Protocol of the Session on March 22, 2013

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Ja, das ist so.

Also wer für die beiden Überweisungsvorschläge stimmt, den oder die bitte ich um das Handzeichen. –

(Zuruf aus dem Plenum: Beide!)

Beide.

Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind die Überweisungsvorschläge abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU und der Fraktion der NPD, bei keinen Enthaltungen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1690 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1690 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD, bei keinen Enthaltungen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/1641 zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. –

(Egbert Liskow, CDU: Das ist aber schade.)

Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/1641 angenommen, bei Zustimmung der Fraktion der SPD und der CDU, bei Gegenstimmen der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der NPD, bei keinen Enthaltungen.

Der Tagesordnungspunkt 35, der Antrag der Fraktion der NPD „Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften herstellen“, das ist die Drucksache 6/1659, wurde vom Antragsteller zurückgezogen.

(Heinz Müller, SPD: Das ist gut so.)

Das war Tagesordnungspunkt – was habe ich gesagt – 35. Und jetzt kommt der Tagesordnungspunkt 38. Nein, Quatsch, Entschuldigung.

Jetzt rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 32:

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na was denn nun? Ist das nun auch wirklich richtig?)

Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Trinkwasser nicht als Handelsware behandeln – EU-Dienstleistungs-Konzessionsrichtlinie nicht auf die kommunale Daseinsvorsorge anwenden, das ist die Drucksache 6/1643. Hierzu liegen Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1691 und ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1696 vor.

Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Trinkwasser nicht als Handelsware behandeln – EU-Dienstleistungs-Konzessionsrichtlinie nicht auf die kommunale Daseinsvorsorge anwenden – Drucksache 6/1643 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1691 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/1696 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Ringguth von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die EU-Dienstleistungs-Konzessionsrichtlinie natürlich unmittelbar was mit kommunaler Daseinsvorsorge zu

tun hat, ist, glaube ich, jedem klar. Dennoch muss ich jetzt zunächst einmal zugeben, dass bei uns in der Fraktion und auch bei den Kollegen von der SPD-Fraktion dieser Antrag erarbeitet wurde von den EU- und Rechtspolitikern. Bei uns jedenfalls war es so. Und ich möchte Ihnen sagen, dass mein Kollege Burkhard Lenz sich da sehr engagiert eingebracht hat. Er wollte unbedingt diese Rede hier heute auch halten, mein Kollege Burkhard Lenz ist allerdings ziemlich erkrankt. Ich übernehme deshalb für ihn jetzt die Einbringung und möchte ihm – ich glaube, auch im Namen der meisten hier – alles Gute wünschen und beste Genesung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, das „Recht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser“ ist ein „Menschenrecht“, das „unverzichtbar“ für das Leben und die Menschenrechte ist. So heißt es in der Resolution der Vereinten Nationen vom 28. Juli 2010. Und das ist ein klarer politischer Auftrag an alle UN-Mitgliedsstaaten, denn Wasser ist Leben. Ohne dieses wertvolle Element wäre ein Leben auf der Erde eben unvorstellbar. Und ich frage Sie: Wollen wir nun dafür sein, dass das „blaue Gold“ eine Handelsware ist?

(Stefan Köster, NPD: Das ist Ihre EU.)

Bei den Trinkwassergebühren handelt es sich um sogenannte kostendeckende Gebühren. Das bedeutet, die Bürgerinnen und Bürger werden nur mit den tatsächlich entstandenen Kosten belastet. Anders ist dies allerdings, wenn ein Wirtschaftsunternehmen am Markt tätig ist. Dann geht es eben darum, auch Profit, unter Umständen auch größtmöglichen Profit bei minimalem Mitteleinsatz zu erzielen. Eine Gewinnmaximierung im Bereich der Trinkwasserversorgung bringt dann aber auch die ernste Gefahr mit sich, dass bei Investitionen in den Netzausbau und den Erhalt der Netze gespart wird. Und wenn dann, meine Damen und Herren, eines Tages die Netze marode sind, wird nicht nur die Wasserqualität sinken, sondern dann haben wir es mit Versorgungsengpässen und Versorgungsausfällen in der Trinkwasserversorgung zu tun.

