Und jetzt wird es Sie nicht überraschen, ich hatte vor geraumer Zeit eine Dienstberatung im Schulamt Greifswald und habe den Schulräten genau diesen Auftrag gegeben, mit den Regionalen Schulen zu sprechen. Ich hatte selber in der Lehrersprechstunde in Greifswald vor ein paar Wochen zwei Regionalschulleiter von der Insel Rügen. Und ich habe denen das genau dargelegt und gesagt, da würde ich sie jetzt drum bitten, dass sie das tun, dass sie miteinander sprechen, ob sie bereit sind, diesen Weg zu gehen. Wenn sie ihn gehen wollen, dann müssen sie bitte sagen, wie sie sich das vorstellen ungefähr, denn sie müssten das auch einigermaßen einheitlich machen. Und wenn sie das machen, dann können wir gerne über die Frage diskutieren, ob wir eine solche Systemumstellung in der Freiwilligkeit wie beim Grundschulbereich vornehmen, denn das gibt unser Schulgesetz her.
Und selbstverständlich wird das Bildungsministerium dann auch die Weiterbildung zur Verfügung stellen – der Abgeordnete Butzki hat im Ausschuss darauf verwiesen –, um dieses Modellprojekt zu begleiten beziehungsweise dieses Vorhaben. Aber es wäre dann immer noch kein Modellprojekt, sondern es wäre ganz normal die Umsetzung des Schulgesetzes, das in dieser Fassung seit 1996 bereits gilt. Es gibt dort überhaupt gar keine Zaubereien, die man veranstalten muss.
Was Ihre Punkte angeht, habe ich zu c) und b) schon etwas gesagt. Der Punkt d) hat mich etwas überrascht. Was sind die „zusätzlichen Kosten, die für den Schulträger durch die wissenschaftliche Begleitung entstehen“, und zwar, über die man wirklich nennenswert und sinnvoll reden kann? Also ich bekomme Schreiben von Bürgermeistern, die sich für das Modell starkmachen, und diese Bürgermeister kann ich nur daran erinnern, die UN-Behindertenrechtskonvention ist von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und gilt für Gemeinden genauso wie für das Land. Also wird sich jeder seiner Herausforderung stellen müssen und die Kosten zu tragen haben, die auf seiner Ebene damit entstehen. Es wird mit Sicherheit nicht so sein, dass durch das Land jetzt in Zukunft jede Kopie, die vielleicht in einer Schule angefertigt werden muss und vom Schulträger zu bezahlen ist, bezahlt werden wird.
Gewundert hat mich der Punkt a) deshalb, weil ich es nicht für sachgerecht halte, durch einen Landtags- beschluss vorherzubestimmen, wer eigentlich der richtige Wissenschaftler ist, um ein solches Projekt zu begleiten. Ich kenne das so, dass in einem Auswahlverfahren die Besten gewonnen werden für eine solche Aufgabe, und nicht, dass ein Landtag sagt, die machen das. Denn die erste Frage, die man sich ja stellen muss, ist: Können die das denn? Verfügen die über die ausreichenden Forschungs- und Arbeitskapazitäten? Haben sie überhaupt Erfahrung im Bereich der Sekundarstufe? Herr Hartke ist ein spezialisierter Sonderpädagoge, hat in der Grundschule sehr viel Erfah
rung. Aber weiß er, was es bedeutet, in einer inklusi- ven Klasse Astronomie zu unterrichten, und was das für eine didaktische Herausforderung für einen Lehrer ist?
Deswegen, meine Damen und Herren, ist selbstverständlich, dass wir uns doch darüber unterhalten werden, wie man wissenschaftlich unterstützen kann. Aber ich fürchte, wir haben in ganz Deutschland ein Problem, nämlich, wir sind nicht die Einzigen, die auf die Idee der Inklusion gekommen sind, sondern in ganz Deutschland werden diese Fachleute gebraucht und im weiterführenden Bereich ist das sehr differenziert. Es gibt nicht sehr viele, die auf hohem Niveau sich mit dieser Thematik bisher beschäftigt haben, denn wir stehen am Anfang einer Entwicklung. Wir haben nicht 20 Jahre Inklusion hinter uns und haben Fachleute ohne Ende, sondern wir stehen am Beginn.
