Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Gajek, also ich hab eben gedacht, ich traue meinen Ohren nicht so recht. Sie haben sich die inhaltliche Debatte jetzt für Ihren Antrag aufgespart. Sinn hätte es gemacht, wenn Sie vorhin dazu gesprochen hätten mit diesem Wortbeitrag.
Sehr geehrte Damen und Herren! Einen Moment, Frau Tegtmeier. Also bitte, keine Dialoge! Wir wollen eine auch teilweise lebhafte Debatte, aber Dialoge sind zu vermeiden.
Frau Gajek, Sie haben in Ihrem Wortbeitrag eigentlich unserem wesentlich umfassenderen Antrag das Wort geredet, ja.
Sie fokussieren sich hier auf vier konkrete, ich will jetzt nicht sagen, Wünsche, sondern Sie fordern die Landesregierung
Die Ministerin hat genau zu den ersten beiden Punkten Ihres Antrages eigentlich ausführlich hier berichtet, was genau in diesem Sinne getan wird, warum das läuft und wie es läuft
und was man außerdem noch macht an Punkten, wo es halt nicht so läuft. Deswegen will ich auch gar nicht das alles noch mal wiederholen, so, wie ich auch die inhaltliche Debatte nicht noch mal wiederholen möchte, die wir vorhin geführt haben. Ich möchte eigentlich, da für mich die beiden Punkte 1 und 2 abgearbeitet sind, nur noch mal auf die Punkte 2 und 3 eingehen.
Frau Gajek, die Punkte 2 und 3 unterstütze ich aus vollem Herzen und das findet auch im Regierungsprogramm der SPD seinen Niederschlag. Aber Sie wissen auch, dass wir auf Bundesebene im letzten Jahr einen entsprechenden Antrag abgelehnt bekommen haben, als es darum ging, ein Entgeltgleichheitsgesetz auf Bundesebene zu verabschieden. Und deswegen verwundert es Sie sicherlich auch nicht, dass unser Koalitionspartner mittlerweile keine andere Auffassung dazu hat und dass das auch ein Grund ist, neben dem, was ich eben schon zu den Punkten 1 und 2 gesagt habe, Ihren Antrag nicht unterstützen zu können.
(Heiterkeit bei Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das haben wir gewusst. – Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und damit haben Sie, ja, das haben Sie sich gedacht und das ist auch so. Das wollte ich nur noch mal klarstellen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann nicht oft genug über dieses Thema reden, deswegen werde ich es mir nicht so einfach machen wie Frau Tegtmeier und sagen, wir haben das ja im Tagesordnungspunkt 19 alles schon inhaltlich beredet – wir hätten ja gern, aber können nicht. Undank ist der Welten Lohn, liebe Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der LINKEN hat es, glaube ich, heute auf den Punkt gebracht, indem sie gesagt hat: „Es wird Zeit, dass Frauen endlich so viel Lohn erhalten, wie sie verdienen.“
Und wir begehen den Aktionstag, den Equal Pay Day, seit 2008. Also bereits zum sechsten Mal prangern wir heute im Rahmen der Veranstaltungen auf der Schlossbrücke, in Rostock, in Stralsund, hier bei den Debatten im Landtag die Lohnlücke von fast einem Viertel zwischen den Geschlechtern an. Ein halbes Jahrzehnt ist vergangen, und was wurde bislang erreicht?
In diesem Jahr sprechen wir von einer Lohnlücke, das ist hier mehrfach benannt worden, von 22 Prozent. Es ist schon ein Prozentpunkt weniger als im Vorjahr, wenn man sich die Situation schönreden will, aber in Wahrheit treten wir auf der Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deutschland braucht verbindliche gesetzliche Regelungen und wirksame Mittel zur Umsetzung, sonst stehen wir auch in 22 Jahren regelmäßig Ende des Monats März noch auf der Straße und protestieren gegen diese Ungerechtigkeit oder bringen hier im Landtag Anträge ein, je nach Verantwortung. Im besten Fall werden wir gehört, im schlechtesten Fall überhört. Aber wen juckt das eigentlich? Und das Szenario im Sinne von „täglich grüßt das Murmeltier“ muss durchbrochen werden. Wir müssen Regierungen, Unternehmen, Arbeitgeber endlich in die Verantwortung nehmen. Und da ist eine inhaltliche Vorgabe, wie sie in dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegt wurde, eine gute Grundlage.
