Protocol of the Session on January 30, 2013

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine oder ihre Stimme abgeben möchte?

(Die Abgeordneten Barbara Borchardt, Rudolf Borchert, Johann-Georg Jaeger und Jeannine Rösler werden nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.)

Haben alle ihre Stimme abgegeben? – Dann schließe ich die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche für zwei Minuten.

Unterbrechung: 19.15 Uhr

__________

Wiederbeginn: 19.16 Uhr

So, ich eröffne die Sitzung wieder.

An der Abstimmung haben insgesamt 53 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 5 Abgeordnete, mit Nein stimmten 48 Abgeordnete, niemand enthielt sich. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1489 gemäß Paragraf 91 der Geschäftsordnung abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Sternenkinder, auf Drucksache 6/1484.

Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Sternenkinder – Drucksache 6/1484 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Schlupp von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Antrag ist inhaltlich, wie Sie alle wissen, nicht neu. Mit unserem Antrag wollen wir endlich einem langen, wie ich meine, viel zu langen Werdegang den nötigen Nachdruck ver- leihen. Seit vielen Jahren wird auf Bundes- und Lan- desebene darüber nachgedacht, wie Müttern und Vätern von tot geborenen Kindern mit einem Gewicht unter 500 Gramm die Möglichkeit gegeben werden kann, ihrem tiefen Bedürfnis, Abschied zu nehmen und ihrem Kind dabei einen Namen zu geben, gerecht werden zu können, einen Namen, der Eltern und Angehörigen hilft, sich zu erinnern, einen Namen, der einem Kind zugedacht ist, das nicht die Chance hatte, sich selbst einen Namen zu machen.

Die Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern ist, wie auch in anderen Bundesländern, vorangegangen. Betroffene Eltern können ihr Kind bestatten. Unsere Landesregelungen ermöglichen den Eltern einen würdigen Abschied von ihrem Kind. Auf vielen Friedhöfen, in vielen Gemeinden gibt es diese Möglichkeit, aber es bleibt ein namenloser Abschied für die Eltern und für die Außenwelt.

Auch bundespolitisch hat die Entwicklung ihren Lauf genommen. Im Mai 2012 hat das Bundeskabinett einen Entwurf zur Änderung des Personenstandsrechts auf den Weg gebracht. Langwierig ist dieser Prozess bis zur Einbringung in den Bundestag vor wenigen Tagen gewesen. Aber ist damit unser Antrag obsolet? Ich denke, nicht, denn wir wollen keine weiteren Verzögerungen. Wir wollen, dass das Parlament hier und heute Position bezieht. Betroffene Eltern sollen, so schnell wie irgend möglich, ihr Kind beim Standesamt namentlich anzeigen dürfen. Sie sollen nicht länger auf ein Bestattungsrecht beschränkt sein, sondern sollen für ihr Kind durch die Anzeige dauerhaft – wie bei jedem Kind – die Existenz dokumentieren können. Wir werden nach der langen Zeit der politischen Debatten nicht mehr hinnehmen, dass ein tot geborenes Kind unter 500 Gramm Geburtsgewicht behandelt wird, als hätte es nie existiert.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Berichte und Briefe betroffener Eltern, die Trauerfeiern für die namenlosen Kinder haben, so denke ich, niemanden von uns unberührt gelassen. Jedem in diesem Haus gehen die großen Schwierigkeiten, einen solchen Verlust zu verarbeiten, nahe.

Ich bin auch sicher, dass viele von uns sich schon in der Situation befunden haben, einen solchen untröstlichen Verlust begleiten zu müssen. Ich selbst habe 1985 ein solches Kind verloren. Mir wurde damals allerdings sogar die Auskunft verweigert, ob es sich bei dem Kind um einen Jungen oder ein Mädchen gehandelt hat. Leider fehlte mir die Kraft, auf diese Auskunft zu bestehen. Es ging mir dabei nicht darum, dass mir das eine lieber

gewesen wäre als das andere, aber ich hätte dem Kind zumindest in Gedanken einen Namen geben können. Das hätte mir ganz andere Möglichkeiten gegeben, zu trauern und mich zu erinnern. Denn woran erinnere ich mich jetzt?

