Protocol of the Session on December 6, 2012

Und ich hoffe darauf, dass irgendwann die ganze Wahrheit ans Licht kommt,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Darauf hoffen wir auch und die werden wir sehen.)

und Sie und Ihresgleichen werden dann sicherlich

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die werden wir sehen.)

sehr, sehr, sehr kleinlaut werden. Es ist die Absonderlichkeit,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Tja, wollen wir mal gucken, wie die Kontakte von Herrn Petereit waren.)

dass Sie Gewaltopfern erst eine besondere Aufmerksamkeit zubilligen, wenn diese Opfer Opfer einer bestimmten Tätergruppe sind beziehungsweise zu sein haben, dass Sie und Ihresgleichen im Bundestag und in den Länderparlamenten erst eine Schweigeminute einlegen, wenn ein wie auch immer gearteter politisch motivierter Hintergrund „Rechts“ vermutet wird.

Gleiches gilt auch für die mediale Wahrnehmung. Es ist das immer gleiche Verhaltensmuster bei Ihren Gesinnungsgenossen und Ihnen. Für Sie scheint es Opfer verschiedener Kategorien zu geben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das mit Sicherheit nicht.)

Da sind jene Gewalttaten, bei denen man den Tätern eine wie auch immer geartete rechte Einstellung und

somit ein entsprechendes Tatmotiv vorwirft. Die Opfer dieser Gewalttaten sind offenbar Opfer der ersten, höchsten Kategorie.

(Thomas Krüger, SPD: Nicht immer ist eine Kamera dabei, wenn jemand eine am Boden liegende Frau tritt.)

Hierzu gehören auch die jüdischen Gewaltopfer, die fast ausschließlich von arabischen beziehungsweise muslimischen Tätern verletzt oder gar getötet werden. Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei ganz klar um einen Missbrauch der Opfer für politische Spielchen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das wird jetzt pervers langsam.)

Oder wo bleiben denn Ihre Mahnwachen, wo bleiben denn Ihre Lichterketten und wo bleiben Ihre Schweigeminuten für die mindestens 11.000 Opfer durch Morde allein im Zeitraum 1990 bis 2012, bei denen rund ein Drittel der Tatverdächtigen nicht deutscher Herkunft waren? Wo bleiben denn Ihre Mahnwachen, wo bleiben Ihre Lichterketten und Ihre Schweigeminuten für die mindestens 11.600 Opfer durch Totschlag seit 1990, bei denen wiederum rund ein Drittel der Tatverdächtigen nicht deutscher Herkunft waren? Wo bleiben bei Ihnen die Mahnwachen, Lichterketten, Schweigeminuten und andere Gedenkaktionen für die Opfer von Gewalt, einzig und allein aus dem Grunde heraus, dass sie Deutsche waren? Handelt es sich aus Ihrer Sicht bei den deutschen Opfern um Opfer zweiter Klasse?

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was?! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist unglaublich!)

Es wurden allein seit 1990 in der Bundesrepublik Deutschland mindestens 7.800 Menschen, vornehmlich Deutsche, durch Nichtdeutsche getötet.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Wo bleibt hier Ihr Aufschrei?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mein Gott!)

Wo bleiben zum Beispiel auch Ihre Verbotsforderungen? Erst am Wochenende konnten wir durch die Medien erfahren, wie groß der Hass, wie groß die Abneigung bei vielen Nichteuropäern, die gegenwärtig in Europa leben, auf uns Europäer sein müssen. Der niederländische Linienrichter, der von marokkanischen Jugendlichen vor den Augen seines Sohnes totgeschlagen wurde, ist eines von vielen Opfern rassistischer Gewalt in Europa und dieser Rassismus richtet sich gegen uns Europäer.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Seit wann sind Sie Europäer, Herr Köster? Sie sind Deutscher, oder nicht?)

Bleibt zum Schluss nur die Feststellung: Was für ein scheinheiliger Antrag, den die NPD-Fraktion selbstverständlich ablehnen wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Köster, der Obereuropäer.)

Und aufgrund dieser Scheinheiligkeit und aufgrund der Unehrlichkeit von Ihnen wird die NPD-Fraktion jetzt den Saal verlassen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD –

allgemeine Unruhe – Peter Ritter, DIE LINKE:

Sehr gut! Sehr gut! – Die Abgeordneten der

Fraktion der NPD verlassen den Plenarsaal. –

Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU,

DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Haben Sie es endlich

begriffen?! – Dr. Norbert Nieszery, SPD:

Wie lange bleiben Sie denn draußen,

Herr Köster? – Stefan Köster, NPD:

Uns werden Sie nicht los. Träum

immer schön weiter!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hoffe, Sie hatten Verständnis dafür, dass ich gewartet habe, bis die Herren der NPD den Saal verlassen haben, um die Debatte fortzusetzen.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich empfinde es als zutiefst beschämend und zugleich aber auch in einer sehr eindringlichen und einzigen Art und Weise demaskierend, was wir hier gerade in diesem letzten Beitrag erlebt haben. Und die Tatsache, dass die NPD-Vertreter jetzt hier gerade den Saal verlassen haben, begrüße ich außerordentlich, weil es den Rahmen schafft, das zu tun, was mit diesem Antrag beabsichtigt worden ist, nämlich der Opfer der Terroranschläge des NSU in aufrichtiger Art und Weise zu gedenken.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich möchte genau das, wie das vorhin auch der Kollege Ringguth getan hat, ausdrücklich in den Mittelpunkt meiner Rede und meines Beitrages stellen.