Meine Damen und Herren, der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist für uns in Deutschland eher eine Selbstverständlichkeit. Doch der Blick zu unseren europäischen Nachbarn zeigt deutlich, welche Gefahren mit privaten Netzbetreibern einhergehen können. Viele von Ihnen erinnern sich an die Pressemeldungen der vergangenen Jahre, in denen über Ausfälle der Trinkwasserversorgung in England berichtet wurde. Da gab es doch diesen heißen Sommer 2006 und da kam es in Südengland insbesondere zu massiven Versorgungseinschränkungen. Im Frühjahr 2012 drohte in London sogar ein Komplettausfall der Wasserversorgung.

Wie konnte es nun dazu kommen? Das englische Wassernetz wurde in den 90er-Jahren privatisiert, und das ging, muss man so sagen, rückwärts betrachtet eher mächtig in die Hose. Die Wasserpreise stiegen und geplante Investitionen wurden zwar der Aufsichtsbehörde angezeigt, von den Unternehmen aber tatsächlich niemals vorgenommen. Die Gelder wurden stattdessen einfach für Gewinnausschüttungen verwendet, eben ausgeschüttet. Dieses Kaputtsparen konnte eine ganze Zeit lang – das ist dann so – auch gut verschleiert wer

den, hatte aber den fatalen Effekt, dass Leitungsnetz und Anlagen nicht mehr ausreichend gewartet und saniert wurden. Die Folge waren verunreinigtes Trinkwasser, Ausfälle in der Trinkwasserversorgung, und das alles auf Kosten der Bürger.

(Michael Andrejewski, NPD: Thatcherismus.)

In den maroden Leitungssystemen versickern jährlich enorme Mengen Trinkwasser. So verliert der Anbieter „Thames Water“ bis zu 26 Prozent des Trinkwassers durch Lecks in den Leitungen. Die „Daily Mail“ bezeichnete die englische Privatisierung bereits am 11. Juli 1994 daher folgerichtig als „die größte Aktion des lizenzierten Raubes in unserer Geschichte“.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Systemimmanent ist das.)

Meine Damen und Herren, ich will es nicht verhehlen: Eine Privatisierung des Trinkwassers kann auch eine verbesserte Wasserqualität bringen, wenn in neue Technologien, zum Beispiel zur Wasserreinhaltung, und neue Wassernetze investiert wird. Doch angesichts dieser hohen Bedeutung des freien Zugangs zu sauberem Wasser bin ich, sind, glaube ich, wir alle nicht bereit, auf diesem Feld Experimente einzugehen.

Meine Damen und Herren, mit dieser Auffassung bin ich, sind wir auch nicht allein. Mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger haben sich bereits an der europaweiten Initiative „right to water“ beteiligt. Die Unterstützer wollen verhindern, dass die öffentliche Trinkwasserversorgung der geplanten EU-Dienstleistungs-Konzessionsrichtlinie unterstellt wird. In der öffentlichen Diskussion wurde die Trinkwasserversorgung stets als das zu schützende Gut hervorgehoben.

Aus der Diskussion wurde aber der wesentliche, noch wichtigere Punkt ausgeblendet: Es geht um die kommunale Selbstversorgung unserer Gemeinden, nicht mehr und nicht weniger. Dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinden sind in Paragraf 2 Absatz 2 der Kommunalverfassung – unserer Kommunalverfassung – unter anderem „die Gewährleistung des örtlichen öffentlichen Personennahverkehrs, die Versorgung mit Energie, … mit Wasser“ sowie „die Abwasserbeseitigung“ als originäre Aufgaben zugewiesen. Diese Leistungen sollen nun von der geplanten EU-Richtlinie erfasst werden.

