seelsorger nicht von der Offenbarungspflicht des Paragrafen 114 erfasst werden.
Meine Damen und Herren, der Datenschutz war und ist ein weiteres wichtiges Thema. Im vorliegenden Gesetzentwurf wurde der Schutz der Daten aller Beteiligten angemessen berücksichtigt. Es sind von den Datenschutzregeln nicht nur die Untergebrachten selbst erfasst, sondern auch deren Rechtsvertreter und Besucher sowie behandelnde Ärzte und weitere Angehörige der Heilberufe. Beim Thema Datenschutz orientiert sich der Gesetzentwurf am aktuellen Landesdatenschutzgesetz. Es wurden in der Sachverständigenanhörung zwar vereinzelt schärfere Datenschutzvorschriften eingefordert, doch es überzeugt eben nicht, an dieser Stelle strenger als das geltende Landesdatenschutzgesetz selbst zu sein.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Wir halten ihn demzufolge nicht für verfassungswidrig oder auch nicht die Gefahr, dass eine Verfassungswidrigkeit vorliegen würde, für gerechtfertigt. Wir halten ihn für eine gute rechtliche Grundlage für den Strafvollzug in unserem Bundesland.
Vielleicht noch kurz zu den Änderungsanträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es ist ja hier zu sehen, dass noch zehn Anträge von der ursprünglichen größeren Anzahl der Anträge übriggeblieben sind, die wir im Ausschuss vorliegen hatten. Hier ist zu bemerken, bei der Formulierung des offenen Vollzugs gehen Sie von einer gesetzlichen Vermutung aus bei der Eignung für den offenen Vollzug. Wir sagen allerdings, dass es hier individuelle Prüfungen geben muss.
Bei den restlichen Anträgen, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, liegen wir eben in der Auffassung zu weit auseinander, der Resozialisierungsgedanke steht ganz oben. Aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, Strafe muss auch noch Strafe bleiben und Opferschutz geht vor Täterschutz.
Herr Texter, nicht, dass da ein falscher Eindruck entsteht oder im Raum stehen bleibt. Wir haben jetzt darauf verzichtet, die, glaube ich, 35 Änderungsanträge, die wir im Rahmen der Ausschussberatungen eingebracht haben, hier noch mal vorzutragen. Das ist ein Stück weit auch aus Rücksichtnahme vor dem Landtag erfolgt,
auch wenn mich Herr Ringguth gereizt hätte, das noch mal zu tun, weil ich mich sehr geärgert habe über die Tatsache, dass darüber nicht beraten worden ist.
Dazu ist aber, glaube ich, hier genug gesagt worden und ich will das mal konstruktiv wenden, und zwar dahin gehend, dass ich hoffe, dass uns das nicht noch mal widerfährt.
Ich möchte mich aber gleich auch von der anderen Seite nähern und versuchen zu begründen, warum ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns mit diesen Dingen intensiv auseinandersetzen, möglicherweise mit strittigen Positionen da auch zu Ergebnissen kommen, die der einen oder anderen Seite, wahrscheinlich eher der Opposition nicht passen. Aber ich glaube, dass es wichtig ist.
Ich möchte einsteigen bei meiner Rede mit einer Formulierung, die das Bundesverfassungsgericht einmal vorgenommen hat, ich zitiere: „Nicht nur der Straffällige muss auf die Rückkehr in die freie menschliche Gesellschaft vorbereitet werden; diese muss ihrerseits bereit sein, ihn wieder aufzunehmen.“ So das Bundesverfassungsgericht. Und gleichzeitig wissen wir alle, glaube ich, mit liberalen Regelungen im Strafvollzug sind keine Wahlen zu gewinnen. Das ist auch der Hintergrund, weshalb wir Ihnen sehr frühzeitig angeboten hatten und gesagt haben, lasst uns mal gemeinsam überlegen, ob wir hier zu einem Konsens kommen, zu einem Kompromiss, sodass das Gesetz von allen demokratischen Fraktionen getragen werden kann.
Ich glaube, dass die Tatsache, dass mit liberalen Regelungen keine Wahlen zu gewinnen sind, unter anderem auch damit zu tun hat – und das ist in dem Beitrag von Herrn Texter zum Schluss auch deutlich geworden –, dass es um gesellschaftlichen Reflex geht auf eine Straftat, die heißt, die hat vor allem damit zu tun, Strafe muss abgesessen werden und es muss Buße getan werden. Ich formuliere das jetzt mal bewusst etwas provozierend. Und ich sage vor dem Hintergrund dieses von mir wahrgenommenen gesellschaftlichen Reflexes, dass es gut ist, dass der Resozialisierungsgedanke inzwischen im Vordergrund steht. Es ist gut, weil es im Interesse der Menschen ist, die sich strafbar gemacht haben, weil sie wieder integriert werden müssen in die Gesellschaft.
