Protocol of the Session on December 5, 2012

Und ich würde denken …

Ich rede jetzt über die realistischen Vorstellungen.

(Heiterkeit und Beifall vonseiten der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich meine, dass wir die Chance ergreifen sollten, jetzt in dem Wahlkampf zu sagen, ja, wir müssen etwas tun. Natürlich ist es so, wir müssen uns über eines klar werden: Wahlkampf führt natürlich dazu, dass man die Unterschiede nach vorne stellt und betont. Das darf bei

wichtigen Themen, wie das bei der Rente unbedingt der Fall ist, nicht dazu führen, dass wir uns in die Lager einmauern. Sie alle wissen, wenn Sie sich die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland anschauen, alle wichtigen Rentenänderungen sind in einem parteiübergreifenden Konsens passiert.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, sehr richtig, Herr Ministerpräsident.)

Und für den werbe ich auch dieses Mal. Wir müssen auch jetzt dahin kommen.

Also die Frage ist: Wie können wir die drängenden Probleme, gerade hier bei den Menschen in Ostdeutschland, wie können wir die lösen? Wir haben ja eben gehört, dass wir uns nie darum gekümmert haben. Ich erinnere vielleicht daran, dass ich Anfang 2008 mit dem Kollegen Bullerjahn ein Papier gemacht habe,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Große Worte, große Worte. – Zuruf von Karen Stramm, DIE LINKE)

wo wir die Situation analysiert haben und gesagt haben, was tun wir dann und was muss man daraus für Folgerungen ziehen. Und diese Analysen haben gezeigt, das will ich noch mal ganz deutlich hier sagen, dass wir neben der dringend nötigen Angleichung der Renten Ost/West vor allem eine angemessene Berücksichtigung der gebrochenen Erwerbsbiografien bei uns in Mecklenburg-Vorpommern und in den anderen ostdeutschen Bundesländern brauchen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wer hat sie denn gebrochen?)

Ich will noch mal daran erinnern …

Ja, jetzt müssen wir mal darauf eingehen, wo denn die Probleme herkamen, die wir Anfang der 90er-Jahre hatten. Anfang der 90er-Jahre waren viele …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, da können wir hier mal drüber reden. – Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Ja, wahrscheinlich hat die Wende dazu geführt, dass das prosperierende wirtschaftliche Leben jäh zum Erliegen gekommen ist.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Da gibts andere Wertungen für die Wirtschaftssysteme vorher und nachher.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jawohl.)

Aber wahr ist, dass es in Ostdeutschland …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir reden hier über die Rentenungerechtigkeit nach 1990. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

dass es in Ostdeutschland ganz harte Zeiten gegeben hat, in denen wir Arbeitslosenzahlen hatten von 30 bis 35 Prozent, und das waren nur die gemeldeten, denn viele waren noch in Maßnahmen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So wie heute. – Zurufe von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Michael Andrejewski, NPD)

Das muss man sich vor Augen führen. Und viele Menschen waren arbeitslos, ohne dass ihnen daraus persönlich der geringste Vorwurf gemacht werden konnte. Die Menschen wollten arbeiten, aber sie konnten einfach nichts finden. Und es gab da manchmal eine Maßnahme für ein Jahr oder zwei und dann wieder nichts. Und in ihrer Verzweiflung haben damals viele eine Arbeit angenommen auch weit unter ihrer Qualifikation und auch für sehr geringes Gehalt. Und klar ist uns allen, bei so einem Lebenslauf droht den Menschen, dass sie nur geringe Renten bekommen können, es droht ihnen Altersarmut. Und weil das so viele Menschen in Ostdeutschland getroffen hat in den 90erJahren, droht in Ostdeutschland in ganz großem Umfang Altersarmut.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und das ist einfach so passiert. Da ist die Politik nicht schuld dran.)

Das ist ein ganz dringendes Problem.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist ja wohl der Gipfel!)

Das muss unbedingt geklärt werden.

Und von der – das muss man sagen – jetzigen Bundesregierung aus Union und FDP haben wir dazu lange nichts gehört.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist immer die erfolgreichste, sagt die Kanzlerin.)

