Protocol of the Session on January 31, 2013

Im Umkehrschluss kann dies aber auch bedeuten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Schutz- und Hilfeeinrichtungen selten oder gar nicht an Fortbildungen teilnehmen, dass sie permanent Überstunden machen oder auch krank zur Arbeit gehen. Die unzureichende personelle Ausstattung in den Einrichtungen kompensieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also womöglich auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit oder ihres Privatlebens, und das kann doch wohl nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Forderungen basieren auf Ergebnissen von vorliegenden Berichten und Stellungnahmen in Bund und Land, von Fachtagungen sowie von Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort. Das heißt, wir haben unsere Forderungen und unsere Erwartungshaltungen nach allen Seiten hin abgeklopft. Sie sind also keine Erfindung der immer nur mehr fordernden Linksfraktion im Landtag.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Sehr richtig.)

An Personal fehlt es an allen Ecken und Enden, es fehlen auch spezielle Fachkräfte zur Betreuung der mitbetroffenen Kinder. Der einfache Zugang zu den Schutz- und Hilfeeinrichtungen ist insofern nicht gegeben, da räumliche Barrieren schon den Zugang verhindern. Männer als Opfer von häuslicher Gewalt sind derzeit noch nicht umfangreich als Opfergruppe berücksichtigt.

Auch die leicht erhöhten und von uns begrüßten Zuwendungen im Landeshaushalt 2012/2013 sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Angebote sind in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor finanziell unzureichend ausgestattet, das ist nun mal Fakt. Hinzu kommt die Notwendigkeit der Gegenfinanzierung, wie am Anfang schon dargestellt, durch die Kommunen. Wenn die Kommunen ihre Eigenanteile zur Finanzierung aber nicht erbringen können, gerät eben auch das Hilfesystem in eine Schräglage.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Tja, dann schmilzt es.)

Greifswald wurde schon hier zitiert. Ich will auch darauf eingehen. Die vorläufige Haushaltsführung der Hansestadt Greifswald zum Beispiel führte lediglich zu vorläufigen Bescheiden und damit zu großen Unsicherheiten. Was folgt daraus, Herr Müller? Die Kommunen müssen vom Land finanziell so gut ausgestattet werden, dass sie die Eigenanteile zur Gegenfinanzierung der Frauenhäuser und der Beratungsstellen auch leisten können.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht ist das ja genau der Anteil des Sozialministeriums am Zukunftsvertrag mit der kommunalen Ebene, der noch nicht geleistet ist. Wir hörten ja gestern, dass bislang nur das Innenministerium und das Finanzministerium ihre Arbeiten mit den Kommunen abgeschlossen haben. Aus dem Sozialministerium gibt es offensichtlich bislang nur eine Fehlmeldung.

(Heinz Müller, SPD: Da wird gearbeitet. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Haushaltsmittel des Landes für Frauenhäuser und Beratungsstellen sind wie erwähnt zwar um bis zu 100.000 Euro gestiegen, allerdings – und auch das gehört zur Wahrheit – werden diese Mittel in unterschiedlicher Höhe auf die mehr als 30 Einrichtungen verteilt und bieten so am Ende lediglich ein Plus für Frauenhäuser und Beratungsstellen für Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt von wenigen Hundert Euro im Monat, wenn man diese Zahl 100.000 auf die Einrichtungen herunterbricht.

Damit können zwar geringe Sachkosten, aber keine Personalkosten gedeckt werden. Zudem müsste die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Frauenhäusern und Beratungsstellen unter Punkt Personalkosten dahin gehend geändert werden, dass der Schlüssel Belegungsplätze und Bezuschussung der Ausgaben für Vollzeitkräfte unter anderem in den Frauenhäusern angehoben wird. Frauen werden dort nicht nur stationär, sondern auch ambulant betreut. Im Jahr 2011 waren es insgesamt 736 Fälle.

Zudem bringen zwei Drittel der Frauen ihre Kinder mit. Der Betreuungsaufwand ist demnach weitaus höher als in der Richtlinie berücksichtigt. Den Landkreisen und kreisfreien Städten muss Unterstützung geleistet werden, damit in den Frauenhäusern und Beratungsstellen auch Fachkräfte mit pädagogischer und psychologischer Befähigung zur Betreuung der mitbetroffenen Kinder eingesetzt werden können. Hier entstehen also auch zusätzliche Kosten im Bereich der Jugendhilfe, denn für die Umsetzung dieser Aufgabe sind die Jugendämter zuständig.