Und deswegen wird es eine große Herausforderung sein, im weiterführenden Bereich eine angemessene wissenschaftliche Begleitung – ich würde wirklich von wissenschaftlicher Begleitung, von einem Coaching sprechen – zu organisieren, aber Sie können davon ausgehen, dass, wenn die Rügener Schulen diesen Entschluss fassen sollten, diesen Weg gemeinsam gehen zu wollen, wir auf den Ebenen Ressourcensteuerung, Weiterbildung und wissenschaftliche Unterstützung das tun werden, was möglich und nötig ist, damit die Kolleginnen und Kollegen dort arbeiten können. Aber das ist etwas anderes als die Übertragung eines Grundschulmodellprojektes auf die Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6.
(Heinz Müller, SPD: Oh! – Dr. Margret Seemann, SPD: Oh, der Bildungsexperte! – Stefan Köster, NPD: Und was sind Sie, Frau Dr. Seemann?)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum der vorliegende Antrag der GRÜNEN allein aus formalen und wissenschaftlichen Gründen abgelehnt werden muss, das haben wir bereits gehört.
In der Begründung des Antrags heißt es, das Ziel, Schüler mit und ohne Förderbedarf gemeinsam zu beschulen, sei inzwischen unstrittig. Dem widerspreche ich entschieden. Wir sind nach wie vor gegen die von Ihnen angestrebte Inklusion und halten den eingeschlagenen Weg für falsch.
Immer wieder ziehen Sie die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen heran, die als Bundesgesetz auch Wirkung in der BRD entfaltet. Und so, wie Sie das Gesetz auslegen, sei es diskriminierend, wenn behinderte und normale Kinder nicht gemeinsam beschult würden. Es sei diskriminierend, wenn das nicht an jeder Schule geschehe, und überhaupt sei das ganze bisherige Schulsystem im Grunde von Diskriminierung geprägt.
Sie sollten versuchen, die Erklärung mal in ihrer Gesamtheit zu erfassen, denn in dieser heißt es auch: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ Die „Grundsätze dieses Übereinkommens sind: … die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen …“
Und zu den Zielen der Übereinkunft zählen „wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet“. Integration soll im Rahmen „angemessener Vorkehrungen“ erfolgen. Diese sind „notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen“.
Im Artikel 24, das ist der, wo es um Bildung geht, fällt ein einziges Mal das Wort „integrativ“, und dieses wird relativiert, indem nur von einem „Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet“, die Rede ist. Dass diese Entwicklung ein inklusives System voraussetzt, ist, freundlich gesagt, ein linker Mythos. Kurz gesagt: Dabei sein ist nicht alles und schon gar nicht um jeden Preis. Selbst in der Landesverfassung steht, dass jeder nach seiner Begabung das Recht auf freien Zugang zu allen öffentlichen Bildungseinrichtungen zu haben hat. Und damit ist wohl kaum die gefährliche Gleichmacherei gemeint, die Sie betreiben.
Wir sind der festen Überzeugung, dass Förderschulen und Förderklassen die bessere und gerechtere Integration von Behinderten in das Bildungssystem darstellen, sofern diese Sonderpädagogen bedürfen. Wenn Sie so tun, als sei eine Behinderung nur ein Ausdruck der Vielfalt des menschlichen Daseins, ignorieren Sie dabei, dass diese Vielfalt durchaus mit Einschränkungen verbunden ist. So ist diese Gleichmacherei doch schon eine Diskriminierung per se.
In der Konsequenz dieses Denkens dürfte es dann auch keine Wahlaltersgrenzen geben. Das Lebensalter ist ja dann auch nur ein Ausdruck menschlicher Vielfalt.
Wäre es gerechter, einen Grundschüler in eine Abiturklasse zu setzen, wo dieser vor den gestellten Matheaufgaben verzweifelt, dann aber für das gute Gewissen aller Beteiligten einen Mathesonderlehrer an die Seite gestellt bekommt? Die NPD hält das starre Festhalten an dem selbstinterpretierten Wortlaut der UN-Konvention für ein Vehikel linker Gleichmacherideologen, das letzten Endes das gegliederte Schulsystem abschaffen soll und die Einheitsschule herbeibringen soll.