Deshalb ist es auch so wichtig und nicht nur eine reine Formalie, dass diese Kinder einen Namen bekommen. Die Bilder der tot geborenen Kinder und ihrer Eltern kann ohnehin niemand wegwischen. Diese Bilder bleiben. Wir sind deshalb erleichtert, dass der Weg für einen definierten Raum der Trauer und des Schmerzes endlich geschaffen wird und dass die betroffenen Eltern auch als solches wahrgenommen werden, als Eltern, als Familie.

In diesem Sinne kann es gar nicht schnell genug gehen. Es darf keine Verzögerungen geben, keine Verhandlungsspielräume. Der Entwurf liegt auf dem Tisch. Und wir wollen eine schnellstmögliche Verabschiedung ausdrücklich unterstützen und der Dringlichkeit Nachdruck verleihen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle wissen, dass wir den Schmerz durch eine Veränderung der Rechtslage nicht nehmen können, der Verlust ist zu bedeutend, aber wir können beim Abschiednehmen, bei der Bewältigung der Trauer helfen. Dafür steht unser Antrag, für den ich hier um Ihre Zustimmung werbe. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Den vorliegenden Antrag unterstützen wir nachdrücklich.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Den Eltern, die einen solchen Verlust während der Schwangerschaft erleiden müssen, sind wir es einfach schuldig, die vorgeschlagenen Änderungen schnellstmöglich umzusetzen. Der Wunsch, dass ein noch in der Anfangsphase der Schwangerschaft verstorbenes Kind auch personenstandsrechtlich erfasst werden kann, um so zum Beispiel eine Anerkennung mit einem Namen zu haben, ist von uns zu respektieren, ohne Wenn und Aber.

Der Personenstand – also Daten über die Geburt, den Tod sowie den damit in Zusammenhang stehenden familien- und namensrechtlichen Tatsachen – wird durch die Standesämter beurkundet. Aus der Definition des Personenstandes ergibt sich, dass die Beurkundung der Geburt lediglich bei Lebendgeburten rechtlich von Belang ist. Sie bezeichnet den Beginn der Rechtsfähigkeit im Sinne des BGB. Als Ausnahme hierzu hat der Gesetzgeber die Be- urkundung von Totgeburten in Paragraf 21 Absatz 2 Personenstandsgesetz angeordnet. Auf Wunsch der Sorgebe

rechtigten wird die Beurkundung um den Vor- und Familiennamen des Totgeborenen ergänzt. Fehlgeburten, die sogenannten Sternenkinder, werden nach derzeit geltender Rechtslage nicht beurkundet.

Nach Paragraf 31 Personenstandsverordnung liegt eine Lebendgeburt vor, wenn bei dem Kind entweder das Herz geschlagen, die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat. Eine Totgeburt liegt dann vor, wenn sich keines dieser Merkmale gezeigt hat, das Gewicht der Leibesfrucht aber mindestens 500 Gramm beträgt. Hat sich keines der Merkmale gezeigt und wiegt die Leibesfrucht weniger als 500 Gramm, handelt es sich also um eine Fehlgeburt. Und um genau diese Fehlgeburten geht es hier.

Der Bundesrat hat schon im Sommer 2012, wie bereits erwähnt, einen entsprechenden Beschluss gefasst. Im Rahmen der Evaluierung der personenstandsrechtlichen Vorschriften hatte die Bundesregierung eine Änderung der Personenstandsverordnung vorgeschlagen, die es den Sorgeberechtigten gestattet, eine Fehlgeburt anzuzeigen. Die Bescheinigung hierüber enthält bis auf die mögliche Religionszugehörigkeit des Kindes alle Angaben, die sich auch auf den Geburtsurkunden befinden. Diese auch vom Bundesrat – auch mit den Stimmen Mecklenburg-Vorpommerns – mitgetragene Lösung entspricht dem Anliegen des Antrages. Mit der Bescheinigung wird den Eltern von Fehlgeborenen die Möglichkeit eröffnet, die Geburt sowie die Existenz ihres Kindes zu dokumentieren. Zudem kann auf der Bescheinigung auch der Name des Kindes eingetragen werden.

