In jedem Fall hängt der therapeutische Erfolg aber davon ab, ob die nützlichen Wirkstoffe durch die Patienten in der korrekten Reihenfolge und Dosierung eingenommen werden und ob zusätzlich zu den Nebenwirkungen gegebenenfalls schädigende Wechselwirkungen mit den oftmals leider vielen anderen Wirkstoffen bestehen, die gleichzeitig konsumiert werden.
Die optimale Einnahme der verschriebenen Medikamente sicherzustellen, das ist die große Herausforderung für alle Ärztinnen, Ärzte und Pharmazeuten, gemeinsam im ambulanten und im stationären Bereich und natürlich auch an den jeweiligen Schnittstellen. Besondere Bedeutung bekommt das Medikationsmanagement in unserem Bundesland, in dem die Krankheitslast ohnehin höher ist durch viele Ältere und Hochbetagte, durch viele Adipöse, durch den vergleichsweise hohen Konsum an Alkohol und Zigaretten und durch zahlreiche weitere sozioökonomische Faktoren.
Sehr geehrte Damen und Herren, dies schlägt sich direkt im Medikamentenverbrauch nieder. Hinsichtlich der Menge an eingenommenen Tagesdosen nimmt Meck
Hierüber gibt es nicht zuletzt im Arzneimittel-Atlas 2012 des IGES Instituts wertvolle Informationen. Durchschnittlich rund 500 Euro Arzneimittelausgaben je Versichertem fielen 2010 und 2011 in Mecklenburg-Vorpommern an. Das sind rund 100 Euro mehr, als der durchschnittliche Bundesbürger an Medikamenten verbraucht, und das sind sogar 150 Euro mehr, als der durchschnittliche bayerische Patient einnimmt.
Auch die Zahlen der im SGB V geregelten Arzneimittelinformationen durch den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung sprechen auf unser Bundesland bezogen eine eindeutige Sprache. Während 1.000 Versicherte in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2001 noch rund 429.000 Tagesdosen verbrauchten, steigerte sich die Zahl der Tagesdosen auf rund 700.000 in 2011, also um sage und schreibe 63 Prozent. Damit lag unser Bundesland 2011 etwa 9 Prozent über dem Schnitt der ostdeutschen Bundesländer und 32 Prozent über dem Bundesschnitt.
Jenseits der für das Gesundheitswesen wichtigen Kostenanalyse und Mengenanalyse möchte ich verdeutlichen, dass Mehrfach- und Übermedikation fatale Folgen haben kann, bis hin zur Diagnose neuer, tatsächlich aber nicht vorhandener Erkrankungen. Ein durch die österreichische Pharmazeutin Anditsch 2012 beschriebener Fall veranschaulicht dies. Stellen Sie sich vor, eine 78-jährige Dame mit Herzerkrankungen, zu hohem Cholesterinwert, Typ-II-Diabetes, Depressionen,
kommt mit dem Symptom zunehmende Vergesslichkeit in ein Krankenhaus, sei oft unruhig, schlafgestört, habe Angstzustände und eine entsprechende Gehirnleistungsuntersuchung hätte vermutlich einen Demenzbefund und zusätzliche Medikamente für die Patientin ergeben. Die Analyse der bisherigen Medikamenteneinnahme der Frau brachten allerdings etwas ganz anderes zutage. Zur Linderung der zahlreichen Leiden schluckte die Dame tatsächlich täglich 14 verschiedene Medikamente,
und 6 dieser Medikamente reduzierten als Nebenwirkung die Konzentration eines wichtigen Nervenbotenstoffs im Gehirn. Und am Ende entstanden dadurch dieselben Symptome wie bei Demenz, aber ohne dass diese Krankheit tatsächlich vorhanden war.
Meine Damen und Herren, diesem Teufelskreis gilt es entgegenzuwirken, und wie letztlich auch bei der öster
reichischen Patientin muss für alle behandelnden Ärzte Klarheit herrschen, welche Wirkstoffe die Patienten zu sich nehmen, in welchen Mengen sie sie zu sich nehmen und welche wechselseitigen Wirkungen bestehen.