Neben schlecht bezahlter Vollzeittätigkeit und unerwünschter Teilzeitbeschäftigung sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ein Grund für die schlechte Bezahlung von Frauen und die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern. 52.000 Frauen, Frau Gajek hat das erwähnt, in Mecklenburg-Vorpommern sind in einer geringfügigen Beschäftigung tätig. Und dazu muss man noch einmal sagen, sie verdienen also weniger als 400 Euro, im Durchschnitt sogar nur 200 Euro im Monat, und das häufig über einen längeren Zeitraum.
Wenn wir gestern und auch heute schon über Verbesserungen in der Kindertagesbetreuung gesprochen haben, auch den Zusammenhang zum Mindestlohn hergestellt haben und richtigerweise auch in der KiföG-Novelle für die Beschäftigten in den Kitas die Mindestlohnproblematik auf die Tagesordnung gehoben wird, will ich an dieser Stelle auch einen Bereich aus der Kindertagesbetreuung herausgreifen: die Tagespflege. Ich habe, nachdem wir die Regelsätze für die Tagespflege in unserem Jugendhilfeausschuss beschlossen haben im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte,
besorgte Briefe erhalten von Beschäftigten aus der Tagespflege, die auch mir berechtigterweise vorgeworfen haben, dort, wo ich es in der Hand hätte, mich nicht für den Mindestlohn eingesetzt zu haben. Durchschnittslohn in der Tagespflege 4,50 Euro.
Das sind die Realitäten im Land und denen müssen wir uns stellen. Insofern ist es richtig, dass wir diese Thematik immer wieder auf die Tagesordnung des Landtages setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der DGB wies kürzlich auf diese Missstände hin und teilte anlässlich des Internationalen Frauentages in der Presse mit, dass die meisten der geringfügig beschäftigten Frauen, genau genommen 76 Prozent von ihnen, seit ihrem ersten Minijob keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt haben. Welche Auswirkungen dies auf die soziale Situation der Frauen und auf die zu erwartende Rente hat, das brauche ich Ihnen nicht zu erläutern. Es ist eine Katastrophe, das ist programmierte Armut auf Lebenszeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, und da schließt sich die Debatte um die Agenda 2010 aus der
Daneben tragen die Frauen nach wie vor den Großteil der Arbeit im privaten Bereich, die zum Nulltarif geleistet wird. Das betrifft die Versorgung und Erziehung der Kinder, die Fürsorge für kranke und pflegebedürftige Angehörige, die Hausarbeit, aber auch ehrenamtliche Arbeit in Vereinen und Verbänden. In vielen der ehrenamtlichen Strukturen wäre eine funktionierende Arbeit überhaupt nicht denkbar, wenn sie nicht von Frauen geleistet würde.
Das alles geschieht meistens im Stillen, es wird nicht an die große Glocke gehängt. Das erlebe ich immer wieder. Und leider ist es zu selbstverständlich, dass Frauen das alles noch nebenher mitmachen. Die Belastungen sind also enorm, die Anerkennung ist zu gering. Es ist eine Beleidigung, dass Frauen auf der einen Seite den Großteil der unbezahlten familiären und gesellschaftlichen Arbeit verrichten und für die gleiche und gleichwertige Arbeit auf dem Arbeitsmarkt auch noch schlechter bezahlt werden als Männer.
Es ist Teil eines nach wie vor bestehenden patriarchalen Gesellschaftssystems. Es unterstützt das systematische Fernhalten oder Nicht-weiter-Vorankommen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt und stärkt zudem ihre wirtschaftliche Abhängigkeit vom Lebenspartner, von Angehörigen oder auch vom Staat.
Nicht hinnehmbar ist auch, dass viele Vollzeitbeschäftigte Niedriglöhne erhalten, mit denen sie nicht einmal eigenständig ihre Existenz sichern können. Noch immer sind zwei Drittel der im Niedriglohn Beschäftigten Frauen. Berufe und Branchen, die eher von Frauen gewählt und ausgeübt werden, bieten häufig schlechtere Verdienstchancen, weil die sozialen Kompetenzen, die in sozialen Berufen zwar Voraussetzung sind, aber als sogenannte Soft Skills, also als berufstypische Zusatzqualifikationen in kein Bewertungsverfahren zur Festlegung von Löhnen einfließen. Im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind diese mittelbaren und unmittelbaren Diskriminierungen von Frauen richtig und gut skizziert.