Und die zusätzlichen Kosten im Bereich der Jugendhilfe werden permanent kritisiert, wie auch in dem Bericht des Präsidenten des Landesrechnungshofes vom Vorjahr. Und wenn man den Präsidenten des Landesrechnungshofes dann im Innenministerium fragt, im Innenausschuss fragt, Entschuldigung, was denn das Sozialministerium zum Beispiel mit seinen warnenden Hinweisen in der Zeit von 2010, 2011, 2012 gemacht hat, damit 2013, 2014 nicht wieder im Bericht drinsteht, dass die Kosten für die Jugendhilfe ausufern, erfährt man vom Präsidenten des Landesrechnungshofes nur Schulterzucken. Sozial ist das nicht, Frau Ministerin.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Och!)

Auch Modelle wie die Opferambulanzen an den rechtsmedizinischen Instituten an den Universitäten in Greifswald und Rostock müssen weiter begleitet und unterstützt werden. Sie haben sich als erfolgreiche Modelle bewährt. Dort können sich Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt untersuchen und die Befunde dokumentieren lassen. Das ist wichtig, wenn zwischen Tat und Anzeigeerstattung viel Zeit vergeht. Das Land muss auch hier die Finanzierung sicherstellen und dies entsprechend im Haushalt berücksichtigen. Das ist bislang nicht geschehen.

Die Gewährleistung ausreichender Hilfe- und Unterstützungsangebote für die Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt liegt nun einmal in der Zuständigkeit der Länder. Und so haben auch wir als Landesparlament und als Landesregierung hier eine große Verantwortung. Demnach sind sie für den niederschwelligen, uneingeschränkten und flächendeckenden Zugang zu den Hilfeangeboten, für die Ausgestaltung des Angebotes und das Schließen von Versorgungslücken verantwortlich.

In der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Frauenhäusern und Beratungsstellen heißt es, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern die Frauenhäuser, Beratungsstellen, Interventionsstellen, die Koordinierungsstelle sowie die Männerberatungsstellen (Täterberatungsstellen) mit Pauschalen für Personal- und Sachkosten ausstattet. Diese sind – so die gegenwärtige Lage, ich habe das dargestellt – entsprechend aufzustocken, damit pro Frauenhaus und Beratungsstelle Mittel für mindestens eine zusätzliche Fachkraft bereitgestellt werden können, um die Anforderungen zu erfüllen.

In der Richtlinie heißt es weiter, dass die Frauenhäuser und die Beratungsstellen für Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt den Auftrag haben, ich zitiere, „psychisch, physisch oder sexuell misshandelten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einen unmittelbaren Schutz, Beratung und Unterstützung bei der psychischen Verarbeitung ihrer Situation, der Planung des

weiteren Lebenskonzeptes und der Initiierung und Unterstützung der ersten Schritte dazu zu gewähren“. Zitat- ende.

„Darüber hinaus haben die … Einrichtungen“, wiederum Zitat, „Krisenintervention, Beratung und Begleitung der Schutz suchenden Betroffenen, Betreuung und Hilfen zur Aufarbeitung der Gewalterfahrung zu bieten. Die nachgehende Arbeit mit ehemaligen Frauenhausbewohnerinnen und deren Kinder ist Voraussetzung des Frauenhauskonzeptes.“ Zitatende.

So die Festlegung der Richtlinie, also die Theorie. Die Realität, meine sehr verehrten Damen und Herren, sieht an vielen Stellen leider anders aus.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aus Sicht der LINKEN.)

Und ich frage mich, Dr. Nieszery, warum die genannten Defizite von den Koalitionären nicht als solche erkannt und angepackt werden, damit die Richtlinie auch entsprechend umgesetzt werden kann. Sozial, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das nicht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Immer wieder wiederholen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluss zwei Bemerkungen zum vorliegenden Änderungsantrag der NPD-Fraktion – was ja schon an sich bemerkenswert ist, dass die NPD-Fraktion sich mit einem Änderungsantrag an dieser Debatte beteiligt.

(Udo Pastörs, NPD: Schaumschläger.)

