(Vincent Kokert, CDU: Sie hatten gar nicht den Mut, das zu thematisieren, bevor wir das gemacht haben.)
Und es ist schon erstaunlich, welche hohen Wellen unser Antrag schon vor der Einbringung geschlagen hat. Bereits heute Mittag konnte ich in einer Pressemitteilung der SPD lesen, dass die Einrichtung einer Pflegekammer geprüft wird.
Was Sie aber geflissentlich verschweigen, ist die Tatsache, dass sich unter dieser vermeintlich breiten Prüfung lediglich 2 von 34 Fragen in einem Fragenkatalog verbergen, der im Rahmen einer Anhörung zur Änderung des Landespflegegesetzes erstellt wurde. Noch dazu sind die Fragen unspezifisch formuliert. So werden Sie der Sache ganz sicher nicht gerecht. Die Einrichtung einer Pflegekammer wäre eine weitreichende Entscheidung und wir halten auch eine entsprechende Diskussion für notwendig. Mit lediglich zwei unspezifischen Fragen eine solche komplexe Thematik erledigen zu wollen, damit machen Sie es sich sehr leicht. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: Jetzt habe ich den Antrag erst verstanden.)
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Also ich dachte, ich hätte hier einen Hinweis gegeben. Wenn es Gesprächsbedarf gibt, bitte draußen in der Lobby.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Überlegung, eine Pflegekammer einzurichten, ist nicht neu, im Gegenteil, seit vielen Jahren wird das Pro und Kontra darüber ausgetauscht und im Übrigen nicht in Hinterzimmern, sondern in vielen Gremien,
und vor allem auch auf öffentlichen Veranstaltungen. Jeder, der sich daran beteiligt in der Fachwelt, weiß das.
Es gibt diesen Wunsch der Verbände und der Bildungsinstitute, eine Pflegekammer einzurichten. Der Deutsche Pflegerat strebt die Einführung von Berufskammern für die rund 1,2 Millionen Angehörigen der Kranken- und Altenpflegeberufe an. In einem einstimmig gefassten Beschluss des Deutschen Pflegerates, der auf dem Heilberufe-Fachkongress Pflege 2009 vor rund 1.000 Teilnehmern verkündet wurde, heißt es dazu, ich zitiere: „Der Deutsche Pflegerat als Dachverband der Pflegeorganisationen fordert umgehend Gesetzesinitiativen in den Bundesländern zur Schaffung von Pflegekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne der Selbstverwaltung.“ Zitatende. Also das ist seit 2009 ein Thema,
Dahinter steckt die Idee, der Wunsch, und ich habe mich vor einigen Wochen gerade selbst mit dem Pflegeberufsverband getroffen, dass mit so einer Pflegekammer die Anerkennung der Pflege und der Status vor allem der Pflegefachkräfte gestärkt werden könnte, zum Beispiel in Anlehnung an die Ärzteschaft, und das, finde ich, klingt auf den ersten Blick plausibel. Aber es gibt eben auch viele Gründe, die sagen, ob man das damit erreichen kann, da machen wir ein Fragezeichen.
Und meine Erfahrung ist auch, dass nicht zwingend eine Kammer darüber entscheidet, wie zum Beispiel der Pflegenotstand in unserem Land, wie der in Deutschland verhindert werden kann.
Ich möchte aber an dieser Stelle betonen, dass ich mich bisher nicht gegen eine Kammer ausgesprochen habe. Im Gegenteil, wir sind, darauf gehe ich gleich ein, in mehreren Bereichen darüber im Gespräch. Aber das Problem oder die Frage, ob so was sinnvoll ist oder nicht, hat ein Pro und Kontra, und ich finde, dass man diese Argumente austauschen muss. Was ich glaube, was man vorwegnehmen kann, ist, zu denken, mit der Pflegekam
Da gilt es doch, andere Sachen zu verfolgen, wie zum Beispiel dringend die Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes.