Es ist aber vor allen Dingen auch gut im Interesse der Gesellschaft, weil wir damit Rückfälligkeit vermeiden, denn wir wissen alle, Resozialisierung ist wichtig für Integration und reduziert die Rückfallquoten. Und genau deshalb braucht es in der politischen Auseinandersetzung Rückgrat.
Ich sage das mal an einem einfachen Beispiel. Natürlich gehen die Bürgerinnen und Bürger dort auf die Straße, wo sie erfahren, dass ein offener Vollzug platziert werden soll. Das habe ich in meiner Heimatstadt Stralsund selbst erlebt. Und selbstverständlich braucht es in diesem Kon
text die Geradlinigkeit von Politikern und Politikerinnen, die dann an dieser Stelle sagen, sie halten es für richtig, dass es einen offenen Vollzug gibt, dass es ihn an dieser Stelle gibt, weil er im gesellschaftlichen Interesse ist.
Und genau vor diesem Hintergrund haben wir uns auch dieser Gesetzesinitiative der Landesregierung genähert und vor diesem Hintergrund haben wir auch immer gesagt, wir halten es für wichtig, dass wir uns auseinandersetzen müssen über das, was in diesem Gesetzesvorhaben beabsichtigt ist, und dass wir diesen Resozialisierungsgedanken, der von allen gewollt wird, offensiv nach vorne tragen.
Am vorvergangenen Mittwoch haben die Vertreter der Koalitionsfraktionen eben nicht im besten demokratischen Sinne darum gerungen, sondern es ist das passiert, was jetzt mehrfach in der Presse schon kommentiert worden ist und was von Frau Borchardt auch noch mal angesprochen worden ist. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, unser künftiges Strafvollzugsrecht braucht eben diese Auseinandersetzung. Ohne eine öffentliche Auseinandersetzung hätte es in den vergangenen Jahrzehnten keine Weiterentwicklung des Strafvollzugs im Sinne einer Priorisierung des Resozialisierungsgedankens gegeben, deshalb ist ein Durchwinken der Regierungsvorlage ein Bärendienst am Strafvollzug und darf sich aus meiner Sicht, zumal es ein wichtiges Vorhaben der Landesregierung war, auch nicht wiederholen.
Der Gesetzentwurf legt im Paragrafen 2 als Vollzugsziel fest, die Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu befähigen. Laut Gesetzentwurf, Seite 2, hat sich die gesamte Vollzugsgestaltung an diesem Vollzugsziel auszurichten. Dies liest sich im Paragrafen 3 des Gesetzentwurfes wie folgt, ich zitiere: „Der Vollzug ist auf die Auseinandersetzung der Gefangenen mit ihren Straftaten und deren Folgen auszurichten. … Der Vollzug wirkt von Beginn an auf die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in Freiheit hin.“ Und später heißt es weiter: „Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. … Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. … Den Gefangenen soll sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit gewährt werden.“
Dieser Gesetzentwurf hält in der konkreten Ausgestaltung aber eben leider nicht, was er eingangs verspricht. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Vorschriften über den Wohngruppenvollzug, die Gewährung von Lockerungen, die Gefangenenentlohnung und die Offenbarungspflichten von Berufsgeheimnisträgern. Daher schlagen wir zu diesen aus unserer Sicht auch im Sinne einer erfolgreichen Resozialisierung richtigen Punkten heute noch einmal die Änderung zum Gesetzentwurf vor, dass Herr Texter begründet, warum wir dieses jetzt auf diese zehn Punkte, die Sie angesprochen haben, reduziert haben.
Ich will drei exemplarische Punkte nennen in meiner Rede. Der erste wesentliche Punkt ist der Wohngruppenvollzug. Hier heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf: „Wohngruppenvollzug ist nicht nur eine Form der Unterbringung, sondern auch eine wichtige Maßnahme zur Einübung eines Zusammenlebens, das von Toleranz und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt ist. Er dient der Einübung sozialadäquaten Verhaltens, weil die Gefangenen sich mit den Bedürfnissen und Erwartungen
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn dem tatsächlich so ist, dann habe ich kein Verständnis dafür, dass der Gesetzentwurf eine institutionelle Absicherung eben genau dieses als erfolgreich deklarierten Wohngruppenvollzugs unterlässt.