Protocol of the Session on January 30, 2013

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass bei einem dritten Ordnungsruf Sie sozusagen des Saales verwiesen werden.

(Udo Pastörs, NPD: Machen Sie ruhig, gnädige Frau! Das ist falsch.)

Jetzt

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

hat der Abgeordnete Herr Foerster

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jetzt kriegt er den dritten.)

von der Fraktion DIE LINKE

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

das Wort.

(Udo Pastörs, NPD: Die Geschäftsordnung sagt was anderes, Frau Präsidentin.)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin Schwesig, lassen Sie sich zunächst sagen, es gibt Abgeordnete, die ihre Reden selber schreiben, und Sie sollten vielleicht nicht von sich auf andere schließen, schließlich habe ich keinen solchen Apparat wie Sie hinter mir.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Erwartungsgemäß haben die Redner der Koalitionsfraktionen und auch Sie, Frau Ministerin, erneut deutlich gemacht, dass Ihnen das Problembewusstsein für das Thema „Langzeitarbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern“ genauso fehlt wie für die Notwendigkeit, arbeitsmarkt- politische Maßnahmen im Dialog zu erörtern. Und wirklich überraschen kann das nicht, Sitzungen des Landesbeirates zum aktuellen Arbeitsmarktprogramm haben Sie nach meinem Kenntnisstand noch nie besucht. So etwas hat es weder unter dem Arbeitsminister Helmut Holter noch unter dem Wirtschaftsminister Jürgen Seidel gegeben.

Mit dem Erwerbslosenparlament – nur nebenbei bemerkt: Träger des Regine-Hildebrandt-Preises – wollten im Oktober 2012 dann weder Sie noch Ihr Staatssekretär, noch Ihre Abteilungsleiterin sprechen, auch das ein Novum in der Geschichte dieser Veranstaltung, wie mir die Teilnehmer berichteten. Aber was hätten Sie da auch erzählen wollen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

spielt doch der im Landtagswahlkampf von Ihnen versprochene und nun vom Erwerbslosenparlament geforderte soziale Arbeitsmarkt keine Rolle mehr in Ihren Überlegungen. Und wenn dann die demokratische Opposition im Landtag dieses Anliegen in Form eines Antrages einbringt, dann fällt Ihnen nichts Besseres ein, als uns mit dem Vorwurf, dies sei eine unseriöse Forderung, zu diffamieren – mit Blick auf die Terminplanung zum Operationellen Programm eine geradezu absurde Unterstellung, haben Sie doch bereits Anfang Dezember 2012 den Begleitausschuss zu den Schwerpunkten und zur finanziellen Gewichtung des ESF informiert.

Bis Ende dieser Woche sollen alle Ressorts ihre Zuarbeiten abgeschlossen haben, damit im Februar der Entwurf vorgelegt, im März der Begleitausschuss diesen behandeln kann und im April die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission beginnen können. Ende Mai soll der vollständige Entwurf dann in der interministeriellen Arbeitsgruppe und im Begleitausschuss abgestimmt werden. Bereits im Juni 2013 entscheidet das Kabinett. Und der 30. Juni ist Ihrer eigenen Planung zufolge der Zieltermin für die Antragstellung in Brüssel.

Und deshalb, Frau Ministerin, meine Damen und Herren von SPD und CDU, kam der gemeinsame Antrag von Bündnisgrünen und LINKEN zum „sozialen Arbeitsmarkt“ im Dezember zeitlich genau richtig. Und deshalb kommt auch der heutige Antrag genau zum richtigen Zeitpunkt.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Es geht darum, neben den wichtigen Gesprächen mit den Sozialpartnern im Begleitausschuss auch den Dialog mit dem Erwerbslosenparlament und den Weiterbildungs- und Beschäftigungsgesellschaften im Land aufzunehmen und darüber zu sprechen, was aus deren Sicht mit den weniger werdenden EU-Strukturfondsmitteln geschehen soll. Denn abgeleitet aus den inhaltlichen Prioritäten und der sich anschließenden finanziellen Untersetzung entscheidet sich schließlich schon dann, was künftig im neuen Landesarbeitsmarktprogramm stehen wird. Wenn ich davon ausgehe, dass Sie von Ihrer Linie nicht abweichen und weiterhin kein Landesgeld für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in den nächsten Doppelhaushalt ein- stellen werden, dann ist der Dialog zur Verwendung der EU-Strukturfondsmittel doppelt wichtig.

