Protocol of the Session on January 31, 2013

und Einwohnern sind und somit auch mehr multimorbide Patientinnen und Patienten haben,

dass mehr Übergewichtige und mehr Alkoholkranke

als in anderen Bundesländern hier leben,

dass die Armutsquote höher ist – den Zusammen

hang von Armut und Krankheit brauche ich hier nicht besonders zu betonen –,

dass hierzulande pro Allgemeinmedizinerin und All

gemeinmediziner mehr Patientinnen und Patienten behandelt werden

und dass es eine hohe Rate an Selbstmedikation

Meine Damen und Herren, Übermedikation gewinnt dann eine besondere Dringlichkeit, wenn nicht nur ein, sondern mehrere Medikamente zum Einsatz kommen. Herr Barlen hat darüber gesprochen. Das Stichwort heißt also „Polypharmazie“. Gerade für ältere Patienten besteht hier die Gefahr von schwerwiegenden Gesundheitsproblemen. Nach Zahlen der KKH Allianz verdoppelt sich für Patienten, die mehr als fünf Medikamente einnehmen, das Risiko, innerhalb eines Jahres ins Krankenhaus zu kommen.

Und Herr Barlen hat ein Beispiel einer 78-jährigen Patientin geschildert. Ich habe mir in der Nähe von Sternberg bei einer Allgemeinmedizinerin am Montag dieser Woche ein anderes Beispiel illustrieren lassen: ein übergewichtiger Diabetiker, 70 Jahre, mit Bluthochdruck, …

(Torsten Renz, CDU: 70?)

… koronarer Herzkrankheit,

(Torsten Renz, CDU: 78, 70.)

Folgeschäden an Nieren,

(Torsten Renz, CDU: Dann können wir doch 74 nehmen, das ist der Durchschnitt.)

Füßen und mit Rückenschmerzen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Mehrfacherkrankungen verlangen danach, gleich einige Spezialisten aufzusuchen. Der Kardiologe behandelt Bluthochdruck und Herzbeschwerden, der Diabetologe den Zucker, der Nephrologe den Nierenschaden, der Hautarzt die Krampfadern, der Urologe die Prostata und der Orthopäde Beschwerden der Wirbelsäule. Da kommen rasch sieben bis zwölf Medikamente zusammen. Wer aber hat den Blick auf Wechselwirkungen und Verträglichkeiten? Ein nicht zu vernachlässigender Teil von Patienten nimmt dadurch unbeabsichtigt Medikamente der gleichen Wirkstoffgruppe ein. Nicht selten kommt es auch zu einer Doppelmedikation.

Wir schlagen seitens der LINKEN deshalb vor, die Rolle der geriatrisch geschulten Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner zu stärken.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Sie kennen ihre Patientinnen und Patienten,...

Danke für den Zuspruch, Herr Glawe. Es ist gut, dass wir da einer Auffassung sind, zumindest in dieser Frage.

… Sie sind in der Lage, eine Priorität der Beschwerden vorzunehmen. Sie sind in der Lage, ein Einnahmeschema für die Medikamente zu erstellen, und sie können den Krankheitsverlauf am ehesten kontrollieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, bei den Schlussfolgerungen und den Handlungsempfehlungen bleibt der von den Koalitionären in der Antragsbegründung erwähnte Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Polypharmazie unzureichend. Die elektronische Gesundheitskarte mit ihren theoretischen Speichermöglichkeiten für die verordnete Medikation wird aufgrund der zwingend erforderlichen Freigabe der Daten durch den Patienten nicht in jedem Fall greifen.

Die Schaffung einer Schnittstelle beziehungsweise einer Plattform zur Übermittlung und zum Austausch von Informationen zur Medikation wird hingegen empfohlen. Der Apotheke soll es damit ermöglicht werden, eine kontinuierliche Rücksprache mit den behandelnden Ärzten zur Verbesserung der Medikation durchzuführen. Die Ergebnisse eines solchen Vorgehens sind ermutigend. So wurde im Schnitt ein Medikament je Patientin oder Patient abgesetzt.

Aber was folgt nun daraus? Und das ist, wenn Sie die Zusammenfassung dieses Berichts lesen, der ist ja recht umfänglich und aussagefähig, sehr interessant zu lesen: Was folgt daraus? Als Schlussfolgerung wird die Fortsetzung der engen Zusammenarbeit zwischen der Apothekerkammer und der Universitätsmedizin Rostock vereinbart. Das ist gut. Wie und mit welchen Inhalten und vor allem mit welcher Reichweite dies passieren soll, bleibt offen.

Der Antrag der Regierungskoalition hätte einen wirklichen Mehrwert, wenn er diese Fragen beantwortet oder zumindest aufgeworfen hätte. Klar ist, dass wir eine Reduzierung des Medikamentenverbrauchs brauchen. Denn diese würde zu einer signifikanten Verringerung des Mortalitätsrisikos führen. Klar ist aber auch, dass mit den forschenden Pharmaunternehmen und den Generikaherstellern machtvolle Akteure auf dem Feld stehen, die kein betriebswirtschaftliches Interesse an einer Reduzierung des Medikamentenverbrauchs haben.

