Protocol of the Session on March 21, 2013

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sehr schön.)

Ja. Und deswegen muss es doch gestattet sein, dass ich mal meine Verwunderung zum Ausdruck bringe, dass Sie so einen qualifizierten Antrag selber vorlegen und so einen weichgespülten der Koalition abstimmen. Das verstehe ich nicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Man sollte das nicht überbewerten. – Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- tionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/1644. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/1644 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Ablehnung der Fraktionen DIE LINKE und NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Entgeltgerechtigkeit umsetzen, Gleichstellung am Arbeitsmarkt aktiv gestalten, Drucksache 6/1635.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entgeltgerechtigkeit umsetzen – Gleichstellung am Arbeitsmarkt aktiv gestalten – Drucksache 6/1635 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gajek.

Ja, jetzt führen wir mal den Tagesordnungspunkt 19 weiter.

Oh, Entschuldigung! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Ja, so ist das.

Also jetzt führen wir mal den Tagesordnungspunkt 19 weiter. Ich zitiere: „Frauen machen es zum Schnäpp

chen-Tarif“, titelte die TAZ am 16.01. dieses Jahres. Untertitel: „Männer verdienen auch im Norden deutlich mehr Geld als ihre Kolleginnen“. Wie viel mehr, das belegen sehr plastisch die Erhebungen des Statistischen Amtes im Bericht „Frauen und Männer im Spiegel der Zahlen“. Dort ist zum Beispiel zu lesen, dass die Verdienstdifferenz zwischen vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern in unserem Bundesland im Jahr 2010 6,5 Prozent betrug.

Nun werden manche genüsslich die Beine strecken und sagen: Na, das ist im Vergleich zu den zweistelligen Abweichungen im Bundesdurchschnitt ja marginal. Auf diesen Einwand möchte ich drei Dinge entgegnen:

Erstens. Eine Differenz ist eine Differenz und sie ist in unserem Bundesland genauso wenig zu erklären und zu rechtfertigen wie in anderen Teilen der Republik.

Zweitens. Wir gehen in unserem Bundesland von einem niedrigeren Lohnniveau aus als im Bundesschnitt – haben wir heute schön öfter gehört. Insofern relativieren sich vor diesem Hintergrund auch die Lohndifferenzen.

Drittens. Der zitierte Landesdurchschnittswert ist nur eine Seite der Medaille. Wahr ist auch, dass es in einzelnen Branchen, etwa im Gesundheits- und im Sozialwesen, mit 28,6 Prozent weitaus größere Abweichungen gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wo Frauen benachteiligt werden, geht es nicht gerecht zu. Eine moderne Gesellschaft kann es sich nicht leisten, die Hälfte der Bevölkerung im Arbeitsleben zu diskriminieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um Frauen nicht nur auf dem Papier, sondern auch in ihrer täglich gelebten Realität gleiche Chancen zu geben, reichen warme Worte nicht aus. Heute, am 21. März 2013, ist Equal Pay Day, der unter Bezug auf die Gender Pay, die geschlechts…, nee, noch mal, Entschuldigung, und unter Bezug auf die Gender Pay Gap,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Früher hat man das auf Deutsch gesagt.)

die geschlechtsbedingte Entgeltlücke, sage ich Ihnen hier ganz deutlich: Frauen sind keine Lückenbüßerinnen für verfehlte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik!

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Jawoll.)

Der Arbeitsmarkt in unserem Bundesland klafft gleich an mehreren Stellen auseinander. Da gibt es die Spaltung zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten, zwischen sozialversicherungspflichtig und prekär Beschäftigten, zwischen Stamm- und Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern und zwischen Frauen und Männern.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Überwindung der ungleichen Entlohnung ist die Erweiterung des Berufswahlspektrums von Mädchen und Jungen, denn obwohl sie im Schnitt deutlich bessere Schulabschlüsse vorweisen, entscheiden sich junge Frauen überproportional häufig für – in Anführungsstrichen – typisch weibliche

Berufe und Studiengänge. Typisch ist für diese Berufe auch, dass sie nur geringe Verdienstmöglichkeiten und wenig Aufstiegschancen bieten. Die Hitliste der am häufigsten gewählten dualen Ausbildungsberufe wird immer noch angeführt von Büro-, Einzelhandels- und Kosmetikberufen.

(Stefan Köster, NPD: Warum ist das denn so?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Mädchen und Frauen ihr Potenzial nicht ausschöpfen, dann ist das nicht nur ein individuelles Zurückbleiben hinter den eigenen Chancen, es ist auch ein gravierender Nachteil für die Wirtschaft. Deshalb brauchen wir einen durchdachten Ansatz, um Veränderungen im Berufswahlverhalten zu initiieren, eine Neubewertung sogenannter typischer Frauenberufe und Veränderungen in der Arbeitswelt, gerade im Bereich der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Zukunftsberufe.