Und wird dann der Landesbeirat zum ArBI, dem neben DGB und Unternehmerverbänden ja auch ein Vertreter des Erwerbslosenbeirates angehört, erst im März oder Juni 2013 das nächste Mal einberufen, dann sind alle Messen gesungen. Deshalb habe ich in der Einbringung vom sprichwörtlichen „Katzentisch“ gesprochen und deshalb sind Ihnen Schreiben des Erwerbslosenbeirates zugegangen, die eine aktive Einbeziehung in den Diskussionsprozess noch einmal nachdrücklich einfordern.

Und selbst die Vereinigung der Unternehmensverbände kritisierte am Dienstag das Gebaren der Landesregierung im Zusammenhang mit der Aufstellung des neuen OP. Ich zitiere mal aus der Pressemitteilung. Es hieß dort, Zitat: „Es müsse deshalb gemeinsam mit den Sozialpartnern sorgfältig geplant werden, wie das ,Saatgut der EU‘ für Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt werden soll, um die wirtschaftliche Entwicklung im Land effektiv zu fördern und dadurch auch eine nachhaltigere Armutsvor

beugung zu erreichen. ,Die Landesregierung hatte hinter verschlossenen Türen ihre Finanzplanungen bereits im September 2012 aufgestellt. Doch nun läuft die Frist bis zur Übersendung an die Europäische Kommission ab …‘“

Also ich möchte es noch mal deutlich sagen: Es ging um die inhaltliche Untersetzung in dieser Kritik und vor allem auch um die mangelhafte Kommunikation. Dem ist nichts hinzuzufügen. Und Ihr Versuch, den Zeitdruck kleinzureden beziehungsweise grundsätzlich in Abrede zu stellen, wird wiederum durch Ihre eigene Zeitplanung, die Sie noch im Dezember präsentiert haben, ad absurdum geführt. Unabhängig davon, wann die Entscheidung in Brüssel fällt und wie viel Geld unser Bundesland letztendlich bekommt, laufen doch die Planungen der einzelnen Maßnahmen weiter.

Deshalb fordere ich Sie auf: Gehen Sie auf die Partner der Arbeitsmarktpolitik im Lande zu, beziehen Sie diese transparent und zeitnah ein! Nehmen Sie die Anregungen auf und nehmen Sie diese vor allen Dingen auch ernst! Denn wer die Zielstellung der Armutsbekämpfung ernst nimmt, der muss die mindestens vorgesehenen 20 Prozent der ESF-Mittel auch entsprechend einsetzen. Führen Sie also einen echten Dialog und keinen Monolog!

Und da bleibt es dann auch bei unserer grundsätzlichen Kritik, dass neben den unterschiedlichen Formen von Beratungsleistungen – ob sie nun Jobcoach, Familiencoach im Quartier oder Prozessbegleiter für Alleinerziehende heißen – auch Projekte gestellt werden müssen, die auf Integration durch geförderte Arbeit, gerne auch in den Unternehmen zielen.

Und schließlich muss angesichts der überproportionalen Armut und Armutsgefährdung in unserem Bundesland auch die Frage erlaubt sein, ob die Mindestvorgabe der EU, 20 Prozent der Mittel für die Armutsbekämpfung einzusetzen, für unsere Verhältnisse überhaupt ausreichend ist.

Nun noch einige klarstellende Worte zum Thema Bürgerarbeit: Ihnen ist bekannt, dass es nicht nur vonseiten der Gewerkschaften und auch vonseiten der LINKEN bei Einführung des Bundesprogramms „Bürgerarbeit“ berechtigte Kritik gab. Doch bei allen Vorbehalten angesichts fehlender Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, geringer Entlohnung und sich daraus ergebenden Problemen bei Nichtvermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, möglichen Verdrängungseffekten und fehlender sozialpädagogischer Betreuung: Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass immerhin 1.768 Langzeitarbeitslosen im Land wieder eine Chance auf soziale Teilhabe und gesellschaftliche Integration eröffnet wurde, wenn denn alle bewilligten Plätze auch besetzt sind.