Angesichts dieser Kräfteverhältnisse sind die erwähn- ten Schlussfolgerungen im Abschlussbericht auch ein Zeichen von Hilflosigkeit. Die großen und eigentlichen Ansatzpunkte für eine Reduzierung der Übermedika- tion sehen anders aus. Wir brauchen – Position der LINKEN –, wir brauchen ein Werbeverbot für nicht verschreibungspflichtige Medikamente, weil auch diese zu unbeabsichtigten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen können.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stärkung des Patienten.)

Wir brauchen Medikamentenverpackungen, die für jeden Wirkstoff einheitlich gestaltet sind, sodass Doppeleinnahmen desselben Wirkstoffs unwahrscheinlicher – man kann es nie ganz ausschließen –, aber unwahrscheinlicher werden. Wir brauchen wie gesagt den geriatrisch geschulten Allgemeinmediziner, der einen Einnahmeplan von Medikamenten erstellt und auf Wechselwirkungen

kontrolliert. Überhaupt brauchen wir eine Stärkung der Position des Allgemeinmediziners. Und wir brauchen natürlich den mündigen, informierten Patienten und die Patientin.

Schließlich brauchen wir ganz allgemein ein stärkeres Eingreifen des Staates bei der Regulierung des Medikamentenmarktes, denn selbst Ärzte sehen sich bei der Bewertung neuer Produkte oft überfordert. Die Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) ist allenfalls ein Schrittchen in die richtige Richtung. Immer noch sind zu viele Medikamente auf dem Markt, die keinen Zusatznutzen haben, zumindest nicht für Patientinnen und Patienten. Diese Scheininnovationen verstopfen immer noch den Markt. Die Barmer GEK geht bei einer Substitution dieser Scheininnovationen durch Generika von einem Einsparpotenzial von sage und schreibe über 40 Prozent aus. Hier wäre die Positivliste erstattungsfähiger Medikamente eine Antwort, das Medikamentendi- ckicht zu lichten.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, DIE LINKE hat Ideen, um den unnützen und teilweise gefährlichen Medikamentenverbrauch zu verringern.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Die im Abschlussbericht zur Polypharmazie vorgeschlagene Maßnahme einer besseren Kommunikation zwischen den Ärzten und einer Steuerungsstelle bei den Apotheken zur Überprüfung der Medikation ist eine Anregung, die auch in sich schlüssig ist. Bevor wir jedoch neue Strukturen aufbauen, sollten wir lieber vorhandene nutzen, und hier ziele ich insbesondere auf den Hausarzt. Bei diesem sollten Informationen zur Medikation zusammenlaufen. Ich sage aber gleichzeitig, unabhängig von der Frage, wer die Lotsenfunktion für die Medikation übernimmt, diese Maßnahme allein wird nicht ausreichen, um das Problem der Übermedikation in den Griff zu bekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir stimmen dem Antrag zu, wenn auch unter Bedenken. Er berührt ein reales Problem, er verlangt ein stärkeres Bemühen zur dauerhaften Senkung des Arzneimittelverbrauchs und das ist auch unser Anliegen. Gleichwohl behandelt der Antrag das komplexe Thema nur in Ausschnitten und bleibt zu sehr im Vagen. Es ist notwendig, dass wir im Wege der Selbstbefassung Fragen der Verminderung von Über- beziehungsweise Unter- und Fehlmedikation in Mecklenburg-Vorpommern im Fachausschuss zu gegebener Zeit erneut aufrufen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Unser Votum habe ich hiermit begründet.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Renz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Redebeitrag von Herrn Koplin macht es mir etwas leichter. Ich kann also auf viele inhaltliche Dinge dann verzichten, weil Sie ja hier Zustimmung signalisiert haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jetzt haut er aber auf die Sahne.)

Ich hatte mir zwischendurch formuliert, wir nehmen das Lob dafür an,

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

dass wir das Thema richtig gesetzt haben. Dass Sie sogar Zustimmung in der Sache hier erklären,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Jaja. – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

das finde ich ausgesprochen positiv. Und ich muss ja auch sagen, der Antrag spricht für sich. Insbesondere das, was Herr Barlen schon dargestellt hat, die spezielle Situation in Mecklenburg-Vorpommern, was den Medikamentenverbrauch betrifft, macht das also deutlich, dass das ein Thema ist und dass es auch für unser Bundesland eine entsprechende Bedeutung hat. Er hat auch aus meiner Sicht inhaltlich ausgeführt, viele medizinische Aspekte aufgeführt, chronologisch hier alles hergeleitet, sodass mir nicht allzu viel übrig bleibt.

Ich will erklären, dass gerade die Aufklärung, die Gespräche zwischen Patienten und Ärzten sehr wichtig sind, die Kooperation, die er angesprochen hat, dass die fortgeführt werden müssen. Und wer im täglichen Leben steht, ob Verwandtschaft, Bekanntschaft und so weiter, weiß, was abläuft, gerade bei der älteren Generation, wenn wir dort diese Medikamentenschränke zu Hause öffnen, was da auf uns zukommt. Ob dann das Reden, ob Kooperationen in der Sache ausreichend sind oder auch die Vorschläge, die ich eben von den LINKEN gehört habe, was so Werbefeldzüge et cetera betrifft, das möchte ich mal so im Raum stehen lassen.

Ich will mich insofern anschließen, dass ich sage, ja, wir müssen in der Sache weiterreden und auch über konkrete Maßnahmen nachdenken, vielleicht auch über unpopuläre, die über Gesprächsrunden hinausgehen. Insofern freue ich mich, dass Konsens besteht und wir dem Antrag zustimmen. – Danke.