Und hier spielen neben den niedergelassenen Fachärzten die Hausärzte eine herausragend wichtige Rolle. Diese Zeichen der Zeit und die gemeinsame Verantwortung wurde von vielen beteiligten Akteuren hier in Mecklenburg-Vorpommern erkannt. Die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern stellte bereits 2007 fest, ich zitiere: „Mit der Einführung von hausarztzentrierten Versorgungsstrukturen ist es möglich, Überweisungen in den stationären Bereich, Doppelverschreibungen beziehungsweise doppelte Untersuchungen sowie die Verwendung nicht aufeinander abgestimmter Medikamente zu vermeiden.“
Exemplarisch für die Bemühungen hier in unserem Bundesland möchte ich an dieser Stelle auf jene Aktivitäten eingehen, die im Rahmen des von Ministerin Schwesig eingerichteten Runden Tisches zur Optimierung der Arzneimittelversorgung vereinbart wurden.
Und zu diesen unterstützenswerten und daher auch durch das Land geförderten Untersuchungen gehörte unter anderem der gemeinsame Bericht von der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern und der Universitätsmedizin Rostock über „Innovative Projekte zur Anpassung der Versorgung an die demografische Entwicklung in M-V“, erschienen im letzten Jahr.
Die zahlreichen beteiligten Wissenschaftler kommen in dem Bericht zu dem klaren Ergebnis, dass die medikamentöse Behandlung insbesondere älterer sowie chronisch und mehrfach kranker Menschen nicht nur optimiert werden muss, sondern dass sie auch optimiert werden kann, beispielsweise durch den Ausschluss der doppelten Einnahme gleicher Wirkstoffe, etwa infolge mangelnder Kommunikation zwischen Haus- und Fachärzten, insbesondere an der Schnittstelle Klinik und ambulanter Bereich, Stichwort Hausarztzentrierung, ebenso durch die Vermeidung der verwirrenden Auswirkungen häufiger Medikamentenwechsel im Zuge von Rabattverträgen und durch die verstärkte Einbeziehung von Patientinnen und Patienten in die Pharmakotherapie.
Hier soll und kann eine gezielte und konsequente Erfassung der täglich eingenommenen Medikamente, zum Beispiel im Rahmen eines stationären Aufenthaltes, aber auch in der Apotheke oder bei einer ambulanten ärztlichen Behandlung mit gleichzeitiger Prüfung aller Wirkstoffe auf Doppelungen, schädliche Wechselwirkungen und so weiter Übermedikation und die schädlichen Folgen verringern. Das hat die Untersuchung gezeigt.
Insofern wünschen wir uns und insofern setzen wir uns weiter dafür ein, dass diese und andere erfolgversprechende Kooperationen zwischen Ärzten, Pharmakologen, Pharmazeuten, Patienten und natürlich auch den Krankenkassen fortgesetzt werden, und vor allem wünschen wir uns, dass die Befunde auch in der tagtäglichen Versorgung aufgegriffen werden. Eine Verminderung von Übermedikation führt in der Folge zu einer Verbesserung der Patientengesundheit sowie zu einer Reduzierung der Gesamtkosten.
Und wir als Landtag mitsamt der Landesregierung sollten auch weiterhin alle Bestrebungen der beteiligten Akteure
in Mecklenburg-Vorpommern in diese Richtung unterstützen und wir sollten in diesem Sinne auch weiterhin wegweisende Projekte gezielt fördern. Ich bitte Sie in diesem Sinne um Zustimmung zu unserem Antrag und danke herzlich für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
(Torsten Renz, CDU: Nicht, dass die Redezeit nachher wieder nicht reicht mit 90 Minuten. – Torsten Koplin, DIE LINKE: Na mal sehen.)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch bei diesem Antrag der Regierungskoalition müssen sich SPD und CDU die Frage gefallen lassen, wozu dieser eingereicht wurde.
Auch hier wird ein Regierungshandeln begrüßt. Konsequenzen für Regierungshandeln, Konsequenzen für die Menschen in unserem Land bleiben diffus. Das ist bedauerlich.