Und dass nicht nur die Arbeitgeber dagegen sind, sondern auch diejenigen, die betroffen sind, zeigt ja der Brief des Betriebsrates des Kreiskrankenhauses Wolgast gGmbH vom 14. September 2012.
Der Betriebsrat des Krankenhauses hat mich als Ministerin angeschrieben, ich darf aus dem Brief zitieren: Also sie haben mit Verwunderung aufgenommen, dass die Einrichtung einer Pflegekammer geprüft werden soll. Daran sieht man schon, dass ein Prüfauftrag eben nicht als ergebnisoffen angesehen wird in der Fachwelt,
sondern man schon davon ausgeht, dass, wenn wir hier ernsthaft die Prüfung beschließen, es auch in die Richtung gehen soll. Und mit Verwunderung hat der Betriebsrat diesen Prüfauftrag gesehen, der schon im September im Gespräch war. Ich darf zitieren: „Menschen, die in der Pflege arbeiten wollen, fühlen sich dem Leitbild ‚im Dienste der Humanität‘ verpflichtet und versuchen in ihrer Arbeit diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Falls dies nicht gelingt, liegt es nicht an ihnen oder am Fehlen einer Pflegekammer, sondern an den Rahmenbedingungen, unter denen sie ihre Arbeit ausüben. Daher geht es nicht um eine neue bürokratische Einrichtung, sondern um vernünftige Arbeitsbedingungen.“
Zitatende. Und später der Abschlusssatz: „Unserer Unterstützung, dass Pflegekammern keinen Pflegenotstand verhindern, können Sie sich gewiss sein.“ Zitatende.
Alleine dieser Brief zeigt, dass offensichtlich bei den Pflegefachkräften, denn die werden durch den Betriebsrat vertreten, auch teilweise Widerstand dagegen ist, und ich empfand den Brief schon sozusagen als sehr deutlichen Widerstand. Auch dieser Brief, finde ich, ist jetzt nicht ein Grund dafür, Nein zu sagen. Ich will nur noch mal bemerken, so einfach zu sagen, die Lobbyisten sind dagegen und alle in der Pflege wollen es, so ist es nicht, und deshalb muss man am Ende das Pro und Kontra austauschen.
Wichtig ist deshalb aus meiner Sicht insbesondere, zu prüfen, welche Auswirkungen die Einrichtung einer Pflegekammer auf die einzelne Pflegefachkraft hat. An dieser Stelle möchte ich deshalb auf die Aufgaben von Kammern im Rechtsgefüge der Bundesrepublik Deutschland eingehen. Kammern sollen die Erfüllung der Berufspflichten der Mitglieder überwachen, eine hohe Qualität der
Berufsausübung gewährleisten und fördern sowie sich um Fragen der Weiterbildung ihrer Mitglieder kümmern.
Berufsständische Kammern sind in der Bundesrepublik Deutschland in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts und somit mittelbare Staatsverwaltung. Im Pflegebereich erfolgt die Qualitätssicherung zum Beispiel durch die Heimaufsicht, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und durch die Gesundheitsämter. Daher wurde bisher keine Notwendigkeit einer zusätzlichen Kammeraufsicht deutlich, wenn es um das Thema „Qualitätsmängel in der Pflege“ geht. Und deswegen, glaube ich, ist es auch so, dass die Praxis sensibel darauf reagiert, weil sie sagt: Wollt ihr noch was einrichten, was unsere Qualität überprüft? Da haben wir doch schon viele. Wir verstehen es nicht. So habe ich jedenfalls den Brief verstanden.
