Protocol of the Session on October 25, 2012

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borchert von der SPD-Fraktion.

(Vincent Kokert, CDU: Auch so viele Seiten mit nach vorne gebracht.)

Ja, das ist so, Vincent. Energiewende, das ist ein wichtiges Thema.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Das als Vorbemerkung, ja.

Meine sehr geehrte Präsidentin!

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Vincent Kokert, CDU: Da sitzt doch der Energieminister!)

So als Vorbemerkung: Die Koalitionsfraktionen CDU und SPD haben den Antrag heute zum Thema Netzaus- bau deswegen eingebracht, um hiermit eine ganz klare Absicht zu verbinden, einen konstruktiven Ansatz zu wählen,

(Unruhe bei Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

um den notwendigen Netzausbau praktisch zu befördern, auch als Antwort an all diejenigen, Herr Ritter, die behaupten, der fehlende Netzausbau würde praktisch

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gar nicht wahr!)

die Energiewende verhindern und nicht ermöglichen. Diese Position, die wir heute als Koalitionsfraktionen hier einbringen, ist ein positiver, konstruktiver Ansatz und, wie gesagt, eine Antwort für alle diejenigen, die die Energiewende schlechtreden wollen und das begründen mit fehlenden Netzen.

Insofern freue ich mich, dass die Kollegin Schwenke, die ich sehr schätze, dann zum Schluss doch deutlich gemacht hat, diesem Antrag heute zuzustimmen, denn es wäre schon wichtig,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

wenn wir in dieser wichtigen Frage, auch für unser Land Mecklenburg-Vorpommern, hier heute zu einer unter den Demokraten gemeinsamen Position kommen.

So weit die Vorrede.

Zum Thema selbst, meine Damen und Herren: Die schnelle Entwicklung der erneuerbaren Energien hat also die Aktualisierung der Netzstudie unseres Landes für Integration erneuerbarer Energien notwendig gemacht. Wir haben das schon gehört. Die Studie wird im Ergebnis den künftigen Netzausbaubedarf in Mecklenburg-Vor- pommern berechnen, sich mit den Netzentgelten befassen und die Grundlage dafür schaffen, dass die Aufnahme und Verteilung von Strom im Land zukunftsgerecht organisiert wird.

Derzeit erstellt die Universität Rostock die Netzstudie federführend in Zusammenarbeit mit E.ON edis, der WEMAG, 50Hertz, den Stadtwerken Waren-Müritz im Übrigen, was ich sehr begrüße –

(Heinz Müller, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE: Ah!)

ja, da kommt Sachverstand mit rein –, der FH Stralsund

(Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt wissen wir doch, warum die Anträge hier gestellt werden. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

und anderen Partnern aus Mecklenburg-Vorpommern.

Die Netzstudie stellt die für die Energiewende notwendigen Maßnahmen und die damit verbundenen Auswir- kungen konkret für Mecklenburg-Vorpommern dar. Die Veröffentlichung der Studie ist für Anfang 2013 geplant. Und ich finde es sehr gut und vielleicht quasi auch ein Novum, dass wir bereits für den 28.11. im Energieausschuss die Befassung planen. Und ich hoffe auch, dass es dazu kommt,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Habt ihr das schon beschlossen? Geschickt eingefädelt!)

denn die Ergebnisse der Studie finden ein sehr, sehr großes Interesse. Und ich bin als Ausschussvorsitzender – und damit kann ich ja für den gesamten Ausschuss sprechen – sehr interessiert, sehr zeitnah die Ergebnisse vorgestellt zu bekommen, damit wir uns konstruktiv dann auch einbringen können in die Fragen der Umsetzung der Netzstudie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für eine sichere Energieversorgung muss der Netzausbau mit dem Ausbau erneuerbarer Energien Schritt halten. Dabei stehen wir in Deutschland bei Übertragungsnetzen und Verteilnetzen vor zwei großen Herausforderungen:

Erstens wird zukünftig verstärkt Windstrom aus Norddeutschland in die Verbraucherzentren im Süden und Westen fließen müssen. Dazu müssen die Übertragungsnetze ausgebaut werden, also große Überlandleitungen mit einer hohen Spannung.

Zweitens wird Strom aus erneuerbaren Energien stärker dezentral von zahlreichen Kleinerzeugern produziert. Deshalb müssen die Verteilnetze in Zukunft für Stromflüsse in zwei Richtungen geeignet sein. Denn sollte die Stromnachfrage vor Ort nicht reichen – und das passiert Gott sei Dank des Öfteren –, um den dort erzeugten Strom aufzunehmen, muss dieser Strom über das Verteilnetz auch in das vorgelagerte Höchstspannungsnetz eingespeist und zu anderen Verbrauchern in Deutschland transportiert werden können.