Wir lehnen nicht nur den vorliegenden Antrag, wir lehnen auch den Irrweg Ihrer Inklusion entschieden ab. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeden einzelnen unserer Anträge wägen wir sehr genau ab – warum wir ihn stellen, wie wir ihn stellen, mit welchem Wortlaut wir ihn stellen. Und trotzdem bin ich mir selten so sicher, mit einem Antrag richtig zu liegen, wie ich es mir bei diesem Antrag bin.
Wenn ich Ihren Reden zuhöre, habe ich das Gefühl, dass ich fast ganz alleine bei der Bildungsausschusssitzung in Bergen gewesen bin, dort, wo Grundschullehrer/-innen, Grundschulleiter, Grundschuleltern,
Grundschuleltern davon geschwärmt haben und darum geworben haben, uns eigens dazu eingeladen haben, um darum zu werben, das Projekt PISaR weiterzuführen in der Orientierungsstufe.
und damit möchte ich auf Ihre Rede zurückkommen –, gerade weil bei dieser Sitzung eben nur Grundschullehrer/-innen und Grundschulleiter anwesend waren, haben wir uns die Mühe gemacht, unseren Antragsentwurf an alle Schulleiterinnen beziehungsweise Schulleiter aller Regionalschulen auf Rügen zu schicken. Das sind acht insgesamt. Und ich kann Ihnen sagen, dass wir innerhalb kürzester Zeit, nämlich innerhalb von 48 Stunden, von vier Schulleitern Unterstützung bekamen.
sie haben konstruktive Hinweise gegeben. Zitieren möchte ich nur einen einzigen Satz, der, glaube ich, nämlich beweist, wie richtig wir mit unserem Antrag liegen.
Das war der abschließende Satz einer Schulleiterin, und der lautet: „Ich wünsche uns viel Erfolg für den von Ihnen vorbereiteten Antrag.“
(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Margret Seemann, SPD: Sie haben das fachlich überhaupt nicht verstanden. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Auf eine Frage von Herrn Brodkorb, wie setzen sich diese 1.000 Euro, die die Schulträger sich wünschen, zusammen, möchte ich sagen, dass es hier nicht um die zusätzlichen Kosten geht, die durch Inklusion entstehen, sondern es geht uns um die Übernahme der zusätzlichen Kosten, die durch die Evaluation entstehen. Denn dass die Schulen wissenschaftlich begleitet werden, bedeutet, dass jeder einzelne Test, den die Schüler schreiben, einmal kopiert werden muss, von den Wissenschaftlern korrigiert wird, eingesehen wird, ausgewertet wird. Das hat zur Folge für eine Jahrgangsklasse, für eine Jahrgangsstufe an den Grundschulen nur alleine für die Stadt Bergen Kopierkosten von 1.000 bis 1.200 Euro. Also, wie gesagt, es geht nicht um zusätzliche Kosten durch Inklusion, sondern zusätzliche Kosten durch die wissenschaftliche Begleitung. Das können wir durchaus, das war auch eine Frage von Herrn Reinhardt, aus Landesmitteln bezahlen.
Auf Frau Oldenburg möchte ich nur erwidern, Sie sagen zu diesem Antrag, wir brauchen Zeit, und stellen gleichzeitig fest, der Antrag kommt zu früh. Gerade weil wir Zeit brauchen, um die von Ihnen angesprochenen und auch bei uns im Antrag erwähnten Probleme zu lösen, um uns Gedanken zu machen, wie soll die Weiterbildung aussehen, wie viele zusätzliche Lehrkräfte benötigen wir, wie viele zusätzliche Sonderpädagogen benötigen wir, genau deshalb müssen wir jetzt anfangen, uns darüber Gedanken zu machen.
Unser Antrag ist deshalb kein vorschneller Entschluss, sondern eine bewusste Entscheidung für die Weiterführung eines funktionierenden Modellprojektes. Und auch, wenn Sie sagen, wir brauchen noch ein Jahr und dann können wir uns für diesen Antrag entscheiden, muss ich sagen, dass Ihr Argument dann nämlich nicht mehr zieht, dass wir auf den Abschlussbericht warten müssen. Warten wir auf den Abschlussbericht, brauchen wir nämlich noch zwei Jahre.