Protocol of the Session on December 7, 2012

Wir wissen, Arbeitslose und insbesondere Langzeitarbeitslose haben im Durchschnitt einen deutlich schlechteren Gesundheitszustand sowie deutlich höhere gesundheitliche Belastungen und weniger gesundheitliche Ressourcen als Erwerbstätige. Da haben Sie vollkommen recht. Deshalb haben wir besonders gesundheitsfördernde Maßnahmen entwickelt, an denen zwischen Juni 2011 und Oktober 2012 bereits etwa 500 Frauen und Männer teilgenommen haben. Hier erwarten wir bis Jahresende noch eine deutliche Steigerung der Teilnehmerzahlen. Außerdem haben wir über 25 Kleinprojekte mit gesundheitsfördernden Inhalten wie Sport und Ernährung in 2012 gefördert. Mit diesem Angebot sollten neben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in den Integrationsprojekten weitere langzeitarbeitslose Frauen und Männer und ihre Familien im Land erreicht und für eine gesunde Lebensweise sensibilisiert werden.

Auch im Bereich der Jobcenter in Mecklenburg-Vorpom- mern wird öffentlich geförderte Beschäftigung nach wie vor umgesetzt. Im Vergleich zu Ostdeutschland werden in Mecklenburg-Vorpommern deutlich mehr Arbeitsgelegenheiten pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten durch- geführt. Die Tendenz allerdings ist rückläufig. Das hat einerseits mit einer stärkeren Vermittlungs- und Qualifizierungsorientierung zu tun, die aber gerade für den Kreis der Langzeitarbeitslosen immer weniger erfolgreich ist.

Frau Schwesig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Foerster?

Nein.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Abgeschmettert. Vielleicht stellst du hier auch noch Fragen!)

Vor allem geht das aber ganz eindeutig auf die Mittelkürzung im Eingliederungsbudget zurück.

Bezug nehmend auf den bereits genannten Entschließungsantrag gilt für mich deshalb: Öffentlich geförderte Beschäftigung muss neu gestaltet werden. Ein qualitatives Profiling muss zunächst abklären, ob eine Vermittlung in reguläre Beschäftigung in absehbarer Zeit möglich ist. Damit wird der Personenkreis klar definiert. Zugang zur öffentlich geförderten Beschäftigung muss

für alle Arbeitgeber möglich sein, wodurch eine größtmögliche Nähe zu regulären Beschäftigungsverhältnissen geschaffen wird. Tarife und ortsübliche Löhne gehören ebenfalls dazu. Die Förderung erfolgt durch die Gewährung eines Minderleistungsausgleiches, der jährlich überprüft und angepasst wird. Um alle Beteiligten des Arbeitsmarktes einzubinden, sind die örtlichen Beiräte zu beteiligen. Zur Finanzierung sollen die eingesparten passiven Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes herangezogen werden und ein sogenannter PassivAktiv-Transfer erfolgen.

Dies sind sehr konkrete qualitative Anforderungen für die Ausgestaltung öffentlich geförderter Beschäftigung. Hier ist die Bundesregierung gefordert, die entsprechend verlässlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, denn anders als im Antrag formuliert, „unter Nutzung der Möglichkeiten des sogenannten Passiv-Aktiv-Tausches“, gibt es bisher hierzu gar keine gesetzliche Grundlage.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Aus diesem Grund gibt es in Baden-Württemberg auch nur ein Modellprojekt, denn das ist eindeutig eine Förderung, die durch den Bund zu regeln und zu finanzieren ist. Baden-Württemberg nimmt allein im ersten Förderjahr 4 Millionen Euro in die Hand, um zu zeigen, dass der Weg des Passiv-Aktiv-Tausches sinnvoll und erfolgreich sein kann. Das ist viel Geld und nicht mal eben aus der Portokasse zu finanzieren.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Habe ich doch gerade gesagt.)

Ich habe bei der Einbringung des Antrages auch keinen seriösen Finanzierungsvorschlag gehört. Wir beobachten das Projekt mit großem Interesse und sind im engen fachlichen Kontakt mit den dortigen Kolleginnen und Kollegen.

Bezogen auf das Operationelle Programm für die ESFFörderperiode gilt ganz klar: Wir werden auch in der neuen ESF-Förderperiode aktive Arbeitsmarktpolitik ge- stalten. Die konkrete Ausgestaltung hängt maßgeblich davon ab, wie viel ESF-Mittel Mecklenburg-Vorpommern in der neuen Förderperiode erhalten wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dies noch völlig unklar. Die Positionen der EU-Kommission, des Europaparlaments und der einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zur Finanzausstattung der Strukturfonds und insbesondere der ESF unterscheiden sich noch grundlegend. Dass die EU noch nicht mal ihren Haushalt beraten hat und damit immer noch offen ist, wann und wie viel Geld kommt zu uns, zeigt, dass es unseriös wäre, wenn der Landtag heute schon Geld ausgibt, wo wir noch nicht mal wissen, wann und wie viel kommt.

Und es zeigt wieder, wie unseriös der Antrag ist, sehr geehrter Herr Foerster, und dass die GRÜNEN, die sich immer gerne damit schmücken, dass sie für nachhaltige Politik stehen, solche unseriöse Vorschläge mitmachen, Geld ausgeben, was wir noch nicht mal haben – und wir werden wahrscheinlich so wenig kriegen, dass wir die Dinge, die wir zurzeit machen, nicht mal ausfinanzieren können –, das wundert mich dann doch schon sehr.