Ich finde gut, dass jetzt immerhin von Frau von der Leyen der dringende Handlungsbedarf erkannt, nach vorne gestellt worden ist, dass sie einen Vorschlag gemacht hat. Aber wenn wir miteinander reden, müssen wir sagen, dieser Vorschlag reicht für die Lösung unserer Probleme nicht aus.

(Torsten Renz, CDU: Das kann man so und so betrachten.)

Da kann man Ursachenforschung betreiben, vielleicht der Koalitionspartner, der im Moment da ist, würde weitergehende Dinge nicht mittragen. Aber im Moment muss man sagen, der Vorschlag, der vorliegt, geht an der Lebenswirklichkeit bei uns in Ostdeutschland vorbei. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern und in anderen ostdeutschen Ländern wird es wohl kaum Menschen geben, die von dieser Rente profitieren würden, wenn es sie gäbe. Voraussetzungen sind 40 Beitragsjahre der gesetzlichen Rentenversicherung und zusätzliche private Vorsorge. Und da muss man eben sagen, Menschen, die nach 1990 über längere Zeit unverschuldet arbeitslos waren, die kommen nicht auf 40 Beitragsjahre.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach was?! – Michael Andrejewski, NPD: Wenn sie bis 80 arbeiten.)

Und wer in dieser Zeit so eine Biografie hat, der war nicht in der Lage, privat vorzusorgen. Da sind die Probleme.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und deshalb denke ich, so lässt sich das Problem der drohenden Altersarmut in Ostdeutschland nicht lösen.

Und ich sage auch in Richtung der CDU: Sie diskutieren jetzt auf dem Bundesparteitag Nachbesserungen und Sie sagen, vor allem Kindererziehungszeiten vor 92 sollen zählen. Und da sage ich Ihnen, das sind Lösungsvorschläge, die Probleme lösen, die westdeutsche Frauen haben, die längere Zeit nicht gearbeitet haben wegen Kindererziehung. Aber sie lösen nicht die Probleme, die wir in Ostdeutschland haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Das ist das Problem.

Und deshalb sage ich – und jetzt ohne die Parteipolitik –, ich bin froh, dass wir ein alternatives Konzept haben, das die SPD jetzt vorgestellt hat. Und ich bitte, dass wir es gemeinsam, wenn wir schon gemeinsam sehen, dass dieses Problem dringend ist, dass wir es uns anschauen und sehen, wie kann denn eine endgültige Lösung aussehen.

(Torsten Renz, CDU: Aber dann dürfen führende Mitglieder von Ihnen nicht immer so draufhauen.)

Wir hauen jetzt nicht drauf.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nee, jetzt im Moment grad nicht.)

Okay.

(Torsten Renz, CDU: Nee, das ist ja ein Rollenspiel.)

Nein, nein, nein.

Also dass Parteien im Wahlkampf kämpfen, ist doch klar. Aber ich will hier durch eine Rede des Minister- präsidenten deutlich machen, es ist in der Tat ein wirklich wichtiges Problem, und wir werden es nur lösen, wenn wir am Ende parteiübergreifend zu einer vernünftigen Lösung kommen. Und wir sind doch alle realistisch genug zu sagen, da wird niemand vorher was anpacken.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Fast alle.)

Es wird nach der Wahl passieren, nach der Bundestagswahl. Aber da muss man jetzt durch vernünftige Diskussionen dafür die Grundlagen schaffen und sich mit den verschiedenen Konzepten auseinandersetzen.

Was die SPD jetzt beschlossen hat, das ist eine Solidarrente, die nicht unter 850 Euro liegen soll. Das finde ich erst mal einen guten Ansatz. Und dann sind – darüber müssen wir diskutieren, wenn wir Lösungen für den Osten haben wollen – nicht 40 Beitragsjahre Voraussetzung, sondern 30.

Und ein ganz wichtiger Punkt, für den ich auch noch werbe, nämlich: Wie werden denn die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit gerechnet? Darauf kommt es bei