Protocol of the Session on December 6, 2012

(Beifall Marc Reinhardt, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Ja, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war natürlich eben sehr geschickt, zunächst einmal meinen Parlamentarischen

Geschäftsführer in seiner Rede vom letzten Jahr hier zu zitieren, als es um einen gleichlautenden Antrag der Bündnisgrünen ging. Gleichwohl muss ich dazusagen, das war im letzten Jahr so. Wir halten uns natürlich auch an die Koalitionsvereinbarung, was unser Abstimmverhalten in diesem Jahr betrifft, jedoch muss man ja konstatieren, die Situation vom letzten Jahr hat sich für diese Menschen in keiner Art und Weise verbessert.

(Beifall Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Und von daher kann man seine Position an dieser Stelle doch auch mal kritisch hinterfragen und überdenken.

Ich finde, Frau Gajek hat hier sehr schön ganz konkret die Ergebnisse auch der Erforschung und der Untersuchung in diesem Zusammenhang, was die Lebensumstände dieser Bevölkerungsgruppe in ihren Herkunftsländern angeht, aufgezeigt. Und ich sehe sehr wohl auch Gefahren für Leib und Leben dieser Personengruppe, wenn ich alleine mal darauf abziele, dass hier der Zugang zu medizinischen Leistungen oder zu sauberem Trinkwasser ja in Teilen doch sehr eingeschränkt ist.

Und ich muss ganz einfach auch mal feststellen, dass wir in Asyl- und Flüchtlingsfragen vom Grundsatz her doch so einige Unterscheidungen zu unserem Koalitionspartner in der Auffassung haben, sei es die Kettenduldung, sei es der Umgang mit Menschen aus Syrien oder seien es die Verfahren, die es zurzeit gibt, wenn hier lebende Syrer versuchen, Familienangehörige für einen gewissen Zeitraum hierher zu holen und auf eigene Kosten auch sicher unterzubringen, und die Probleme, die hier im Land teilweise daraus gemacht werden.

Das Besondere an der Personengruppe, über die wir jetzt und hier aktuell sprechen, wurde ja noch mal heute Morgen in der NSU-Debatte deutlich, weil gerade diese Bevölkerungsgruppe auch stark von Verfolgung und Vernichtung während der Nazizeit betroffen war. Und deswegen, denke ich mal, müssen wir mit dem Thema auch wirklich sensibel umgehen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Ich verstehe es schon, ich verstehe auch unseren Innenminister, dass er vor dem Hintergrund der steigenden Asylbewerberzahlen, die sich ja ungefähr verdoppelt haben im letzten Jahr, auch weil er Kommunalminister ist – und wir wissen, dass die Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften zurzeit sehr, sehr ausgelastet ist, teilweise reichen die Kapazitäten nicht aus –, da ist man natürlich froh, wenn man von einer Gruppe sagen kann, also damit brauchen wir uns hier gar nicht erst unterbringungsmäßig zu befassen, sondern wir haben berechtigte Zweifel über die Anerkennungsvoraussetzungen für ein Asylverfahren, sodass wir darauf bauen, dass diese Personen wieder freiwillig den Rückzug antreten und ausreisen.

Dieser verstärkte Zuzug von Asylbewerbern insgesamt hat natürlich, wenn man sich mit der Materie auskennt, auch eine positive Entwicklung gehabt, nämlich der Innenminister hat seine Anweisung zur dezentralen Unterbringung sehr, sehr gelockert. Das ist erst einmal ein positiver Aspekt. Der negative Aspekt ist, dass er andere Karten, wie ich finde, vielleicht ein bisschen, ich will nicht

mal sagen, leichtherzig zieht, aber sich auch ein wenig hinter der Gesetzeslage oder hinter seinen Möglichkeiten zurückhält, würde ich mal sagen.

(Minister Harry Glawe: Gesetze sind einzuhalten. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na ja!)

Aber wenn man jetzt, und das hat Herr Glawe eben auch angesprochen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dazu zählt auch, dass man von der Regierungsbank nicht runterrufen darf.)

wenn die Innenministerkonferenz sich jetzt ernsthaft mit der Aufhebung der Visafreiheit für Menschen aus Serbien und Mazedonien befasst und von vornherein diese Menschengruppe praktisch als Sozialschmarotzer denunziert, dann finde ich das doch ein bisschen seltsam.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist es! – Minister Harry Glawe: Das hat kein Mensch gesagt.)

Vor allen Dingen wird das die Ausländerfreundlichkeit hier im Land nicht gerade befördern.

Und wir haben ja schon erlebt, dass vor dem Hintergrund der Diskussion in den Gebietskörperschaften um neue Kapazitäten für Asylbewerber sofort die Rechten aufgesprungen sind und versucht haben,

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Stimmung zu erzeugen gegen Asylbewerber,

(Stefan Köster, NPD: Asylbetrüger.)

dann lässt einen das hier eigentlich in tiefe Abgründe blicken.

Und ich möchte noch mal daran erinnern, dass wir bei diesen Staaten, also Serbien und Mazedonien, über EUBeitrittskandidaten oder von EU-Beitrittskandidaten sprechen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Man hört ja auch das Argument, wenn wir diese Menschen hier erst mal vorübergehend aufnehmen, dann würden wir den Druck aus dem Kessel nehmen, in Bezug auf diese Länder, dass sie die Voraussetzungen für die Integration der Roma in ihren Herkunftsländern verbessern. Ich finde, das kann man auch genau gegenteilig sehen. Wenn wir diesen Ländern klar und deutlich machen, dass aus dem EU-Beitritt auf lange Frist überhaupt nichts werden kann, wenn sie mit diesen Menschengruppen so umgehen, denke ich mal, macht das vielleicht genau den gleichen Druck, wenn man hier überhaupt von Druck sprechen kann.

