Protocol of the Session on December 5, 2012

Wer erkennt, dass Gleichstellungspolitik Innovationspolitik ist, sorgt dafür, dass sprachliche Gleichstellung nicht bei der Erstellung eines Leitfadens aufhört. Und wer erkennt, dass Gleichstellungspolitik Innovationspolitik ist, braucht nicht Jahre, um von der Erkenntnis, dass das gegenwärtige Beurteilungssystem Geschlechterunter

schiede befördert, zu einer Überarbeitung des Beurteilungssystems zu kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, an dieser Stelle wird deutlich, dass Gleichstellung nicht nur durch das bloße Zählen von Köpfen gewährleistet ist. Vielmehr ist die Landesregierung in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Kompetenzen ausgebaut werden, Genderaspekte systematisch in die Facharbeit zu integrieren. Genderkompetenz bedeutet, unterschiedliche soziale, kulturelle, rechtliche, politische und ökonomische Benachteiligungen erkennen zu können, die mit Geschlecht und Faktoren wie Herkunft oder Alter, sexueller Orientierung oder auch dem Glauben zusammenhängen. Sie bedeutet auch, die Fähigkeit zu haben, diese abzubauen. Nur so kann die eigene Arbeit nicht nur gerechter, sondern auch transparenter und zielgruppengenauer gestaltet werden.

Und die Verantwortung geht weiter, denn die Gleichstellung von Frauen und Männern fängt in der Verwaltung an, hört da aber nicht auf. Gleichstellungspolitik bedeutet, eine ausgeglichene Teilhabe beider Geschlechter an allen Lebensbereichen zu befördern. Gleichstellungspolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Entsprechend muss sie auch verankert werden, damit Gleichstellungsprozesse ganz konkret in die politische Arbeit einfließen können, denn die Herausforderungen für die Gleichstellungspolitik in Mecklenburg-Vorpommern sind bekannt, und sie sind bekannterweise groß.

Sicherlich gibt es, Frau Schwesig, Sie haben sie ja zum Teil genannt, Maßnahmen der Landesregierung. Nicht

überall muss das Rad neu erfunden werden. Was aber eindeutig fehlt, ist eine strategische Verknüpfung und Verbindlichkeit der Maßnahmen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Hier sind andere Bundesländer, die sich bereits ein gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm gegeben haben, weiter. All diese Länder haben erkannt, dass eine Politik für die Gleichstellung von Frauen und Männern das eigene Bundesland stärkt. Und für ein Land, dessen Einwohner/-innenzahl schrumpft und dessen Altenquotient steigt, ist es geradezu fahrlässig, Gleichstellung zu vernachlässigen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Arbeitsmarktpolitik, Pflegepolitik, Lohnpolitik, Familien- politik, Bildungspolitik, Sozialpolitik sind nur einige der Handlungsfelder, die in ein gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm Eingang finden müssten.

Lassen Sie uns ganz konkret auf die Handlungsfelder blicken. Nehmen wir exemplarisch den zukünftigen Fachkräftebedarf. So ist schon heute absehbar, dass sich hier die Anforderungen für Frauen allein wegen der veränderten Altersstruktur doppelt auswirken werden. Frauen von morgen sind zwar einerseits besser ausgebildet als Männer und werden entsprechend auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt, aber gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen, die zumindest heute zu einem überwiegenden Teil von Frauen gepflegt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, allein dieses kurze Beispiel zeigt, dass Politik ressortübergreifend in Abstimmung mit anderen relevanten Akteurinnen und Akteuren klare gleichstellungspolitische Handlungsschwerpunkte und Ziele definieren muss, damit strukturelle Benachteiligungen erkannt, als Innovationshemmnis identifiziert und dann abgebaut werden können.

Dabei ist auch klar, dass Gleichstellungspolitik kein einseitiger Prozess ist. Strukturelle Benachteiligungen sind in erster Linie Benachteiligungen von Frauen. Aber auch die Probleme und Benachteiligungen, die mit der männlichen Geschlechterrolle verbunden sind, gehören in das Blickfeld einer modernen Gleichstellungspolitik. Aber, und das muss ich zusammen mit dem Bericht zur Kenntnis nehmen, auch hier sind wir, wenn nicht Welten, so doch zumindest Meilen in Mecklenburg-Vorpommern entfernt.