In der Diskussion zur Personenstandsverordnung wurde auch erwogen, die Unterscheidungsgrenze von 500 Gramm zwischen Fehlgeburt und Totgeburt abzusenken oder aufzugeben. Eine Absenkung der Gewichtsgrenze zur Abgrenzung von Tot- zu Fehlgeburten wäre schon deshalb problematisch, weil die Gewichtsgrenze aufgrund von Empfehlungen der WHO weltweit festgelegt wurde. Eine einseitige Absenkung in Deutschland würde die Statistik sowohl innerhalb Deutschlands als auch im internationalen Vergleich beeinflussen. Außerdem hätte eine Fehlgeburt als Totgeburt zu beurkunden zur Folge, dass aus der Beurkundung die Tatsache einer Fehlgeburt als solche nicht zu erkennen wäre. Damit würde die Möglichkeit von Ansprüchen, wie zum Beispiel eben Mutterschutz, der auch nach Totgeborenen zu gewähren ist, in das Belieben der Beteiligten gestellt.

Die vom Bundesministerium des Innern vorgeschlagene Lösung ist daher sachgerechter. Der entsprechende Entwurf befindet sich im Gesetzgebungsverfahren, die Erste Lesung des Entwurfes im Bundestag wird im Februar nach meinem Kenntnisstand vorgenommen. In diesem Verfahren ist es notwendig, den Antrag vollumfänglich zu unterstützen. Auch wenn in unserem Bundesland der Bedarf bereits teilweise erkannt wurde und bisher Fehlgeburten auf Wunsch eines Elternteils nach dem Bestattungsgesetz M-V beerdigt werden konnten, so ist diese wichtige Regelung zur Bescheinigung nun auch auf Bundesebene zu fassen. Nur so kann eine Bescheinigung ausgestellt werden, die der Geburtsurkunde insofern gleichgestellt ist, dass auch ein Name eingetragen werden kann.

Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren, unterstützen Sie den Antrag im Interesse der betroffenen Eltern! – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens, die zwingend durch den Gesetzgeber geregelt und durch die vollziehende Gewalt kontrolliert werden müssen. Bei dem vorliegenden Antrag der Regierungskoalition ist genau das Entgegengesetzte der Fall. Hier wird ein Thema berührt, bei dem der Staat gut beraten ist, nur so viel zu regulieren, wie es unbedingt notwendig ist.

Niemand kann den Paaren den Schmerz nehmen, der mit einer Fehlgeburt verbunden ist, auch nicht der Gesetzgeber. Deswegen sind wir gut beraten, alles zu ermöglichen, was den Paaren hilft, den Schmerz zu lindern und die Bewältigung eines solchen Schicksalsschlages zu erleichtern. Wenn es der Wunsch ist, dem·verstor- benen Kind einen Namen zu geben, seine Existenz auch standesamtlich registrieren zu lassen, dann sollten wir dies ermöglichen.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Bundesministerium für Inneres in seiner Personenstandsverordnung seinerzeit eine Grenze von 500 Gramm Gewicht festgelegt hat, um eine standesamtliche Eintragung zu ermöglichen. Dies entspricht im Übrigen auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, zumindest lässt sich darauf kein Hinweis finden. Wenn wir uns das Personenstandsgesetz anschauen, dann ermächtigt der Gesetzgeber das Ministerium für Inneres, zwar Begriffsbestimmungen von Fehl- und Totgeburten vorzunehmen – Herr Innenminister hat gerade darüber gesprochen –, eine Restriktion, wie die Beurkundungsgrenze von 500 Gramm, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Diese Grenze soll mit dem vorliegenden Antrag nun fallen. Die Linksfraktion wird diesen Antrag aus den genannten Gründen auch unterstützen.