Ich möchte gerne, also die ganzen Details hat Frau Gajek, finde ich, schon ganz schön hier ausgeführt, aber ich möchte noch mal Herrn Ringguth zitieren an dieser Stelle. Der hat heute Morgen etwas sehr Schönes gesagt.

(Torsten Renz, CDU: Was?!)

Er hat gesagt: „Alles menschliche Leben ist einzigartig und alles menschliche Leben ist gleich viel wert“,

(Heinz Müller, SPD: Da hat er recht.)

und hat auch noch mal auf das,

(Michael Andrejewski, NPD: Nur bei Demokraten.)

und hat auch noch mal auf das Grundgesetz und auf diese christliche Seite hingewiesen. Ich werde jetzt nicht die Karte ziehen, die Frau Rösler vorhin gezogen hat und hier vielleicht noch mal auf den Heiligen Nikolaus und was das Teilen von Ressourcen angeht und so weiter hinweisen,

(Michael Andrejewski, NPD: Heiligen Nikolaus!)

das erspare ich mir an dieser Stelle. Aber ich erwarte wirklich in diesem Zusammenhang, dass alle gesetzlichen Möglichkeiten unter humanitären Gesichtspunkten gerade für Familien mit minderjährigen Kindern voll ausgeschöpft werden und Einzelfallprüfungen auch grundsätzlich durchgeführt werden. Das betrifft aber nicht nur die Roma, das betrifft alle Asylsuchenden in Deutschland, denn dort, wo das Wohlergehen von Kindern ernsthaft gefährdet ist, müssen die Abschiebungen meiner Meinung nach auch mal ausgesetzt werden können,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn, ich sage es noch einmal, jedes menschliche Leben soll uns gleich viel wert sein und ist uns gleich viel wert. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Dr. AlSabty.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit einer Forderung, die unmittelbare Auswirkung auf die Unversehrtheit der Menschen hat. Es geht darum, die Angehörigen der Romaminderheit aus Serbien und Mazedonien in den Wintermonaten vor einer Abschiebung in die Herkunftsländer zu bewahren, denn dort drohen menschenunwürdige Lebensbedingungen und mit der Kälte in den Wintermonaten sogar der Erfrierungstod, da viele von ihnen dort keine winterfesten Unterkünfte haben.

Ich erinnere mich an die Worte von meinem geschätzten Kollegen Johann-Georg Jaeger im letzten Jahr, wo er über das Thema gesprochen hat. Er hat wortwörtlich gesagt, „Roma haben keinen Zugang zu Trinkwasser“, was Sie heute auch erzählt haben, Frau Gajek, „Roma werden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, Roma werden von Bildung und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Diskriminierungen der Roma in Serbien und Mazedonien gehen auch von staatlicher Seite so weit, dass eine gesellschaftliche Teilhabe nahezu unmöglich ist. Angehörige der Roma

minderheit fristen häufig ein Schattendasein ohne wirkliche Rechte. Es wird immer wieder von Menschenrechtsverletzungen und anhaltendem Rassismus berichtet. Die Stigmatisierungen der Roma führen auch dazu, dass EUGelder zum Schutz und zur Stärkung der Romaminderheit nicht oder nur zu einem Bruchteil abgerufen werden. Aufgelegte EU-Programme sind dann mehr Schein als Sein und kommen bei den Betroffenen nicht an.

Wie in den letzten Jahren hat auch im Jahre 2012 die Zahl der Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien gerade im Herbst deutlich zugenommen, in diesem Jahr sogar noch stärker als im Jahr zuvor. Das hat Herr Glawe auch beleuchtet. Allein im September 2012 gingen bundesweit 2.435 Asylanträge von Menschen aus Serbien und Mazedonien ein. Die meisten von ihnen, circa 90 Prozent, gehören der Romaminderheit an. Insgesamt wurden im September bundesweit 6.691 Asylanträge gezählt. Somit sind ein Drittel der Anträge auf Asyl auf die Romaminderheit aus Serbien und Mazedonien zurückzuführen. Etwa die Hälfte der Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien sind Kinder.

Im Gegensatz zu bisherigen Migrationsbewegungen fliehen vor allem Familien mit Kindern. Das zeigt uns schon, wie bedrohlich die Lage vor Ort ist.

(Michael Andrejewski, NPD: Die siedeln um.)

Es ist nur verständlich, dass jeder Mensch die Chance nutzt, um aus einer äußert bedrohlichen Lage zu fliehen.

Nahezu alle Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien erhalten laut Aussagen des Innenministeriums keinen Aufenthaltstitel. In den vergangenen Wochen kam es bereits mehrfach zu Abschiebungen von Roma aus Mecklenburg-Vorpommern nach Serbien und Mazedonien. Von der Erstaufnahmeeinrichtung in Nostorf/Horst sind voll besetzte Busse nach Serbien zurückgeführt worden.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Weitere Flüchtlinge wurden vom Flughafen Hamburg mit dem Flugzeug nach Mazedonien abgeschoben. Die Menschen tauchen in den Herkunftsländern häufig unter, weil sie Angst vor staatlichen Repressionen haben und weil sie woanders Asyl gesucht haben. In vielen Fällen werden ihnen die Pässe nach der Rückführung als ungültig gestempelt.