Meine Damen und Herren, es müssen aber nicht nur die deutschlandweiten Netze, sondern auch die regionalen Verteilnetze auf den Ausbau der erneuerbaren Energien ausgerichtet werden. Die Verteilnetze und deren Ausbau spielen im Rahmen der dezentralen Energiewende eine ganz entscheidende Rolle. Die regionalen dezentralen Verteilnetze sind sozusagen das Herzstück der Energiewende. Denn 90 Prozent der Stromnetze sind Verteilnetze, deutschlandweit insgesamt circa 1.000 – Entschuldigung – 1,2 Millionen Kilometer. Und der Investitionsbedarf bis zum Jahre 2030 liegt etwa bei 25 Milliarden Euro. Fachleute gehen davon aus, dass wir jetzt bereits Nachholbedarf haben von sieben Jahren – eine gewaltige Herausforderung.

Die für das Gelingen der Energiewende so wichtige dezentrale Energieversorgung, die ja in erster Linie in vielen ländlichen Räumen auch unseres Landes stattfindet, muss hier natürlich entsprechend in den nächsten Jahren verstärkt werden. Insofern sind die Verteilnetze für unser Land von ganz entscheidender Bedeutung.

Wir brauchen aber dann nicht nur das Netz, sondern wir brauchen Netzintelligenz, wir brauchen moderne Netztechnik. Windanlagen entstehen beispielsweise meist dort, wo das Netz dünn ausgebaut ist. Das heißt, wir

brauchen Freileitungen, Kabel, um die Energieanlagen direkt an das Netz anschließen zu können. Jedoch handelt es sich bei den erneuerbaren Energien um volatile, sprich wankende, schwankende Einspeisungserträge. Hierfür benötigen wir also auch intelligente Netze, um diese höchst optimal auszulasten.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir von der Landesregierung konkrete Vorschläge, wie wir den Ausbau der Verteilnetze hier in Mecklenburg-Vorpommern unterstützen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einigen Regionen Deutschlands – so auch in Mecklenburg-Vor- pommern –, in denen sehr viele regenerative Energien erzeugt werden, entstehen den Betreibern von Stromnetzen besonders hohe Kosten für den Netzausbau und für dezentrale Erzeugungsanlagen, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) betrieben werden. Diese Netzausbaukosten fließen in die Netzentgelte des jeweiligen Netzbetreibers ein, die wiederum auf den Preis für an Kunden gelieferten Strom aufgeschlagen werden. Werden in einem verbrauchsschwachen Netzgebiet also viele neue Leitungen für EEG-Strom nötig, können die Netzentgelte stark ansteigen, überdurchschnittlich stark ansteigen und den Strom in dieser Region verteuern.

Durch die Netzintegration von erneuerbaren Energien entstehen also regional völlig unterschiedlich hohe Kosten, die sich auf die Höhe der örtlichen Netzentgelte und mittelbar auch auf die von den Letztverbrauchern zu entrichtenden Strompreise auswirken. In Regionen mit hohen Netzintegrations- und Einspeisekosten stellen die hohen Netzentgelte und Strompreise also einen Standortnachteil für die dort ansässigen Unternehmen dar und stellen auch eine hohe Belastung für die Bürgerinnen und Bürger dar. Mecklenburg-Vorpommern ist hiervon besonders betroffen. Eine Vereinheitlichung der Netzentgelte auf der Übertragungs- und Verteilnetzebene ist deshalb also dringend geboten, um die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten.

Gerade in den ostdeutschen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt wird es zunehmend zum Problem, dass die Stromnetze für den Anschluss von Windkraftanlagen ausgebaut werden müssen, denn von diesen Ländern erzeugter Strom wird teilweise in anderen Bundesländern verbraucht, doch die Kosten für den Netzausbau bezahlen die Stromkunden vor Ort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen also an dieser Stelle die Solidarität der anderen Länder einfordern. Ich weiß, das ist schwierig. Aber die Position unseres Landes ist an dieser Stelle klar. Wir gestalten notwendigerweise eine bundesweite und zukünftig natürlich auch eine europaweite und darüber hinaus internationale Energiewende. Deshalb geht es auch darum, gemeinsame und gleiche Spielregeln für die deutsche Energiewirtschaft zu finden.

Zum Punkt 4 des Antrages: Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf der Hochspannungsebene – und wir sprechen von 220 bis 380 kV – wird das sogenannte Übertragungsnetz betrieben. Und es soll zum einen der überregionalen Verteilung der elektrischen Energie dienen, zum Zweiten einen möglichst verlustarmen Transport gewährleisten, drittens die Netzeinspeisung aus

großen Kraftwerken ermöglichen und – das wird oftmals vergessen und übersehen – den europäischen Stromverbund sicherstellen, über dessen nationale Grenzkuppelstellen auch der europäische Stromhandel abgewickelt wird. Diese Stromautobahnen, meine Damen und Herren, stellen das Rückgrat des deutschen Stromnetzes dar, über das alle untergeordneten Netze miteinander verbunden sind.