Ismail Yozgat, der Vater des jüngsten Mordopfers, Sie haben ihn genannt vorhin, der rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung NSU hat in einem Interview mit der „Zeit“ seine Gefühlslage und die seiner Familie beschrieben. Und ich möchte meine Redezeit auch dazu nutzen, aus diesem Interview zu zitieren, weil es viel besser ausdrückt, was diese Menschen bewegt hat, als ich es beschreiben könnte. Ich beginne mit dem Zitat:

„Wenn man ein Kind verliert, so wie wir unseren Sohn verloren haben, dann wird der Schmerz nicht weniger. Er klingt nicht ab, im Gegenteil, er wird immer größer. Ob Sie es glauben oder nicht, wenn ich Menschen davon erzähle, was unserer Familie widerfahren ist, wenn Freunde danach fragen, dann fühlt es sich jedes Mal so an, als würde ich mit jedem Wort sechs Monate altern. Im Moment kann ich nur an eines denken: Ich hoffe, dass in Zukunft keine Mütter und Väter mehr weinen müssen. Dass keine Kinder mehr sterben müssen. Deshalb waren wir damit einverstanden, dass hier dieser Gedenkstein mit dem Namen unseres Sohnes und denen der anderen neun Opfer aufgestellt wird. Damit sich alle Menschen immer daran erinnern.“

Herr Yozgat sagte dies, kurz nachdem ein Platz in der Kasseler Innenstadt nach seinem ermordeten Sohn benannt worden ist.

Ich glaube, besser und sensibler kann man nicht beschreiben, warum das Gedenken und die Erinnerung an die Opfer der Mordanschläge des nationalsozialistischen Untergrunds so wichtig sind. Und ich bin der Fraktion DIE LINKE für diese Initiative – sie kam von Ihnen – sehr dankbar, weil sie die Grundlage für einen angemessenen Rahmen des Gedenkens hier im Landtag schafft.

Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Verantwortung geht aber deutlich über ein Gedenken hinaus und auch dazu möchte ich Ismail Yozgat aus dessen „Zeit“Interview zitieren, Zitatbeginn:

„Mein Sohn war erst 21 Jahre alt, als sie ihn ermordeten. Er ist in meinen Armen gestorben. Können Sie sich überhaupt vorstellen, was das bedeutet? Wie sich das im Innersten anfühlt? Das kann man als Vater oder Mutter eigentlich nicht aushalten. Bis vergangenes Jahr im November, als rauskam, dass es Neonazis waren, hat uns niemand etwas darüber gesagt. Keiner hat uns beigestanden. Wir haben uns jahrelang gefragt, was passiert ist und warum. Es gab Zeiten, da haben wir uns nicht auf die Straße getraut. Meine Familie hatte Angst. Arbeitskollegen, irgendwelche Leute auf der Straße haben mich im Vorbeigehen gefragt: ,Ismail, wie sieht’s aus, haben sie endlich mal den Mörder deines Sohnes gefunden?‘ Als ob es eine Nichtigkeit wäre. Als ob sie nicht glaubten, dass es ein Mord war. Ohne Distanz, ohne Respekt.“ Und etwas später dann weiter: „Heute entschuldigen sie sich dafür, reichen mir die Hand. Aber dafür kann man sich nicht einfach entschuldigen. Es ist zu spät. Sie alle haben meinem Halit Unrecht getan.“ Zitatende.

Sehr geehrte Damen und Herren, diese Worte drücken auf eine sehr eindringliche Art und Weise aus, wie groß die Verantwortung ist, die wir alle tragen, eine Verantwortung, die uns verpflichtet, aus diesen leidvollen Erfahrungen, die mit falschen Beschuldigungen, mit haltlosen Verdächtigungen und mit einem beispiellosen Versagen der Sicherheitsbehörden verbunden waren, zu lernen und unsere Schlüsse zu ziehen. Aber es ist auch eine Verantwortung, die uns dazu verpflichtet, den geistigen Vätern einer menschenverachtenden Ideologie – einige sind hier gerade aus dem Saal ausgezogen –, die eine Mitverantwortung für die Taten des NSU tragen, mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten und alle legitimen Mittel, die uns Demokraten zur Verfügung stehen, konsequent zu nutzen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich möchte zum Schluss auch darauf eingehen, wie diese Kräfte mit dem Gedenken umgehen. In Greifswald sind vor Kurzem, Sie wissen es alle, alle Stolpersteine herausgerissen worden. In Sassnitz ist dies jetzt vor Kurzem geschehen, dass fünf Stolpersteine entwendet wurden. Auf die Entwendung und die Zerstörung der Rostocker Gedenktafel haben meine Vorredner schon hingewiesen. Offensichtlich, und das zeigt auch im Übrigen die Reaktion des Herrn Pastörs, macht es den rechtsextremistischen Kräften in diesem Land erheb- lich zu schaffen, wenn wir der Opfer rechtsextremisti- scher Diktaturen und rechtsextremistischen Terrors ge- denken.