Zunächst finde ich es bemerkenswert, dass SPD und CDU ein Problembewusstsein hinsichtlich der Versorgung mit Medikamenten entwickelt haben. Das ist deshalb bemerkenswert, weil die CDU-Fraktion im Bundestag erklärt hat, dass sie mit der Arzneimittelpolitik der Koalition zufrieden sei. Das sage ich deswegen, weil Arzneimittelpolitik vor allem im Bund gemacht wird.
Meine Damen und Herren, wir können aber nicht zufrieden sein, und ein Grund ist die Abgabe von Arzneimitteln. Diverse Studien – seien es der Arzneimittel-Atlas, Herr Barlen sprach davon, vom IGES Institut, der Arzneimittelreport der Barmer GEK oder der Arzneiverordnungs-Report des AOK-Bundesverbands – belegen es. Wir haben nicht nur im ambulanten ärztlichen Bereich eine Über-, Unter- und Fehlversorgung, sondern Gleiches lässt sich auch für die Versorgung mit Arzneimitteln feststellen.
Der Antrag der Regierungskoalition hätte deshalb gut und gerne weiter greifen sollen. Wir können nicht nur von einer Überversorgung von Medikamenten sprechen, ohne auch die Unter- und Fehlversorgung zu erwähnen. Leider konzentrieren sich die Antragsteller und die Landesregierung ausschließlich auf die Überversorgung, zumindest jetzt mit Blick auf diesen Antrag. Dabei ist das Problem der Unterversorgung virulent.
Zum Ende des letzten Jahres hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft vor einem Versorgungsnotstand bei Arzneien gewarnt. Nach Auskunft des zuständigen Mi- nisteriums waren auch Krankenhäuser in MecklenburgVorpommern betroffen. Laut einer repräsentativen Datenerhebung in hundert Krankenhäusern Deutschlands standen in einem Monat durchschnittlich vier bis sechs
In jedem fünften Fall mussten Patienten auf wirkungsärmere Alternativpräparate umgestellt werden. Die Situation ist also doch schon alarmierend.
In der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage dazu wird ausgeführt, dass Fälle, in denen Arzneimittelversorgung nicht sichergestellt ist, der Landesregierung nicht bekannt seien. Ein Blick in das erwähnte Papier der Krankenhausgesellschaft hätte gereicht, um zu einem anderen Schluss zu kommen. So viel zur sachgerechten Beantwortung Kleiner Anfragen.
Was tut nun die Landesregierung angesichts der alarmierenden Engpässe bei der Arzneimittelversorgung? Ich zitiere aus der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage: „Alle Vorhaben der Bundesregierung, die einer Vermeidung von Versorgungsengpässen dienen, werden seitens der Landesregierung unterstützt.“ Zitatende. Damit unterstützt die Landesregierung das Nichtstun des Bundes, denn dem Bundesministerium ist die Problematik seit über einem Jahr bekannt, es hat aber seit über einem Jahr dort sich nichts getan.
Das Problem fehlender Arzneien ist aber keineswegs auf die stationäre Versorgung beschränkt. Gestern erreichte mich die Information einer Mutter, die in einer Apotheke in Ribnitz-Damgarten die letzten Antibiotika für Kinder erwischt hat, obwohl die nächste Mutter mit einem kranken Kind danach Pech gehabt hat. Wo bleibt die gesetzliche Verpflichtung der Pharmaunternehmen? Denn, Herr Barlen, der Antrag, und das bedaure ich sehr, blendet den Bereich der Pharmaindustrie und die Einflussnahme der Pharmaindustrie aus.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die Verordnung erfolgt durch die Ärzte und nicht durch die Pharmaindustrie.)
Medikamente in ausreichendem Maße vorzuhalten? Und wo bleibt das Engagement der Landesregierung in dieser Frage? Ich denke, wir werden da noch Aufklärung er- halten.
Nun gibt es, wie ich eingangs gesagt habe, nicht nur eine Unterversorgung, sondern auch eine Übermedikation und es ist gut, Herr Barlen, und es ist gut, auch seitens der CDU, das will ich schon würdigen, dass sich dieses Themas angenommen wird.
Dass in unserem Land mehr Verordnungen als im übrigen Bundesgebiet vorgenommen werden, hat zahlreiche Ursachen. Hierzu gehören – die Aufzählung ist nicht abschließend –,