Wenn Sie das mit den Betroffenen vereinbarte zukunftsgerichtete Personalkonzept wirklich auf seine Verfassungsmäßigkeit hin infrage stellen, steht Ihnen ja der Rechtsweg offen.
Wenn Sie es allerdings nur problematisiert haben, um es mit der Gerichtsstruktur zu vermengen, dann kann ich Ihnen sagen, dass diese Idee verfehlt war. Ihre Kritik an diesem Personalkonzept und an der Behauptung, dass das errechnete Einsparpotenzial des Reformvorhabens nur ein unwesentlicher Teil für die Haushaltskonsolidierung wäre, macht aber deutlich, was auch für Ihre gesamte Einstellung zu der Gerichtsstruktur gilt: Sie verweigern sich der Zukunft und den daraus erwachsenden Notwendigkeiten.
Wir sagen Ihnen, dass die Unpopularität von Reformen keinen Politiker grundsätzlich davon abhalten sollte, verantwortliche Entscheidungen in einem vernünftigen Rahmen für die Zukunft unseres Landes zu treffen.
Lassen Sie mich unsere Position zum Antrag der Volksinitiative ganz kurz zusammenfassen: Wir sehen keinen Widerspruch zwischen dem Antragstext und den Plänen der Regierungskoalition, da insbesondere die latent angezweifelte Verfassungskonformität außer Frage steht. Unsere Entscheidung dokumentiert die Diskussion in der öffentlichen Anhörung und ist keinesfalls ein Freifahrtschein für die Landesregierung. Stattdessen sagen wir, dass die Volksinitiative ihren Sinn erfüllt und unsere Regierungspolitik bereichert hat, indem sie für Flächenpräsenz der Justiz gewirkt hat.
Wir sollten es doch als gemeinsamen Konsens festhalten, dass wir für den vorliegenden Antrag der Volksinitiative sind, statt auf ihrem Rücken Parteiinteressen auszutragen. Daher werbe ich um Ihre Zustimmung für die Volksinitiative „Für den Erhalt einer bürgernahen Gerichtsstruktur in Mecklenburg-Vorpommern“ und um Ihre Zustimmung zu unserer Entschließung – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung des Rechts- und Europaausschusses ist abwegig. Die Volksinitiative steht nicht im Widerspruch zur geplanten Gerichtsstrukturreform?
Die Gerichtsstrukturreform, oder was sich so nennt, will Amtsgerichte beseitigen, die Wege zu den Gerichten für die Bürger verlängern, das Gerichtswesen allgemein ausdünnen und jahrhundertealte Städtetraditionen als Gerichtsstandorte beenden.
Die Volksinitiative strebt genau das Gegenteil an, jedenfalls, wenn man den Anzuhörenden zugehört hat, die sich in der Anhörung geäußert haben. Die haben alle Nein gesagt zur Schließung von Gerichtsstandorten, ob das der Richterbund war oder der Präsident des Oberlandesgerichtes, Schwerin meine ich, nein, Rostock, oder der Vorsitzende der Anwaltskammer oder der Direktor des Amtsgerichtes Rügen. Die haben alle gesagt: Nein. Und dieses Nein interpretieren Sie als Ja. Das kann man natürlich machen, man kann natürlich sagen, zwischen Nein und Ja gibt es keinen Widerspruch. Vielleicht ist das Dialektik à la CDU und SPD, da komme ich philosophisch nicht mehr so ganz mit.
weil ich mich auf einem anderen Niveau befinde als Sie, ich will nicht sagen, ob höher oder niedriger, aber jedenfalls ist Ihres abwegiger. Sie sehen wohl zwischen nichts einen Widerspruch.
Wie wäre es mit einer Feuerwehrreform, die darin besteht, dass jede dritte Wache dichtgemacht und jedes dritte Löschfahrzeug verkauft wird? Dann würde nach Ihrer Logik kein Widerspruch bestehen zwischen dieser
Reform und der Brandsicherheit. Und der Abbau von Deichen verträgt sich wahrscheinlich hervorragend mit der Sicherheit vor Überflutung.
Diese Landesregierung ist sich für keinen Unsinn zu schade und dreht alles so, wie sie es braucht. Die Reform selber ist purer Nonsens. Sie macht nur Sinn als parteipolitisches Manöver der SPD, um ihren Koalitionspartner CDU als ernst zu nehmenden Rivalen endgültig zu erledigen.
Erst wurde der CDU-Innenminister durchs Land geschickt, um die unpopuläre Kreisgebietsreform zu verantworten und sich damit richtig unbeliebt zu machen, ganz besonders in den Regionen, wo Verwaltungsstand- orte zugemacht werden und wo Kreisstädte ihren Status verloren. Resultat: katastrophale Wahlniederlage, als Rivale von Herrn Sellering erledigt, endgültig. Und jetzt wird die CDU-Justizministerin auf politische Selbstmordtour geschickt. Sie zieht sich den geballten Unwillen der Richter, der Notare, der Rechtsanwälte sowie aller Gemeinden zu, die ihr Gericht verlieren sollen, und der umliegenden Regionen.
Währenddessen schwebt der SPD-Ministerpräsident über den Wassern und überlässt die unangenehme Arbeit der CDU. Genau so hat Frau Merkel ihre jeweiligen Koalitionspartner bisher fertiggemacht. Von denen ist nicht viel übrig nach dem Ende der Koalition.