Diese Frauen und Männer haben, anders als bei den Arbeitsgelegenheiten, einen ordentlichen Arbeitsvertrag. Sie sind nicht nur Helfer, sondern sie erledigen wichtige Aufgaben im Sozial- und Umweltbereich, sie erfahren gesellschaftliche Anerkennung für ihre Arbeit. In Schwerin finden Sie Bürgerarbeiter beim Kinderschutzbund, beim Bauspielplatz, bei den Sportvereinen Eintracht und SSC, im Haus der Begegnung, beim Arbeitslosenverband oder im Jugendhaus Westclub One.

Diese positive Grundeinschätzung bestätigte auch ein groß angelegter Workshop zum bundesweiten Modellpro

jekt „Bürgerarbeit“ im Sommer 2012 in Güstrow, an dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jobcentern, Träger von Bürgerarbeit, Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen sowie in der Bürgerarbeit selbst beschäftigte, vormals langzeitarbeitslose Frauen und Männer teilnahmen. Alle Teilnehmenden betonten die Wichtigkeit der sozialpädagogischen Begleitung im Projekt. Sie forderten dezidiert die Fortsetzung der Landesförderung, und zwar flächendeckend, für die gezielte Integrationsbegleitung. Dieser Forderung kann man sich nur anschließen, denn es gibt keinen plausiblen Grund, sich zurückzuziehen. Auf die einschlägigen wissenschaftlichen Belege zur Notwendigkeit der Integrationsbegleitung habe ich hier schon oft genug verwiesen.

Jetzt wollen Sie, Frau Schwesig, als zuständige Landesministerin die Integrationsbegleitung auf wenige ausgewählte Träger und damit auch auf wenige Bürgerarbeiter beschränken. Zur Begründung führen Sie an, dass die Integrationsquoten in den ersten Arbeitsmarkt zu gering sind. Gleichzeitig präsentieren Sie den Trägern, die weiter gefördert werden, eine Zielquote von bis zu 20 Prozent für die weitere Förderung. Inwieweit haben Sie dabei und bei Ihrer Trägerwahl eigentlich die unterschiedlichen Gegebenheiten im Land berücksichtigt? Warum wollen Sie 1.000 Frauen und Männer von der Integrationsbegleitung ausschließen? Und was passiert eigentlich, wenn diese willkürliche Zielmarke nicht erfüllt wird? Fordern Sie dann von den beauftragten Trägern das Geld zurück?

Ich sage es hier noch mal: Dieses Vorgehen ist unredlich. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen, wenn Sie darauf verweisen, dass in anderen Modellprojekten mit ganz anderen Zielgruppen Integrationsquoten von bis zu 65 Prozent erreicht werden. Dass der damit befasste Bildungsträger hier in Schwerin eine hervorragende Arbeit leistet, ist unbestritten. Anders als Sie habe ich mir das selbst mehrfach vor Ort angeschaut. Aber eine junge Frau, die über eine gute Berufsausbildung verfügt und aufgrund familiärer Problemstellungen oder aufgrund von Betreuungsproblemen arbeitslos ist, kann schwerlich mit jemandem auf eine Stufe gestellt werden, der seit zehn Jahren arbeitslos und nun als Bürgerarbeiter unterwegs ist.

Und deshalb hilft ein Blick auf die Integrationsquoten vergleichbarer Projekte im Land. Wissen Sie eigentlich, über welche Größenordnung wir da reden?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die hören doch gar nicht zu, Henning.)

Bei den großen Trägern von knapp über 2 bis maximal 6,5 Prozent. Woran liegt das?

