Nach Angaben des Robert Koch-Instituts leben zurzeit in Deutschland 78.000 Menschen mit einer HIV-Infektion – allein in Deutschland. Dass die Anzahl der insgesamt infizierten Personen seit Mitte der 90er-Jahre anstieg, belegen die Zahlen. Zugleich ist das aber nicht allein auf die Verschärfung der Problematik, auf einen nachlässigen Umgang mit dem Infektionsrisiko zurückzuführen, vielmehr haben sich in den vergangenen Jahren die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten immer weiter verbessert, sodass die Anzahl der Neuinfektionen die Zahl der Todesfälle übersteigt und sich dadurch die Prävalenz insgesamt erhöht.
Wenn wir unser Land betrachten, müssen wir feststellen, dass in Mecklenburg-Vorpommern 570 Menschen mit einer HIV- oder Aidserkrankung leben. In diesem Jahr gibt es ungefähr 30 Neuinfektionen. Jede einzelne Infektion, meine Damen und Herren, ist eine Infektion zu viel. Das steht, glaube ich, außer Frage.
Das bringt mich zur Themenstellung Aidsprävention, Aufklärung und Beratung in Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben in unserem Land nicht nur die unbedingte Notwendigkeit der Schaffung einer breiten Beratungs
landschaft erkannt, sondern auch gehandelt, denn wir wollen nicht einfach nur zuschauen. Im Einzelplan des Sozialministeriums finden wir 350.000 Euro Landesmittel. Das sind Landesmittel, die zweckgebunden für die Bekämpfung von Aids veranschlagt werden. Diese Mittel werden gemäß der Richtlinie zur Förderung der Aidsberatung und der Betreuung der HIV-Infizierten und Aidskranken als Zuschuss an die freien Träger ausgereicht.
Ich meine, es ist eine große Leistung, die die freien Träger in der täglichen Arbeit erbringen. Die Beratungsangebote sind hierbei vielfältig: persönliche und telefonische Beratung, Maßnahmen zur Aufklärung der Öffentlichkeit, Maßnahmen zur Vermittlung von Verhaltens- und Handlungskonzepten, die Unterstützung von Selbsthilfegruppen. Sie sehen, ein großer Strauß von Aufgaben. Es wäre völlig fehl am Platze, diese Aussprache dazu zu nutzen, die Leistung der Beratungsstellen, jedes einzelnen Beraters als nicht ausreichend, als ein Zuwenig darzustellen.
Ich bin davon überzeugt, dass jeder Bürger, jede Bürgerin in unserem Land sich gut, umfassend und zeitnah aufklären und beraten lassen kann. Zugleich warne ich davor, mit einer Flut von Materialien und wissenden Stimmen zu überfrachten und insbesondere jungen Menschen mit dem mahnenden Zeigefinger entgegenzutreten. Aufklärung anzubieten heißt, ein entsprechendes Angebot vorzuhalten, und genau das tun wir. Aufklärung heißt auch, diese Leistung anzunehmen. Also muss auch jeder Einzelne sich in Bewegung setzen und das Angebot wahrnehmen. Bevormundung und Überflutung sind nicht der richtige Weg.
Jede politische Partei hat für sich das Problem erkannt. Jede demokratische Partei ist sich der Verantwortung bewusst, und deshalb ist es besonders befremdlich, dass Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Ihr bundespolitisches Themenflaggschiff nun in diesem Haus platzieren. Gesundheitliche Aufklärung und Prävention, Beratung und Hilfe, das sind Aufgaben, denen wir uns seit Jahren stellen, auch ohne dass Sie daran teilhatten.
Ein gutes Beratungsnetz hat offensichtlich auch ohne Ihre Bundespolitik im Land einen guten Weg gefunden.
Gestatten Sie mir noch den kleinen Hinweis, dass sich auch die Kommunen insbesondere über den Weg der Gesundheitsämter mit der Finanzierung der Beratungsstellen ihrer Verantwortung stellen. Ich denke, dass dieses Thema und die Umsetzung der Leistungen auch von dieser Seite Betrachtung finden müssen.
Wenn wir uns nun über Aufklärung unterhalten, dann sind die Bildungseinrichtungen gefragt und dann sollten wir auch ganzjährige Aktionen nicht vergessen, so wie dieses Jahr die Umsetzung einer Fotoaktion durch die demokratischen Mitglieder dieses Hauses – fand ich durchaus gelungen.
