Protocol of the Session on January 31, 2013

Ich lasse also zunächst abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1543. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1543 mit den Stimmen von SPD, CDU, der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion der NPD.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1498 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- che 6/1498 mit den Stimmen von SPD und CDU ab- gelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD.

Ich rufe auf den Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Drohende Entlassungen von Untersuchungshäftlingen verhindern,

Drucksache 6/1534. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1419 vor.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drohende Entlassungen von Untersuchungshäftlingen verhindern – Drucksache 6/1534 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1544 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um den Sachverhalt zu verdeutlichen, hole ich mal etwas weiter aus.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach nee!)

Anfang Juli letzten Jahres hatte das Schweriner Landgericht angezeigt, dass die Entlassung von zwei Untersuchungshäftlingen drohen würde. Der Grund war, dass man die jeweiligen Hauptverfahren nicht fristgerecht eröffnen können würde. Vorausgegangen war ein anderes Verfahren, das sich über einen sehr langen Zeitraum

hinzog und sehr viele Verhandlungstage benötigte. Das führte zu einem Hinausschieben anderer Verfahren. Hierdurch kam es in den folgenden Verfahren zu Problemen.

Rein rechtlich dürfen Tatverdächtige in der Regel nicht länger als sechs Monate in Untersuchungshaft verbleiben. Das heißt, innerhalb von sechs Monaten nach Anordnung der Untersuchungshaft muss das Hauptverfahren eröffnet werden. Der Grund für diese Frist ist natürlich klar. In diesem Stadium reden wir nämlich noch von einem Tatverdächtigen. Seine Schuld wurde ihm noch nicht nachgewiesen.

Meine Damen und Herren, ich möchte einmal klarstellen, dass DIE LINKE nicht grundsätzlich gegen die Entlassung von U-Häftlingen ist – aber bitte schön nur dann, wenn der dringende Tatverdacht nicht mehr besteht oder Haftgründe weggefallen sind, so, wie es die gesetzlichen Bestimmungen festschreiben. Eine Entlassung wegen Überschreitung der Sechsmonatsfrist, weil das Hauptverfahren nicht rechtzeitig eröffnet werden kann, ist jedoch nicht hinnehmbar. Der Knackpunkt hierbei ist, dass die Gerichte es aus welchen Gründen auch immer offensichtlich nicht schaffen, fristgerecht zu terminieren.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Aber zurück zu den letztjährigen Fällen. Interessant ist nämlich, dass das Landgericht Schwerin nicht nur seine Überlastung mitteilte, sondern auch, dass es nicht in der Lage sein würde, die entsprechende Strafkammer zu entlasten.

Paragraf 21e Absatz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sieht vor, dass das Präsidium eines Landgerichts die Geschäftsverteilung innerhalb des Jahres ändern kann, wenn beispielsweise eine Überlastung eines Richters oder Spruchkörpers droht. Das ist eine Entscheidung, die allein dem Präsidium obliegt und in der Unabhängigkeit der Justiz begründet ist. Das Landgericht Schwerin teilte mit, dass es hierzu nicht in der Lage sein würde.

Meine Damen und Herren, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Gleichwohl bestand das Justizministerium darauf, dass das Landgericht Schwerin über eine ausreichende Anzahl von Richterinnen und Richtern verfüge, um das Problem zu beheben. Das Landgericht Schwerin wurde aufgefordert, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Strafkammern des Landgerichtes Schwerin entsprechend besetzt werden. Meine Damen und Herren, wir erinnern uns, das Schweriner Landgericht hat im Juni mitgeteilt, dass es sich gerade hierzu nicht in der Lage sehe.

Es kam natürlich, wie es kommen musste, beide Tatverdächtige wurden im September 2012 aus der Untersuchungshaft entlassen. Nun wurde auch das Justizministerium aktiv und ordnete für die Dauer eines Jahres zwei Richter an das Landgericht ab. Eine Hilfsstrafkammer wurde eröffnet und nun sollte man meinen, dass die Gefahr zukünftiger vorzeitiger Entlassungen gebannt war. Leider ist dem nicht so.

Meine Damen und Herren, wie jetzt öffentlich bekannt wurde, drohen in den nächsten Monaten wiederum drei Entlassungen von Untersuchungshäftlingen. Allen dreien werden schwere Straftaten vorgeworfen. Der Ablauf der

Geschehnisse gleicht dem letztjährigen außerordentlich. Das Landgericht Schwerin hat dem Justizministerium mitgeteilt, dass man die jeweiligen Verfahren nicht fristgemäß werde eröffnen können. Und was war die Reaktion? Wie bereits im Jahre 2012 wurde mitgeteilt, dass es erwarte, das Landgericht Schwerin werde geeignete Maßnahmen beschließen, um fristbedingte Entlassungen von Untersuchungshäftlingen zu vermeiden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist aber Selbstverwaltung.)

Das Präsidium des Gerichts hat bereits diskutiert, dass es dieses Problem nicht lösen kann. Eine Lösung fand man, wie gesagt, nicht. Das ändert auch nichts daran, dass heute in der Presse mitgeteilt wurde, dass das Präsidium des Landgerichtes gestern beschlossen hat, eine weitere Hilfskammer zur Unterstützung der dritten Strafkammer zu bilden.