Meine Damen und Herren, was würde das für uns bedeuten? Bislang müssen die Kommunen die Leistungen der Daseinsvorsorge nicht ausschreiben. Die Europäische Union plant nun eine Richtlinie, nach der diese Dienstleistungen am Bürger europaweit ausgeschrieben werden müssen, und zwar immer dann ausgeschrieben werden müssen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Die Gemeinden könnten dann in der Frage, ob sie ausschreiben wollen oder nicht, nicht mehr selbst bestimmen. Die Umsetzung dieser Richtlinie würde einen, wie wir meinen, nicht wiedergutzumachenden Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstellen.

Und aus diesem Grunde wurde diese Richtlinie scharf kritisiert, meine Damen und Herren. Damit Europa funktioniert, benötigen wir einfach europaweit einheitliche Regelungen und Mindeststandards. Und Gleiches gilt auch für die Liberalisierung von Märkten. Damit die örtlichen Kompetenzen aber dann nicht ausgehöhlt werden,

gibt es den Grundsatz der Subsidiarität. Das bedeutet, Europa kann gerne viele Sachverhalte regeln, aber bitte nur dort, wo es sinnvoll und zum Wohle der Bevölkerung ist.

Die CDU hat im letzten Jahr – ich glaube, es war Ende letzten Jahres – auf ihrem Bundesparteitag richtig die grundlegende Ablehnung des von der EU-Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlags beschlossen. Das ist also bei uns – wie bei anderen auch – Beschlusslage. Auf EU-Ebene ist diese Kritik auch nicht unbemerkt geblieben. So beschloss der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments Ende Januar eine Ausnahme von Leistungen im Bereich der Wasserversorgung, jedoch nur als eine, so wörtlich, „spätestens 2020 endende Übergangsregelung zum Schutz der Daseinsvorsorge“. Gut vier Wochen später sagte der EU-Binnenmarkt- kommissar Barnier, er wolle – ich zitiere – „weniger Kommunen als bisher angedacht“ der geplanten Richtlinie unterwerfen. Dies sind alles jedoch nur unbefriedigende Bekenntnisse, weil eher Lippenbekenntnisse.

In welcher Form, mit welchem Inhalt die Dienstleistungsrichtlinie dann tatsächlich dem Europäischen Parlament vorgelegt werden wird, kann heute, glaube ich, noch niemand wirklich mit Bestimmtheit sagen. Eines ist jedoch sicher: Die geplanten Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung sind nicht gerechtfertigt. Ein Ausschreibungszwang passt systematisch eben nicht zu kommunaler Selbstverwaltung.

Im Übrigen ist eine EU-Regelung nicht erforderlich. Bereits heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Der Europäische Gerichtshof hat im Jahr 2005 – das war diese Parking-BrixenEntscheidung, Aktenzeichen erspare ich Ihnen – entschieden, dass bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen die Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz stets zu beachten sind.

(Heinz Müller, SPD: Das ergibt sich aus Lissabon.)

Das ergibt sich in der Tat, Kollege Müller, aus Lissabon. Und dies ist für alle Mitgliedsstaaten bindend.

Ich möchte abschließend noch mal auf das Trinkwasser zurückkommen. Die Entscheidung, die Trinkwasserversorgung in kommunale Hände zu geben, hat sich bei uns in Deutschland über viele Jahrzehnte bewährt. Die gewachsenen Strukturen garantieren die zuverlässige Belieferung der Bürgerinnen und Bürger mit hochwertigem Trinkwasser, und zwar immer noch zu bezahlbaren Preisen. Die Wasserversorgung zwangsweise allein den Regeln und Gefahren des Marktes zu unterwerfen und damit dem kommunalen Aufgabenbereich der Daseinsvorsorge quasi zu entziehen, steht dem Interesse des Gemeinwohls entgegen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut.)

Ich fordere Sie auf, wie die CDU-Fraktion und die Kollegen der SPD-Fraktion für diesen Antrag zu stimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Das war eine gute Rede für einen Europapolitiker.)

Danke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat jetzt der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.