(Torsten Renz, CDU: Außer die GRÜNEN.)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Torsten Renz, CDU: Ist das das Schlusswort heute?)

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Torsten Renz, CDU: Dann klatsche ich auch.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Vielen Dank, Frau Gajek.

Die letzte Wortmeldung hat heute Frau Tegtmeier für die Fraktion der SPD.

(Torsten Renz, CDU: Doch nicht! Dann nehme ich das Klatschen wieder zurück. Das ist der letzte Redebeitrag heute, das ist verpflichtend.)

Ja, das wollen wir mal leidlich ausnutzen hier.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Also der Tagesordnungspunkt „Unterrichtung durch die Landesregierung – Bericht der Landesregierung über die Umsetzung des Gesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst“ und dazu die Berichterstattung ist ja in vielerlei Richtungen schon ziemlich ausgeweitet worden, sage ich mal, und hat Ausschläge in viele Bereiche auch der Privatwirtschaft und andere Richtungen gefunden.

Erst mal, Herr Ritter, Sie nannten vorhin das Wort, dass die Landesregierung etwas „vorgaukelt“ in Bezug auf Gleichstellungspolitik und entsprechende Erfolge.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig.)

Also das möchte ich eigentlich zurückweisen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, bitte.)

Der Bericht gibt auch ganz eindeutig gegenteilige Aussagen, mit denen man natürlich nicht zufrieden sein muss. Und es ist natürlich das Recht und auch nicht nur die Pflicht, sondern der Wunsch der Opposition, die negativen Dinge herauszuarbeiten, wenn es um Berichte der Landesregierung geht.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Aber nicht nur. Frau Friemann-Jennert auch, offensichtlich.)

Nein, Frau Friemann-Jennert hat ganz viele Passagen aus dem Bericht herausgezogen, die ich auch auf dem Papier habe und die ich wirklich beachtenswert finde. Da komme ich aber im Einzelnen gleich noch mal drauf zurück.

Aber ich möchte eingangs noch mal etwas zu der Geschwindigkeit der Entwicklung der Gleichstellungspolitik hier im Lande sagen. Wir erheben die Daten ja mindestens seit 2003 auf vielfältige Art und Weise. Aber wenn man natürlich bedenken muss, dass wir ein Personalentwicklungskonzept im Land haben und es nicht so einfach möglich ist, Leute zu entlassen und neu einzustellen oder wie auch immer, dann kann man natürlich logischerweise nur zu einem sehr langsamen Prozess hier kommen, wenngleich ich finde, dass dieser Prozess sich sehr deutlich abzeichnet. Hier hat sich ein Prozess entwickelt, der wirklich sehr zäh ist, aber, wie ich finde, auch in den Konsequenzen der Aussagen des Berichtes doch zielführend sein kann.

Die Ministerin hat aus ihrer Sicht die Ergebnisse, die erreicht sind, und das waren wirklich nennenswerte in

den letzten Jahren, bereits dargestellt. Wenn wir uns natürlich den Bericht anschauen, fallen einige Aussagen besonders auf. Sie wurden teilweise zwar schon genannt, ich mache es aber in aller Kürze trotzdem noch einmal.

Der Anteil Verheirateter geht im Personalbestand zurück. Und das ist generell so, nicht nur bei Frauen, auch bei Männern, sogar noch mehr. Bei den Beamtinnen und Beamten überwiegt deutlich der Teil der männlichen Beamten. Bei den Angestellten überwiegt der weibliche Teil. Und der Familienstatus wirkt sich in der Tat bei Frauen negativ aus, und bei Männern hat der überhaupt keine Auswirkung.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Männliches Phänomen.)