Meine Damen und Herren, ohne jetzt die Gründe analysieren zu müssen, sind wir damit bei Punkt 1 unseres Antrages. Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger nehmen diese Vorgänge mit sehr großer Besorgnis zur Kenntnis. Wie sollen sie, die Bürgerinnen und Bürger, Vertrauen in den Rechtsstaat schöpfen, wenn die Voraussetzungen zur Umsetzung des Rechtes nicht mehr gesichert sind?! Und wenn Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, das nicht tun, zeigt das, welche Wahrnehmung Sie von den Befürchtungen der Menschen in diesem Land haben.

Was kann man aber tun? Das Justizministerium wird sich wahrscheinlich wieder auf die Unabhängigkeit der Justiz berufen. Das habe ich ja eben auch schon von Herrn Dr. Nieszery gehört.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was denn?)

Wie bereits im letzten Jahr.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was habe ich schon wieder?)

Diese Unabhängigkeit ist ein hohes rechtliches Gut, die Unabhängigkeit der Justiz.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja. Selbstverwaltung, Frau Borchardt.)

Ja, gut, aber es ist,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Weil die können auch ein bisschen organisieren eigentlich.)

diese Unabhängigkeit ist ein hohes rechtliches Gut, aber sie ist nicht dafür geeignet, dass sich das Justizministerium in seiner politischen,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

in seiner politischen Verantwortung dahinter verstecken kann. So einfach kann man es ihnen nicht machen.

Tatsache ist doch, dass das Landgericht Schwerin zumindest im letzten Jahr die Hauptverhandlungen nicht fristgerecht anberaumen konnte. Es müssen doch die Fragen erlaubt sein, wie es dazu kommen konnte und

was man getan hat, um solche Vorfälle zukünftig zu verhindern.

Denn das muss man auch sagen: Sehr erfolgreich war man mit den Hilfsmaßnahmen offensichtlich nicht, denn sonst würde es nicht schon wieder zu solchen Anzeigen kommen. Solche Umstände muss die Justiz auffangen können. Und beim Auffangen kommen wir der Sache schon näher, denn der Landesrichterbund sieht die Ursache offenbar in einer zu geringen Zahl an Richterplanstellen im Land.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Natürlich, bei dem Arbeitspensum, was die armen Richter abzuleisten haben. – Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Vincent Kokert, CDU)

Das Justizministerium sieht das selbstverständlich anders

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Natürlich, natürlich. Also das sind wirklich Arme!)

und geht von einer bedarfsgerechten Ausstattung aus.

Wie gesagt, im letzten Jahr machte es sich das Justizministerium leicht und zog sich auf die Erklärung zurück, dass die Verteilung der richterlichen Geschäfte und die Terminierung der Verfahren zum Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit gehörten und das Justizministerium hier keine Einflussmöglichkeiten hätte. Das ist natürlich auch scheinbar richtig. Und die richterliche Unabhängigkeit soll auch keineswegs angetastet werden, aber es ist Aufgabe des Justizministeriums, sicherzustellen, unter allen Umständen, dass die Gerichte alle Mittel erhalten, um ihre Geschäfte auch zu erledigen. Und hier liegt nämlich genau das Problem.

Natürlich gäbe es auch die vermeintlich einfachere Lösung, dass man die Tatverdächtigen eben länger in der Untersuchungshaft behält. Eine solche längere Untersuchungshaft ist ja auch grundsätzlich möglich, allerdings nur, „wenn die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen“. Das sagt Paragraf 121 der Strafprozessordnung.

Es wird hier also deutlich, dass die Verlängerungsgründe in den Umständen der Tat und nicht in mangelhafter Ausstattung der Justiz liegen. Und im Falle eines geständigen Brandstifters, wie es in dem einen Fall vorliegt, wird man wohl kaum von besonderen Schwierigkeiten oder besonderen Ermittlungsumfängen reden können. Also auf derartige Ausnahmetatbestände wird man sich kaum zurückziehen können.

Ohnehin kommt für uns die Ausdehnung der Sechsmonatsfrist nicht in Betracht. Man wird im Gegenteil sogar darüber debattieren müssen, ob diese Frist nicht ohnehin schon zu lang ist. Allerdings soll es darum nicht gehen und insofern nehmen wir die sechs Monate erst mal so hin.

Meine Damen und Herren, die Probleme liegen woanders und Sie wissen auch, wo. Sie liegen bei der Frage, was denn eine bedarfsgerechte Ausstattung der Gerichte ist. Es ist doch bemerkenswert, wenn ein Gericht seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann und das Justizministe

rium trotzdem der Auffassung ist, das Gericht sei bedarfsgerecht ausgestattet.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warum können andere Gerichte das nicht machen?)

Meine Damen und Herren, was Bedarf ist, zeigt die Praxis und nicht eine abstrakte und unrealistische Tabelle von PEBB§Y. Ich möchte hier jetzt nicht im Einzelnen über die Fehler von PEBB§Y referieren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Doch, Frau Borchardt.)