Ich möchte als regional eingebundener Politiker ganz deutlich die Gelegenheit nutzen, um an dieser Stelle noch einmal auf die seit Jahren gute Arbeit der vielen freiwilligen Träger hinzuweisen. In Stralsund ist es zum Beispiel der Chamäleon-Verein. Als Gesundheits- und
Therapiezentrum für Sucht, Sexualität und Aids begleitet und organisiert dieser Verein jedes Jahr die Aidsgala in Stralsund. Unstrittig ist, das ist nur ein Beispiel für das Aufmerksammachen, das Aufklären vor Ort.
Unser gemeinsames Ziel muss es sein, Ängste im Umgang mit HIV und Aids weiter abzubauen, um den Betroffenen ein gleichberechtigtes Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Die bestehende Beratungslandschaft ist dafür ein wesentlicher Baustein. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seitens der Fraktion DIE LINKE möchte ich sagen, dass wir es gut finden, dass es diese Aussprache gibt. Überhaupt ist dieses parlamentarische Instrument nach Paragraf 43 der Geschäftsordnung – Aussprache – viel zu selten genutzt und insofern irritiert mich das sehr, Herr Lindner, wenn Sie sagen, hier wird ein bundespolitisches Flaggschiff platziert, und im gleichen Moment oder kurze Zeit später sagen Sie, dass es gut ist, dass wir eine Fotoaktion gemacht haben. Also das passt nicht ganz zusammen, denn HIV und Aids, das wissen wir alle, das ist kein Randgruppenthema.
Diese Erkrankung bleibt eine globale Geißel, der jedes Jahr 1,7 Millionen Menschen zum Opfer fallen. 2,5 Millionen Menschen, also das sind gigantische Zahlen, die sich jedes Jahr neu infizieren mit dieser grauenhaften Immunschwächekrankheit. Die Tatsache, dass nur 8 von 15 Millionen Positiven eine lebensrettende Therapie erhalten, ist nicht nur fahrlässig, sondern geradezu kriminell.
Im nächsten Jahr steht wieder eine Geberkonferenz für den globalen Fonds gegen Aids, Tbc und Malaria an. Aus ethischer Sicht kann es nur ein Ergebnis geben: Die Bundesrepublik muss ihre Mittel aufstocken, um Leben zu retten.
Die Bekämpfung des HI-Virus bleibt aber auch bei uns in Deutschland eine nationale Aufgabe. Wie das Robert Koch-Institut in der letzten Woche bekannt gab, leben Ende 2012 in Deutschland voraussichtlich etwa 78.000 Menschen mit einer HIV-Infektion. Diese Zahl steigt seit Mitte der 90er-Jahre und wird weiter steigen, da Therapien wirksamer werden und die Zahl der Todesfälle sinkt. Die Zahl steigt aber auch, weil sich jedes Jahr mehr Menschen neu mit dem HI-Virus infizieren. Für das Jahr 2012 rechnet das Robert KochInstitut mit 3.400 Neuinfektionen, das sind 100 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Todesfälle stagniert bei etwa 550.
Diese Entwicklung zeigt, dass im Engagement gegen HIV nicht nachgelassen werden darf. Die Zahlen Mecklenburg-Vorpommern betreffend haben die Ministerin und Frau Gajek hier bereits dargelegt. Die Zahlen divergieren unter Umständen ein wenig, je nachdem, welche Quelle man benutzt, aber das ist ja nicht der Punkt. Der Punkt ist, welche Handlungsfelder wir aus dieser wichtigen
Erstens. Erstes wichtiges Handlungsfeld ist die Aufklärung. Aufklärungsarbeit ist immer noch der beste Weg, Aids langfristig einzudämmen. Neben der Aufklärung in den Schulen, neben der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gilt es, in die Milieus zu gehen und dort vor dem Risiko einer Ansteckung mit dem HI-Virus zu warnen.
Anlauf- und Beratungsstellen für eine fachkompetente persönliche Beratung sind deshalb unerlässlich. Diese brauchen wiederum eine auskömmliche Finanzierung, deswegen darf es hier auch künftig keine Abstriche geben.
Die Träger von HIV-Präventionsangeboten sagen mir, dass die Aufklärungsarbeit in Gefahr ist, vor allem, weil die Kommunen immer größere Schwierigkeiten haben, ihren Finanzierungsanteil aufzubringen. Auch die Arbeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist unzureichend finanziert. Es kann doch nicht sein – also diese Woche gerade gehört –, dass Gesundheitsämter bei der AIDSHilfe anrufen und darum ersuchen, dass Kondome verteilt werden, ihr eigenes Budget wäre ausgeschöpft, sie könnten das nicht tun. Wenn es so weit ist, dass wirksame Präventionsarbeit an der Abgabe von Kondomen scheitert, dann ist dies ein Armutszeugnis für unser Land.