Da fragt man sich:

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie kann das denn überhaupt angehen? Nehmen Männer, wenn sie alleinerziehend sind beispielsweise, ihre familiären Aufgaben denn gar nicht wahr, weil sie ja anscheinend vom Beurteilungskriterium her immer noch rund um die Uhr voll verfügbar sind? Wie kann das überhaupt sein? Und bei Frauen ist das anders? Oder aber delegieren Männer ihre Familienverantwortung an der Stelle und die fällt denen gar nicht zur Last?

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Also das ist eine höchst fragwürdige Feststellung. Da kann man sicherlich noch zu größerem Erkenntnisgewinn kommen.

Aber was natürlich tatsächlich dieser Bericht auch immer sagt, wenn es um die Wurst geht, also wenn wir über richtiges Geld sprechen, dann sind Frauen nach wie vor im öffentlichen Dienst benachteiligt, aber wahrscheinlich in der Privatwirtschaft noch viel mehr, weil da der Fokus noch nicht so ausgeprägt ist wie im öffentlichen Bereich.

Frauen werden solange relativ gleich bewertet, solange sie sich in den unteren Einkommensgruppen befinden und solange es nicht um den beruflichen Aufstieg, vor allen Dingen in die oberen und obersten Tarifgruppen geht. Und sollten sie es doch in die höheren Stufen geschafft haben, so sind sie überproportional alleinstehend beziehungsweise kinderlos.

Es gibt in den Häusern Frauenförderpläne. Darüber hat die Ministerin berichtet. Teilweise befinden sie sich schon in der dritten Fortschreibung. Frauenförderpläne sind wichtig. Für eine zielgerichtete Personalplanung reichen sie aber in der Regel nicht aus, weil sie im Ansatz zu kurz greifen und wichtige Kriterien einfach fehlen. Sie müssen also weiterentwickelt und optimiert werden.

Und die Ministerin hat hier von den Zielvereinbarungen, die in vielen Bereichen beschlossen wurden, berichtet. Das ist ein Erfolg. Das gelingt natürlich ja nur, wenn beide Seiten damit auch einverstanden sind und man sich da einigen kann. Und das setzt an diese Frauenförderpläne an.

Dreh- und Angelpunkt für die Karriereplanung bleiben aber natürlich die Beurteilungskriterien. Objektiv sind Beurteilungskriterien jedoch laut Gleichstellungsbericht von 2009 – damals noch von der ehemaligen Parlamentarischen Gleichstellungsbeauftragten oder Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung vielmehr – nur dann, wenn mindestens drei Voraussetzungen erfüllt sind. Das klang hier bei Frau Friemann-Jennert auch schon durch.

Erstens: Es stehen standardisierte Messinstrumente der Persönlichkeitsbeurteilung zur Verfügung, die für jede Person genau messen müssen, was sie zu messen auch vorgeben.

Zweitens: Die Beurteilungsmaßstäbe selbst sind frei von geschlechtssensibel wirkenden Kriterien.

Und drittens, und das ist das Allerschwierigste an der Stelle: Vorgesetzte Beurteilende sind bereit und in der Lage, emotions- und vorbehaltslos, frei von Vorurteilen, frei von Eigeninteressen, frei von personalstrategischen Überlegungen – und da wird die Sache ganz besonders schwierig – Teil einer objektiven Vermessung ihrer Unterstellten zu werden, denn allein die Messinstrumente sind ohne diejenigen, die die Messung durchführen, sinnlos.

Nichtsdestotrotz ist die Landesregierung bemüht, das Beurteilungswesen auf bessere Füße zu stellen. Und bereits unter der Federführung des damaligen Innenministeriums auf damaliges Drängen der ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretärin wurde eine Arbeitsgruppe „Neufassung der Beurteilungsrichtlinien“ aus Vertreterinnen und Vertretern des Beamtenrechtsreferats und der Personalreferentenkonferenz sowie einer Mitarbeiterin der ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung eingerichtet. Diese Arbeitsgruppe hatte den Auftrag, Eckpunkte für eine Neufassung der Beurteilungsrichtlinien zu erarbeiten.