(Egbert Liskow, CDU: So sind die GRÜNEN.)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, abschließend möchte ich Ihnen mitteilen, dass sich die Gremien

des Bund-Länder-Ausschusses im nächsten Jahr intensiv mit der Frage beschäftigen, welche Maßnahmentypen für eine existenzsichernde und nachhaltige Integration gebraucht werden und welche Elemente genutzt werden können, wie zum Beispiel Gesundheitsmanagement und familienorientiertes Vorgehen, um Langzeitarbeitslosen zu helfen. Hier sind wir gerade in Mecklenburg-Vorpom- mern mit entsprechenden Projekten Vorreiter.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat letzte Woche einen Beschluss gefasst, dass die nicht verausgabten Mittel des Eingliederungsbudgets auf das kommende Jahr übertragen werden können und ausreichende Verpflichtungsermächtigungen für das Folgejahr sicherzustellen sind. Diesen Beschluss haben alle 16 Länder parteiübergreifend gefasst. Nun ist der Bundesgesetzgeber gefragt.

Sie sehen also, wir unternehmen viel, um die Teilhabe für Langzeitarbeitslose am Arbeitsmarkt zu verbessern. Deshalb bedürfen wir des vorliegenden Antrags nicht. Dazu kommt, dass er unseriös ist.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wie bitte?)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Frau Schwesig.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gajek.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich eingangs sagen: Die Erprobung eines Modellprojekts „Sozialer Arbeitsmarkt“ und eines Passiv-Aktiv-Tauschs ist möglich und es ist kein Zufall, dass aus Baden-Württemberg innovative Impulse zur Gestaltung eines sozialen Arbeitsmarktes kommen, schließlich tragen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dort Regierungsverantwortung, und dass in einem Bundesland wie Baden-Württemberg, das sehr viel weniger an struktureller Arbeitslosigkeit leidet als MecklenburgVorpommern, die Notwendigkeit gesehen wird und der Mut da ist, ein solches Projekt zu starten.

(Zuruf von Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

Das hat damit zu tun, dass auch dort die Schere aus- einanderklafft, die Schere zwischen denen, die Arbeit haben und denen, die dauerhaft außen vor bleiben. Wir wollen verhindern, dass sich diese Schere weiter öffnet.

Den Vorwurf, Frau Schwesig, weise ich zurück, dass es sich um einen unseriösen Antrag handelt. Das finde ich mittlerweile eine Frechheit.

(Beifall von Henning Foerster, DIE LINKE)

Kollege Foerster hat in seiner Einbringungsrede schon viele Zahlen und Fakten genannt.

(Marc Reinhardt, CDU: Genosse Foerster! Schreiten Seit‘ an Seit‘.)

Lassen Sie mich einfach noch einmal kurz und knapp die Strukturen beschreiben, wie wir sie am Arbeitsmarkt in unserem Bundesland vorfinden.

Lang anhaltende Erwerbslosigkeit, ein Anstieg prekärer Beschäftigungsformen, immer noch sehr unterschiedliche Bildungschancen – diese Faktoren markieren deutliche Risse in unserer Gesellschaft.

Der Arbeitsmarkt in unserem Bundesland ist geprägt von zwei gegenläufigen Entwicklungen: Während auf der einen Seite der Fachkräftemangel wächst, verfestigt sich auf der anderen Seite die Arbeitslosigkeit. Von den aktuell 94.900 Menschen, die laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit im November dieses Jahres in unserem Bundesland arbeitslos gemeldet sind, befinden sich rund 70 Prozent im Bereich des SGB II. Das, meine Damen und Herren, sind verfestigte Strukturen der Langzeitarbeitslosigkeit, die wir aufbrechen müssen!

Wer die Arbeitslosenzahlen über die Jahre aufmerksam begleitet, stellt fest,

(Torsten Renz, CDU: So wie Sie.)

dass die Rückgänge der Arbeitslosigkeit im Wesentlichen demografischen Effekten geschuldet sind.

(Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Auch die jahreszeitlichen Zyklen der Arbeitslosigkeit,

(Heinz Müller, SPD: Nennen Sie doch mal Zahlen, Frau Gajek!)

Rückgänge ab April/Mai und ein erneuter Anstieg ab Oktober sind ein deutlicher Indikator dafür,

(Torsten Renz, CDU: Das machen Sie sich aber sehr einfach.)

dass die Wirtschaftsstruktur in unserem Bundesland stark durch saisonale Einflüsse geprägt ist. Hier braucht es neue Konzepte, gerade auch in der Verzahnung von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Schlagen Sie mal was vor!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Konzept des sozialen Arbeitsmarktes allein werden wir den Fachkräftemangel nicht beheben. Dafür sind flankierende Konzepte erforderlich, eine grundlegende Neuordnung am Arbeitsmarkt und die Schaffung qualifizierter, nachhaltiger Arbeitsplätze, mit anderen Worten, ein ambitioniertes Gesamtpaket, das die Landesregierung bisher vermissen lässt.

Worum es angesichts der Dimension an verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit aber gehen muss und mit dem von uns vorgeschlagenen Pilotprojekt „Sozialer Arbeitsmarkt“ auch gehen soll, das sind Integrationsmöglich- keiten für diejenigen, die zu den Verliererinnen und Verlierern der derzeitigen Arbeitsmarktpolitik zählen.

Für sie gibt es aufgrund der sogenannten Instrumentenreform und der massiven Mittelkürzungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik immer weniger adäquate Angebote.

Frau Gajek, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Renz?

Nein, Frau Präsidentin.