Um das zu verstehen, hilft es zum einen, sich in die Lage der Bürgerarbeiter zu versetzen. Sie waren jahrelang auf dem Abstellgleis und haben Transferleistungen empfangen. Sämtliche Vermittlungsversuche sind aufgrund ihres Alters, ihrer Gesundheit, mangelnder Mobilität oder anderen Entwertungen ihrer Schul-, Berufs- und Studienabschlüsse fehlgeschlagen. Die der jetzigen Arbeit vorgeschaltete sechsmonatige Aktivierungs- und Vermittlungsphase hatte ebenfalls keinen Erfolg. Ihr Fallmanager hat ihnen nun nach jahrelanger Arbeitslosigkeit einen Bürgerarbeitsplatz zugewiesen, vielleicht nur für ein Jahr, aber es ist immerhin kein Ein-Euro-Job. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten haben sie sich eingefuchst, haben

einen guten Stand bei den Kollegen, bekommen endlich einmal Anerkennung, unter anderem von den Besuchern der Einrichtungen. Sie haben endlich einen Arbeitsvertrag und sie können ihre Probleme mit einem Integrationsbegleiter besprechen. Dieser gibt ihnen wertvolle Hinweise, stellt Kontakte zu Hilfsangeboten her, erstellt Qualifizierungspläne und begleitet sie womöglich zu schwierigen Gesprächen. Sie fühlen sich endlich wieder gebraucht und nicht alleingelassen, weil sie jemanden haben, der ihnen hilft.

Es leuchtet wohl den meisten ein, dass ihnen in dieser Situation der zweite Schritt, nämlich das Verlassen des Bürgerarbeitsplatzes und der Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt, schwerfällt, vielleicht sogar unmöglich erscheint. Und für viele ist er auch noch nicht gangbar. Damit dieser Schritt überhaupt gelingen kann, brauchen sie die entsprechende intensive Begleitung und sie brauchen Zeit. Und deshalb müssen bei der Bewertung der aktuellen Integrationsergebnisse neben den zu integrierenden Frauen und Männern selbst auch die Integrationsbegleiter und ihre Arbeit beleuchtet werden. Also welche Ursachen liegen eventuell dort für die geringen Vermittlungsquoten?

Der Betreuungsschlüssel, ich hatte es in der Einbringung gesagt, ist schon aktuell mit einem Begleiter auf 68 Bürgerarbeiter – vorsichtig ausgedrückt – suboptimal. Aber ihn zu verkleinern, verringert die Chancen auf den Abbau der Vermittlungshemmnisse und verringert die Chancen für die Vermittlung selbst. Da, wo es keine Integrationsbegleiter gibt, tendieren die Chancen sogar gegen null. Deshalb fordern wir Sie mit unserem Antrag auf, die Koordinatoren flächendeckend weiterzufinanzieren und auch zu schauen, wo es Reserven gibt und wo beziehungsweise wie man die Arbeit verbessern kann.

Das Bundesprojekt läuft bis Ende 2014. Das wussten Sie, als Sie sich für den Weg der Finanzierung von Integrationsbegleitern entschieden haben. Normalerweise plant man dann auch die Mittel für die Integrationsbegleiter bis zum Ende der Maßnahme ein. Wenn Sie von vornherein etwas anderes mit den Jobcentern und Beschäftigungsträgern vereinbart haben, dann bin ich doch sehr verwundert über die heftige Reaktion. Kommunikation hat etwas mit Vertrauen und gegenseitigem Verstehen zu tun.

Ich bleibe bei meiner Einschätzung: Aus irgendeinem Grund scheint Ihnen das Geld auszugehen, und deshalb schieben Sie zu geringe Integrationsquoten vor, um sich in verantwortungsloser Weise aus der Finanzierung zu stehlen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Fürs Protokoll möchte ich noch mal klarstellen, dass ich natürlich einen Wortentzug meinte.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt worden, die Ziffer II Nummer 1 sowie die Angabe 2 zu streichen. Hierüber lasse ich zunächst abstimmen. Wer dem mündlich vorgetragenen Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den

bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der mündlich vorgetragene Änderungsantrag mit den Stimmen von SPD, CDU, der Fraktion DIE LINKE und der NPD abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa- che 6/1499 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1499 mit den Stimmen von SPD und CDU abgelehnt, bei Stimmenthaltung der Fraktionen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und NPD und bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Funktionsstellen an den Schulen dauerhaft besetzen – Arbeits- und Vergütungsbedingungen der Schulleitungen anforderungsgerecht gestalten, Drucksache 6/1497.