Die dena-Netzstudie II zeigt einen maximalen Über- tragungsnetzzubaubedarf von 3.600 Kilometern. Ohne Zweifel ist das Füllen dieser Lücke eine große Herausforderung, wenn man damit natürlich vor allen Dingen auch die Zahl verbindet, welcher Investitionsbedarf damit verbunden ist. Das sind über 20 Milliarden in den nächsten zehn Jahren. Diese leistungsfähigen Verbindungen, die jetzt also fehlen, müssen ausgebaut und modernisiert werden. Allerdings ist festzuhalten, dass seit circa zehn Jahren diese Netze, der Ausbau und die Modernisierung, vernachlässigt wurden und wir demzufolge einen Riesennachholbedarf haben.

Noch können wir das aufholen, aber es erfordert zügiges politisches Handeln. An der Stelle sei noch mal vermerkt, das war natürlich kein Zufall, dass hier zehn Jahre verschlafen wurden. Es war Absicht, weil man natürlich schon entsprechende Politikbeschlüsse und Signale hatte von der schwarz-gelben Regierung, dass man ja doch vielleicht an der Atomkraft festhalten würde. Diese politische Fehlentscheidung hat viele Jahre auch gekostet beim notwendigen Netzausbau.

Hinzu kommt, dass natürlich auch die 3.600 Kilometer und damit verbunden die 20 Milliarden Investitionsbedarf kritisch zu hinterfragen sind. Viele Experten machen es, wenn sie sagen, ich finde, zu Recht, dass teilweise die Netzanbieter hier an der Stelle – und die dena hat das nur widergespiegelt – maßlos übertreiben. Es wird teilweise mit Zahlen operiert, die möglicherweise sogar doppelt so hoch sind als die zusätzlichen Kosten, weil es letztlich natürlich auch der Versuch ist, die Erhöhungen der Netzentgelte künstlich zu rechtfertigen und damit die Energiewende auszubremsen.

An der Stelle muss man also kritisch hinterfragen: Brauchen wir wirklich 3.600 Kilometer? Brauchen wir sie vor allen Dingen auch in diesem Zeitraum? Und wir müssen natürlich deutlich machen, dass mit der Förderung einer stärkeren Dezentralität es durchaus Möglichkeiten gibt, den Ausbaubedarf ganz konkret zu reduzieren und damit natürlich auch die Kosten. Insofern sind wir mit dem Thema längst noch nicht durch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben es immer wieder gesagt, ich wiederhole es gerne: Mecklenburg-Vorpommern besitzt das Potenzial, Vorreiter in Sachen Windenergie – onshore und offshore – zu werden. Aber beim Ausbau der erneuerbaren Energien erzeugen wir schon heute zu viel Strom für zu wenig Netz. Wenn wir weg wollen von einer Struktur, in der die großen Energiekonzerne das Sagen haben, wenn wir dezentrale Strukturen gerade auch durch unsere Stadtwerke und kommunale Energieversorger aufbauen wollen, dann brauchen wir den Ausbau der Stromnetze jetzt, und damit meine ich insbesondere auch die Verteilnetze.

Eine wichtige Aufgabe ist dabei natürlich die Nord-SüdStromtrasse von Mecklenburg-Vorpommern in den Süden der Republik. Die Netzbetreiber und die Bundes

netzagentur haben ja im Netzentwicklungsplan für die kommenden Jahre dieses auch so vorgesehen. Damit nun aber auch zügig die Planfeststellungsverfahren für die länderübergreifende Trasse in die Wege geleitet werden können, ist dieser Netzausbau bis Ende 2012 gesetzlich zu regeln und müssen schnellstmöglich die entsprechenden Verordnungen vom Bundestag auch verabschiedet werden.

Wir werden natürlich besonders dabei im Blick haben, dass wir an unserer Ostseeküste den Startpunkt einer Haupttrasse bekommen, um die entsprechenden Off- shorestrommengen auch transportieren zu können. Und hinzugefügt sei natürlich auch, es geht dabei nicht nur um Metall für Masten, sondern es geht um Investitionen in intelligente Netze. Wir müssen Anreize schaffen, um Erzeugung und Nachfrage von erneuerbaren Energien in Einklang zu bringen.

Was wir aber auch brauchen, sind zügige und transparente Planverfahren, weil immer behauptet wird, die Bürger würden vor Ort den Ausbau von Netzen verhindern. Sicherlich gibt es das lokal, einige Beispiele sind bekannt. Aber es gibt auch durchaus die Möglichkeit, dem entgegenzuwirken und die Bürger mitzunehmen. Es geht praktisch darum, dass man mit einem Höchstmaß an Bürgerbeteiligung – damit meine ich nicht nur die Beteiligung im Planverfahren selbst, sondern natürlich auch die Beteiligung, die finanzielle Beteiligung am Vorhaben selbst –, dass diese Möglichkeiten der Akzeptanzverbesserung noch stärker befördert werden müssen. Ich glaube, dann werden wir auch dieses erreichen. Und wir werden im Einzelfall sicherlich gerade die Erdkabel verwenden, um bestimmte Engpässe schnellstmöglich – sei es auch mit höherem Kostenaufwand – zu realisieren.