Durch die Einrichtung einer Kammer werden die Angehörigen einer Berufsgruppe gezwungenermaßen Mitglied einer Kammer und haben Kammerbeiträge zu entrichten, und dann stellen sie sich schon die Frage: Was habe ich davon? Hierbei ist zu bedenken, dass die Pflegekräfte leider nicht zu den Großverdienern und oftmals nicht mal zu den mittleren Gutverdienern gehören. Wegen ihrer Rechtsstellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts dürfen sich Kammern nicht in Tarifauseinandersetzungen einmischen. Ebenso sind Kammern nicht dazu da, um die Arbeitssituation ihrer Kammermitglieder zu verbessern. Also das, was uns eigentlich am Herzen liegt, dass sich die Frage der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen für die Pflege verbessert, das würden Sie nicht mit der Kammer erreichen,
Es gibt bisher keine zuverlässige Information darüber, ob die Einrichtung von Kammern von der Mehrzahl der Berufsangehörigen mitgetragen wird. In Rheinland-Pfalz werden daher zurzeit durch eine neutrale Stelle Befragungen unter allen Angehörigen von Pflegeberufen durchgeführt und in Niedersachsen werden solche Befragungen vorbereitet.
Die Einrichtung einer Pflegekammer ist ein sehr sensibles Thema, welches deshalb nicht über das Knie gebrochen werden darf. Da eine repräsentative Befragung von unabhängigen Instituten circa 50.000 Euro kosten würde, schlage ich vor, zunächst die Entwicklung in RheinlandPfalz und Niedersachsen abzuwarten. Und ich darf ankündigen, wenn wir die Ergebnisse haben und sagen, wir wollen trotzdem noch mal für M-V eine Befragung – ich würde es davon abhängig machen, ob da eine starke Tendenz herauskommt oder eine Unklarheit, wo man sagt, da müssen wir noch mal unsere eigenen Leute befragen –, dann, darf ich ankündigen, werde ich dieses Geld aus dem Titel für Sozialberichterstattungen nehmen müssen. Und das gibt es ja nicht irgendwo drauf, da müssten wir uns noch gemeinsam, finde ich, verständigen, weil dann die Sozialberichtserstattung eingeschränkt wird.
Anfang November wird dieses Thema auch im Norddeutschen Zentrum zur Weiterentwicklung der Pflege im Rahmen der norddeutschen Kooperation erörtert. Daran
Anfang November findet im Sozialausschuss eine Anhörung zum Landespflegegesetz statt. In diesem Zusammenhang wird mit den Experten auch das Thema Pflegekammer erörtert.
Ich würde den Sozialausschuss nicht als Hinterzimmer bezeichnen. Ich denke, die Anhörung dort ist sehr gut geeignet, zunächst noch mal ein Stimmungsbild im Land für alle Gemeinden, auch für die, die neu an Bord sind bei diesem Thema, zu machen. Und was ich ganz wichtig finde, ist, dass wir, wenn wir uns entscheiden dafür oder dagegen, auch schon mal sehen sollten: Was ist eigentlich mit den anderen norddeutschen Bundesländern?
Und deshalb finde ich es gut, dass wir das auch im Norddeutschen Zentrum zur Weiterentwicklung der Pflege weiter erörtern. Daran, an diesem Beispiel sehen Sie, dass dieses Thema derzeit überall diskutiert und erörtert wird,
Sollten künftige Entwicklungen zeigen, dass Pflegeberufe ein Selbstverwaltungsorgan benötigen und vor allem die Pflegeleute das auch selbst wollen, sollte die Errichtung einer Kammer innerhalb einer norddeutschen Kooperation erfolgen. So haben wir es zum Beispiel auch bei der Psychotherapeutenkammer gemacht.
Mein Ziel ist es, die Interessen der Pflegenden zu unterstützen und das Image des Pflegeberufes aufzuwerten, und dazu müssten für die Einrichtung der Pflegekammer genau solche Argumente auch vorgetragen werden, möglichst von denen, die es betrifft. Ich finde, deshalb sollten wir die verschiedenen Diskussionen und Erörterungen, die derzeit schon längst zu diesem Thema laufen, weiter begleiten und auswerten und dann überlegen, ob ein Antrag im Sinne einer Pflegekammer sinnvoll ist. Ein Antrag, es zu prüfen, ist überflüssig, weil wir längst dabei sind.