Protocol of the Session on October 25, 2012

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

Aber fast alle Bundesländer tun eines nicht, sie verschließen sich nicht einer offenen Diskussion zu Pro und Kontra einer Pflegekammer,

(allgemeine Unruhe – Vincent Kokert, CDU: Machen wir auch nicht. Es gibt eine Anhörung im Sozialausschuss dazu. Haben Sie denn die Einladung vermöhlt?)

denn in einer älter werdenden Gesellschaft wundert es eigentlich nicht …

Einen Moment, Frau Gajek.

Also wenn es hier vorne in der Reihe Gesprächsbedarf gibt, dann kann ich Ihnen die Lobby empfehlen, da gibt es sogar ein Glas Wasser dazu, aber hier drin ist es nicht geeignet. Wir haben hier eine Landtagssitzung, wir haben hier eine Rednerin und ich denke mal, sie verdient Aufmerksamkeit, insbesondere von der Fraktion, der sie selber angehört.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Entschuldigung, die Dame.)

Gut.

(Vincent Kokert, CDU: Wieso? Gehörst du zu den GRÜNEN, oder was? – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nein, aber ich hab sie verführt, die GRÜNEN.)

Das ist eine Sternstunde, wie wir eben von Herrn Renz hörten, der jetzt leider gar nicht da ist. Aber gut, ich fange noch mal an.

Aber fast alle Bundesländer tun eines nicht, sie verschließen sich nicht einer offenen Diskussion zu Pro und Kontra einer Pflegekammer, denn in einer älter werdenden Gesellschaft wundert es eigentlich nicht, dass eine Debatte,

(Minister Harry Glawe: Die Diskussion läuft schon zehn Jahre. Die Diskussion läuft schon zehn Jahre.)

die vor mehr als 20 Jahren in Hessen ihren Anfang nahm, seit einigen Jahren wieder ganz neu entfacht ist.

(Minister Harry Glawe: Das ist ja nichts Neues.)

Es ist die logische Folge einer alternden Gesellschaft, in der die Pflege eine immer wichtigere Rolle spielt. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was für die Gesellschaft wichtig ist, sollte auch im Parlament eine wichtige Rolle spielen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir uns als Fraktion entschieden, diesen Antrag einzubringen.

(Vincent Kokert, CDU: Und was soll das nun? Warten Sie doch erst mal die Anhörung ab!)

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen offenen Diskussionsprozess über die Einführung einer Pflegekammer brauchen – hier im Parlament, in einem abgestimmten Diskussionsprozess und unter der Beteiligung aller betroffenen Akteure. Denn die Debatten in den Ländern zeigen, dass wir sehr genau zwischen den Vorteilen und Risiken einer Pflegekammer abwägen müssen. Aber dies sollten wir in einem transparenten Prozess tun, der hier im Parlament beginnt.

(Bernd Schubert, CDU: Beginnt im Parlament, richtig.)

Gerade vor diesem Hintergrund ist es schade, dass die CDU-Fraktion ihren Antrag kurz vor der letzten Sitzungswoche zurückgezogen hat.

(Vincent Kokert, CDU: Weil wir die Anhörung abwarten wollten.)

Ich konnte keinen Presseberichten entnehmen, dass dies aus Rücksicht auf Stimmen geschehen ist, die vor der Einrichtung einer Pflegekammer warnen.

(Vincent Kokert, CDU: Aber genauso ist es von mir begründet worden.)

In dem Artikel selbst konnte ich nur von Stimmen der Arbeitgeber lesen, die sich gemeldet haben.

(Vincent Kokert, CDU: Nein, das stimmt nicht.)

Aber Sie haben ja mein vollstes Verständnis dafür, dass Sie nun in den Dialog mit den verschiedenen Akteuren treten wollen.

(Vincent Kokert, CDU: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück!)

Aber machen Sie es transparent, nutzen Sie diesen Antrag und sorgen Sie dafür, dass die Abwägung pro und kontra Pflegekammern in einem demokratischen Prozess erfolgt.

(Vincent Kokert, CDU: Na ja.)