Eine Politik für wirkliche Chancen und Entgeltgleichheit muss Anreize schaffen. Ein Blick auf die Lebensverlaufsperspektive von Frauen zeigt, es geht darum, gerade in Entscheidungssituationen Unterstützung zu bieten, denn die Ausbildungsentscheidung, die Entscheidung für Familiengründung, für Kinder und zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht auch zur Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger haben weitreichende Auswirkungen. Es sind überwiegend Frauen, die familienbedingt ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, die in Teilzeit arbeiten oder Minijobs wahrnehmen und die die damit verbundenen Einkommenseinbußen und verpassten Karrierechancen meist im weiteren Lebenslauf nicht mehr kompensieren können. In der Konsequenz führt das zu geringeren Individualeinkommen von Frauen, zu Einschränkungen bei der eigenständigen Existenzsicherung, zu geringeren Rentenansprüchen und im Extremfall zu weiblicher Altersarmut.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nicht angemessen und verkennt die Tragweite des Themas, die Gleichstellungsförderung am Arbeitsmarkt auf die Problematik Alleinerziehender zu reduzieren. Gewiss, Alleinerziehende sind zu über 90 Prozent weiblich und Alleinerziehende sind eine am Arbeitsmarkt besonders benachteiligte Gruppe, genauso übrigens wie Migrantinnen. Modellprojekte für Alleinerziehende sind, wenn sie nicht in eine Gesamtstrategie integriert werden, nichts weiter als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn sie dann noch AQuA heißen, hat das ja durchaus einen gewissen Wortwitz.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Strukturelle Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt gehen von solchen isolierten Einzelprojekten jedoch nicht aus, obwohl sie sicher gut gemeint sind.

Was brauchen wir also an politischen Impulsen zur Neugestaltung? Wir brauchen die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes – mehrfach heute gehört –, wir brauchen die Förderung guter Arbeit, sozialversicherungspflichtig, existenzsichernd, zukunfts- und konkurrenzfähig und nachhaltig. 52.000 Frauen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, das ist weder sozial noch zukunftsfähig. Wir brauchen verbesserte Berufsorientierung und wir brauchen konkrete Förder

möglichkeiten für Frauen, die sich im Laufe ihres Erwerbslebens umorientieren oder weiterbilden wollen.

Die ohnehin in den vergangenen Jahren immer mehr zusammengestrichenen Mittel der Bundesagentur für Arbeit sind weder auskömmlich, noch stehen sie allen Zielgruppen zur Verfügung. Denn eine einmal getroffene Berufsentscheidung wird schnell zur Sackgasse, wenn in diesem Bereich Vermittlungschancen bestehen und eine Umschulung aus arbeitsmarktpolitischer Sicht nicht unterstützt wird. Das ist aus unserer Perspektive eine fatale Kurzsichtigkeit. Auch und gerade Frauen müssen Qualifizierungen in Zukunftsberufen verstärkt angeboten werden. Deshalb fordern wir ein zielgruppenorientiertes Landesqualifizierungs- und Förderprogramm für Frauen.

(Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen mehr Transparenz, wir brauchen ein gesellschaftliches Umdenken und eine veränderte Wertschätzung beruflicher Tätigkeiten. Die Unterbewertung von Frauentätigkeiten beruht häufig auf Vorurteilen und geschlechterbezogenen Stereotypen.

Mittelbare Diskriminierung am Arbeitsplatz muss konsequent aufgedeckt und beseitigt werden. Dazu brauchen wir geeignete Arbeitsbewertungssysteme. Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass etwa Tätigkeiten im Erziehungs- und im Pflegebereich trotz hoher physischer und psychischer Belastungen noch immer deutlich schlechter entlohnt werden als beispielsweise Berufe im Bau- oder Baunebengewerbe. Oder um es mit den Worten der Bundesfamilienministerin zu sagen, die ich sonst ausgesprochen selten für zitierfähig empfinde, Zitat: „Mir kann kein Mensch erklären, weshalb ein Tierpfleger mehr verdient als eine Kinderpflegerin.“ Zitatende.

Wir brauchen die Rückkehroption aus Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung für Frauen, aber auch für Männer.

(Udo Pastörs, NPD: Und wie wollen Sie das praktisch machen?)

Wir brauchen ein Entgeltgleichheitsgesetz mit verbindlichen Regelungen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder in Führungspositionen.

(Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Männliche Monokulturen in den Vorstandsetagen haben keine Vorbildwirkung und entfalten keinen Anreiz für Frauen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, der zunehmende Fachkräftemangel stellt die Frage nach veränderten Rahmenbedingungen. Eine Anpassung der Arbeitsstrukturen an die Erwerbsarbeit und Vereinbarkeitskonzepte von Frauen und Männern ist überfällig. Neben den ganz konkreten Herausforderungen eines geschlechtergerechten Arbeitsmarktes stehen politisch weitreichende gesell

schaftliche Diskussions- und Neuordnungsprozesse an. In diesem Sinne gilt: Gleichstellungspolitik ist Innovationspolitik – Frauen verdienen mehr. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)