Und bevor jemand kommt und mit dem Finger auf die Kommunen zeigt, es scheitert nicht daran, dass diese nicht willig wären, sondern es scheitert daran, dass viele, sogar die meisten Gemeinden und Kreise in unserem Land finanziell ausgeblutet sind.
Die letztmalige Unterrichtung der Landesregierung zum Thema Aids/HIV fand im Februar 2009 statt. Darin heißt es im Fazit, die kommenden Jahre werden zeigen, ob die derzeitige Präventionsstrategie ausreichend ist. Vor dem Hintergrund der leicht ansteigenden Neuinfektionen ist es offensichtlich nicht der Fall. Die Menschen werden im Umgang mit dem HI-Virus wieder leichtfertiger. Stigmatisierung bestimmter Lebensweisen helfen uns aber nicht weiter. Der unsägliche Vorschlag, Frau Gajek hat darauf hingewiesen, aus Sachsen-Anhalt, bei bestimmten Personenkreisen Zwangstests anzuordnen, diffamiert ganze Bevölkerungsteile und offenbart die Hilflosigkeit der dortigen Landespolitik. Einen derartigen Eingriff in die Grundrechte wird die Linksfraktion niemals akzeptieren. Er wird auch die Zahl der Neuinfektionen nicht senken, denn keine Zwangsmaßnahme kann eine Bewusstseinsänderung ersetzen. Diese ist aber Voraussetzung, damit die Menschen bei einem Risiko, sich anzustecken, keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr eingehen.
Die Linksfraktion erwartet von der Landesregierung, dass sie die Wirksamkeit ihrer zielgruppenspezifischen Präventionsarbeit überprüft, das ist angezeigt worden, und das Ergebnis dem Landtag vorstellt. Auf dieser Grundlage müssen wir uns darüber Gedanken machen, ob wir unsere Präventionsmaßnahmen ausweiten müssen.
Ich denke auch an eine räumliche Ausweitung. Es gibt derzeit drei Standorte der AIDS-Hilfe: in Rostock, Schwe
rin und Stralsund. Letztere muss die gesamte Fläche in Vorpommern und Ostmecklenburg abdecken. Das muss sich auf die Qualität des Angebots negativ auswirken, weil sie es ganz einfach nicht schaffen können. Auch eine kostenlose Spritzenabgabe in Haftanstalten oder die Intensivierung der Aufklärung unter Homosexuellen sollten wir diskutieren.
Zweites Handlungsfeld, die Tests. Der zweite wichtige Baustein unserer Präventionsstrategie ist die Forcierung von Schnelltests. Das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass rund 20 Prozent der HIV-Infizierten nichts von ihrer Infektion wissen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, niedrigschwellige Schnelltests anzubieten und weiter auszuweiten. Die AIDS-Hilfen bieten diese Schnelltests an. Das ist lobenswert, das sollte auch weiter propagiert werden und darauf hingewiesen werden, dass es sie gibt.
Drittens, die Behandlung. Wie wir wissen, gibt es für Aids keine Heilung, es gibt allenfalls Medikamente, die ein Leben mit Aids möglich machen. Es gibt aber auch einen Ansatzpunkt, der im Sachbericht des Zentrums für sexuelle Gesundheit und in den Leitlinien der Landesregierung zu kurz kommt, die Prävention, die Behandlung von Geschlechtskrankheiten.
Es ist ja schon angesprochen worden, jede Syphiliserkrankung steigert das Risiko, sich auch mit dem HI-Virus anzustecken. Eine schnelle Diagnose und Behandlung von Syphilis und anderen sexuell übertragbaren Infektionen kann daher dem Anstieg der HIV-Neuinfektionen entgegenwirken.
dass Sie menschenfeindlich sind, indem Sie hier stigmatisieren und das lächerlich zu machen versuchen, um was es geht.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Alles Bausteine. – Udo Pastörs, NPD: Gehen Sie in die Schwulenmilieus und verbreiten Sie da Ihre Thesen!)
Sie zeigen, dass Sie ausgrenzen, dass Sie menschenverachtende Politik betreiben, Herr Pastörs, und das muss deutlich gemacht werden.
Und ich finde es so wunderbar, dass die Protokolle immer auch die Zwischenrufe ausweisen, denn damit zeigen wir auch, wessen Geistes Kind wir sind.