Und natürlich ist es normal, dass wir auch die Pflegenden selbst zu Wort kommen lassen. Deshalb fordern wir in

unserem Antrag eine repräsentative Befragung zur Einschätzung der Pflegenden über die Notwendigkeit der Einrichtung einer Pflegekammer hier in unserem Bundesland. Nur so können wir wirklich die Akzeptanz einer solchen Einrichtung messen. Gleichzeitig kann eine solche Befragung dazu dienen, Hinweise auf eine mögliche Ausgestaltung zu gewinnen, wenn wir etwa Erwartungen oder etwaige Bedenken miterleben und in der nachfolgenden Diskussion entsprechend würdigen. Dies wäre zugleich ein Signal an die Pflegenden selbst, dass wir der Pflege die Bedeutung zukommen lassen, die sie verdient.

Auch hier lohnt sich im Übrigen ein Blick über die Landesgrenze. So gab es etwa in Sachsen bereits eine repräsentative Umfrage, in der sich die Mehrheit der Pflegenden für die Einrichtung einer Pflegekammer ausgesprochen hat. Lediglich rund 8 Prozent der Pflegenden votierten hier gegen eine solche Pflegekammer. Es ist also durchaus sinnvoll, alle Seiten anzuhören. Allerdings sind fast 23 Prozent noch unentschieden, was durchaus ein Hinweis darauf sein kann, dass es wichtig ist, vor einer Umfrage in der Berufsgruppe zu informieren und aufzuklären.

(Vincent Kokert, CDU: War’s das jetzt?)

Nö.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Erwartungen, die an eine Pflegekasse gestellt werden,

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

sind ja gleichzeitig ein Ausdruck dafür, woran es derzeit mangelt.

(Minister Harry Glawe: Verkammerung, Verkammerung, Verkammerung.)

Obwohl die Pflegenden die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen darstellen, werden sie bisher zu wenig in politische Entscheidungsprozesse eingebunden. Ich denke, wir sollten sorgfältig abwägen, ob nicht tatsächlich eine gebündelte Interessenvertretung den Anliegen der Pflegenden in Öffentlichkeit und Politik ein stärkeres Gewicht verleihen kann.

Ich denke auch, dass wir uns darüber einig sind, dass der Stellenwert der Pflege insgesamt gestärkt werden muss. Ob die Pflegekammer dazu das geeignete Instrument ist, sollten wir gemeinsam unter der Beteiligung aller Betroffenen diskutieren. Kurz: Schauen wir ganz genau hin, ob die Pflegekammer dazu beitragen kann, der Pflege eine eigene Stimme zu verleihen, mit der sie sich selbstbewusst zu Wort melden und ihre Interessen selbst vertreten kann, ob bei allen Fragen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung, zur Ausgestaltung einer Berufsordnung, bei ethischen Fragen im Pflegebereich, bei Qualitätsstandards in der Pflege, ob bei all diesen Fragen eine Pflegekammer eine Lösung für Mecklenburg-Vorpom- mern sein kann!

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe vorhin von Erwartungen gesprochen, Erwartungen die in eine Pflegekammer gesetzt werden. Unsere Aufgabe muss es sein, dass diese Erwartungen nicht enttäuscht werden. Deshalb müssen wir uns auch mit den Risiken einer Pflegekammer beschäftigen und die Gegenargumente sorgfältig prüfen.

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

Niemandem ist geholfen, wenn lediglich unproduktive Doppelstrukturen entstehen. Niemandem ist geholfen, wenn eine Kammer kommt, die nicht gewollt ist,

(Bernd Schubert, CDU: Ja, genau das ist es doch.)

und niemandem ist geholfen, wenn er einen Mitgliedsbeitrag zahlen muss, für den er keine entsprechende Gegenleistung erwarten kann.

(Vincent Kokert, CDU: Sie wissen also auch noch nicht so richtig, was Sie wollen.)

Letztlich aber gilt die Frage, ob eine Pflegekammer in unserem Bundesland gewünscht ist oder nicht. Ob die Voraussetzungen gegeben sind oder nicht, ist eine Frage, die wir die Lobbyabteilung beantworten lassen dürfen. Es wäre ein fatales Signal, wenn in jeder Pflegerede die Bedeutung der Pflegenden hervorgehoben wird, aber bei der ersten Gelegenheit vor einer ernsthaften Debatte die Flucht in die Hinterzimmer angetreten wird.

(Vincent Kokert, CDU: Wer hat Ihnen das bloß aufgeschrieben, Frau Gajek?)

Deshalb möchte ich sehr dafür werben, dass wir einen ehrlichen Austausch mit objektiven Argumenten darüber führen, in welche Richtung wir die Weichen für eine Pflegekammer stellen wollen.

(Vincent Kokert, CDU: Sie hatten gar nicht den Mut, das zu thematisieren, bevor wir das gemacht haben.)