Aus zwei Gründen werden wir diesen Antrag ablehnen:

Erstens eine inhaltliche Argumentation. Sie begehren, dass Stalking zusätzlich aufgenommen wird. Herr Müller, hätten Sie sich ein bisschen Mühe gemacht und den Evaluationsbericht der Parlamentarischen Staatssekretärin gelesen auf Drucksache 5/4368, hätten Sie merken können, dass dieses Feld schon längst aufgenommen ist. Dort heißt es, ich zitiere ganz kurz: „Seit 2009 beraten alle Interventionsstellen zudem Opfer von beharrlichen Nachstellungen (Stalking).“ Also inhaltlich ist Ihr Antrag schon mal erledigt.

Und ein Antrag, der die Unterschrift von Herrn Köster trägt, der Frauen schlägt, der kann nun wirklich keine Unterstützung dieses Hauses finden.

(Michael Andrejewski, NPD: Bla, bla, bla!)

Herzlichen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun noch einmal die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich will auf vieles, was Herr Ritter gesagt hat, gar nicht weiter eingehen, weil Herr Schulte hat mich ja gestern sozusagen zu Recht darauf hingewiesen, dass ich wahr

scheinlich eine falsche Denke habe, wenn es um Dialog geht,

(David Petereit, NPD: Nicht nur da.)

dass es sowieso am Ende nicht gelingt, die Linkspartei zu überzeugen von Fakten, wenn die Linkspartei der Meinung ist, dass sie sowieso nur recht hat.

Ich will zu zwei Dingen etwas sagen, zum einen zum Landesrechnungshof: Ich finde es sehr erstaunlich, dass wirklich die Linksfraktion sich immer – Hauptsache, es geht gegen die Landesregierung – jedes Arguments bedient. Das ausgerechnet hier beim Landesrechnungshof zu tun, ist genauso schädlich wie gestern die Unterstützung für Herrn Wilken gegen mehr Geld für Schulsozialarbeit und Familien. Ich kann Ihnen auch sagen, warum.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich kann mich gut erinnern und ich habe dadurch, dass ich mal Finanzbeamte war, ziemlichen Respekt vor der Arbeit und der Wichtigkeit des Rechnungshofes, aber trotzdem liegt auch der Rechnungshof, finde ich, nicht immer richtig. Und ich kann mich gut erinnern, dass der Rechnungshof schon Frau Dr. Seemann gequält hat mit Feststellungen, wo wir uns gefragt haben, ob die so richtig sind. Ich kann mich gut erinnern, wie sie in den Ausschüssen kämpfen musste, darzulegen,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

wie sie im Ausschuss sehr gut dargelegt hat, dass einige Sichtweisen so jedenfalls an der Praxis vorbeigehen. Und in Bezug auf die Sichtweise des Rechnungshofes, in Bezug auf die Sichtweise des Rechnungshofes zur Kinder- und Jugendarbeit ist die Sichtweise des Rechnungshofes so wie die von Herrn Wilken: Weniger Kinder- und Schülerzahlen müssen doch weniger Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe bedeuten. Und meine Einschätzung ist die, die man in der Praxis erlebt: Nicht zwingend führen sinkende Kinder- und Schülerzahlen dazu, dass man weniger tun muss. Wenn Sie natürlich die Sichtweise des Rechnungshofes unterstützen, dann handeln Sie sehr unsozial.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es. – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE, und Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hat er doch gar nicht gesagt.)

Und das Zweite, was ich noch anmerken möchte, Herr Ritter: Auch wenn Sie immer, heute nicht, aber überwiegend doch in sehr militärischem Ton die anderen anzählen, habe ich heute festgestellt, dass Sie ja sehr sensibel sind. Und ich darf Ihnen versichern, dass ich nicht zu wenig Aufmerksamkeit Ihrem Redebeitrag geschenkt habe durch Spielen am Handy, sondern in der Kita meines Sohnes ist heute ein Elternabend zum Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Ich hätte gern an diesem Elternabend teilgenommen, der Zeitplan hatte es auch dank der Unterstützung des Ältestenrates zugelassen. Ich habe dann meinem Mann eine SMS geschickt, dass es offensichtlich länger dauert und er es übernimmt. Ich hoffe, Sie gestatten der Familienministerin so viel Familienfreundlichkeit. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1543 abstimmen.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie ganz herzlich bitten, dass Sie mir noch etwas Aufmerksamkeit schenken. Wir sind beim vorletzten Antrag. Wir wollen hier noch einen Augenblick sitzen und deshalb verhalten Sie sich entsprechend der Geschäftsordnung des Hauses!