Von den Antragstellern hätte sich die Linksfraktion gleichwohl gewünscht, dass Sie in Ihrem Antragstext etwas konkreter geworden wären. Wenn man Ihre Forderung weiterdenkt, dann läuft diese auf eine Streichung des letzten Satzes in Paragraf 31 Absatz 3 der Personenstandsverordnung hinaus. Dieser schreibt fest, dass Fehlgeburten nicht standesamtlich beurkundet werden. Wenn dieser Satz fällt, tritt die übergeordnete Regelung des Personenstandsgesetzes in Kraft, nach der Fehl- und Totgeburten in das Geburtenregister einzutragen sind.

Damit komme ich zurück zum Grundsatz, den ich eingangs erwähnt habe. Die Eltern sollten die Wahlfreiheit haben. Staatliche Vorgaben sind auf ein unbedingtes Minimum zu beschränken. Deswegen habe ich eine Bitte an die Landesregierung: Wenn Sie sich zeitlich mit Nachdruck einsetzen, wie es im Antrag so schön heißt, dann achten Sie bitte darauf, dass die Freiwilligkeit garantiert ist. Der Bundesinnenminister schießt gelegentlich, wie wir wissen, übers Ziel hinaus. Das können wir bei diesem sehr emotionalen Thema nicht gebrauchen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Barlen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für Eltern, die den Tod eines un- oder soeben geborenen Kindes erlitten haben, ist es außerordentlich wichtig, einen Ort zu haben, wo sie trauern und ihres Kindes gedenken können. Wie bereits erwähnt erlaubt das Bestattungsgesetz in MecklenburgVorpommern schon heute die würdevolle Bestattung dieser Kinder. Die Möglichkeit zur Bestattung in Mecklenburg-Vorpommern ist jedoch nicht mit einer personenstandsrechtlichen Dokumentation verbunden. Aber auch diese wollen wir möglich machen und daher muss das Bundesrecht angepasst werden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch als Redner für die SPD-Fraktion noch mal die Kraft hervorheben, die ein Ehepaar in Deutschland hatte, nämlich Barbara und Mario Martin, die 2007 und 2008 insgesamt drei Kinder auf diese Art und Weise verloren haben. Und diese Eltern haben trotzdem den Mut gefunden neben ihrer Trauer, eine Petition auf den Weg zu bringen, die genau diese Änderung des Personenstandsrechts zum Ziel hatte. Diese Petition hat 40.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden und hat die Bundesregierung bewogen, eine entsprechende Änderung auch im Bundesrecht zu veranlassen.

Die Bundesregierung – mehrfach ist es gesagt worden – hat im Mai letzten Jahres den Entwurf des Personenstandsrechtsänderungsgesetzes, wie es technisch genau heißt, auf den Weg gebracht, und darin sind genau die erforderlichen Regelungen enthalten, nämlich solche, dass die betroffenen Eltern eine Geburt dauerhaft dokumentieren lassen und ihrem Kind somit auch offiziell eine Existenz geben können.

Der Gesetzentwurf hat den Bundesrat bereits im Juli 2012 passiert und wurde im August 2012 dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Seitdem stockt das Gesetzgebungsverfahren leider, weil sich die Koalitionsfraktionen hinsichtlich einiger Regelungen im Gesetzentwurf, die aber nichts mit dieser konkreten personenstandsrechtlichen Regelung zu tun haben, uneinig sind. Und mit Blick auf den sehr nachvollziehbaren Wunsch vieler betroffener Eltern sollte daher auch der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein deutliches Signal geben und es sollte auch die Landesregierung in Berlin aktiv werden und die Bunderegierung dort zu einer schnellen Einigung auffordern. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem gemeinsamen Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gajek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich zitiere: „Nur 275 Gramm wiegt ein winziger Säugling bei der Frühgeburt in Göttingen – und überlebt! So weit hat es der medizinische Fortschritt schon gebracht. Deshalb ist es für werdende Eltern bestürzend, wenn zur Trauer über eine Totgeburt noch die Erfahrung dazukommt, dass ihr Kind nicht würdig bestattet wird, weil es nach der geltenden Rechtlage bis zu einem Gewicht von 500 Gramm als Fehlgeburt betrachtet und nicht einmal in die Personenstandsregister eingetragen wird.“ Zitatende.