Das ist das Elend in diesem Land, dass sich die Parteien um das allgemeine Wohl nicht mehr kümmern. Alles, was sie interessiert, sind ihre taktischen Machtspielchen. Weil sich die SPD davon Vorteile verspricht und die CDU doof genug ist, darauf hereinzufallen, haben wir nun im Lande keine funktionsfähigen Landkreise mehr und bald auch kein funktionsfähiges Gerichtswesen. Sie kriegen hier wirklich alles kaputt! – Vielen Dank.
Lieber Kollege Renz, in der Tat hätte ich den Kollegen Texter vorhin gern gefragt, wie er denn das Votum der zahlreichen CDU-Kollegen in den Kommunalparlamenten, die sich grundsätzlich gegen die Reform ausgesprochen haben, interpretiert. Er ist ja mit der Fraktion DIE LINKE scharf ins Gericht gegangen, dann müsste er dies mit den Kommunalpolitikern von CDU und SPD in einer ganzen Reihe von Fällen – ich nehme an, Sie haben mindestens die gleiche Anzahl von Schreiben erhalten wie unsere Fraktion – auch tun. Also da gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen.
Jetzt könnte man, sehr geehrte Damen und Herren, ja durchaus positiv bewerten, dass diese Volksinitiative voraussichtlich hier eine breite Zustimmung dieses Hauses erhält. Sie wird in der Statistik unter den angenommenen Volksinitiativen geführt und es wird dann vermutlich in ein oder zwei oder drei Jahren nicht mehr die Re
de davon sein, dass es durch einen Entschließungsantrag ergänzt werden soll und vermutlich mit der Mehrheit auch ergänzt werden wird, der den Sinn und den Inhalt der Volksinitiative völlig konterkariert.
Ich werde jetzt an dieser Stelle, Herr Dr. Nieszery, weil der Einwurf kam, das stimme nicht, gleich einmal versuchen, das an ein paar Stellen deutlich zu machen, und ich will mich da aufgrund der begrenzten Redezeit sehr beschränken. Ich zitiere mal den Punkt 3 der Beschlussempfehlung der Faktionen von CDU und SPD, Zitat: „Es wird festgestellt, dass das von der Landesregierung erarbeitete Reformkonzept den zentralen Anliegen der Volksinitiative größtenteils Rechnung trägt.“
Und ich stelle einmal dagegen die Begründung, die Begründung aus der Volksinitiative, erste Seite letzter Satz, ich zitiere: „Dieses direkte Verhältnis der Bürger zum Rechtsstaat droht mit der geplanten Schließung von Amtsgerichten verloren zu gehen.“
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auf welchen Entwurf nehmen Sie denn Bezug, Herr Suhr? Wo nehmen Sie denn dort Bezug?)
„Das trifft vor allem die Schwächeren unserer Gesellschaft. Wegen des zweifellos größer werdenden Aufwandes, bei der Verringerung der Zahl der Amtsgerichte...“ Und so weiter.
Es ging definitiv bei dieser Volksinitiative darum, die Amtsgerichte zu verringern, und zwar in einer großen Zahl. Der Richterbund – und auch dieses Schreiben wird Ihnen vorliegen, nachdem der zweite Arbeitsentwurf dann bekannt wurde, also vor der Volksinitiative – hat sich an dieser Stelle als einer der wesentlichen Träger der Volksinitiative noch einmal sehr deutlich geäußert. In einer Presseerklärung vom 11. Oktober 2012 bringt er zum Ausdruck, ich zitiere erneut:
„Nur 10 selbständige Amtsgerichte für unser großes Flächenland sind eindeutig zu wenig. Die Idee, die Lücken mit 5 weiteren Zweigstellen zu schließen, ist weder effektiv noch praxistauglich. Zweigstellen haben sich in keiner bisherigen Reform und in keinem anderen Bundesland bewährt. Die räumliche Verlagerung des Landessozialgerichts von Neubrandenburg nach Neustrelitz wird sich ebenfalls als kontraproduktiv erweisen. Dass eine bürgernahe Justiz nach den vorliegenden Plänen nicht mehr gewährleistet wird, wird ganz besonders im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte deutlich. Mit der Schließung des Amtsgerichts Demmin wird einem großen Landesteil der Zugang zum ortsnahen Gericht verwehrt.“ Und etwas später heißt es: „Bedauerlich ist es, dass die Landesregierung sich trotz aller kritischen Expertenmeinungen nicht mehr Zeit für eine solche Reform nehmen will.“
Und wenn man jetzt hergehen will und in einem Entschließungsantrag den Inhalt einer Volksinitiative für sich interpretieren will, dann würde ich zumindest erwarten, dass Sie mit den Antragstellern da ins Gespräch hineingehen und nicht den Eindruck erwecken, Sie hätten sich der Volksinitiative angenommen, um sie anschließend mit dem Entschließungsantrag wieder vollkommen umzustoßen. Das ist in der Tat nicht seriös, dies ist keine seriöse Landespolitik, meine Damen und Herren.
Und ich will in diesem Zusammenhang auf die Anhörung zurückkommen. Ich glaube, jeder, der sie mitbekommen hat, hat in der Tat die Argumente suchen müssen, die für das Vorhaben der Landesregierung gesprochen haben. Ich beziehe mich da zum Beispiel auf den Vortrag, der vonseiten des Gemeindetages Mecklenburg-Vorpom- mern kam. Der Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern hatte sich in seiner schriftlichen Stellungnahme für den Erhalt der Justiz in der Fläche ausgesprochen und zum Ausdruck gebracht, es komme darauf an, die künftigen Entscheidungen zur Gerichtsreform an den Bedürfnissen der Rechtsuchenden zu orientieren, an ihren Anfahrtswegen, an den noch künftig vorhandenen Strukturen des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle wissen, CDU und SPD wissen dieses auch, die Ausdünnung des Nahverkehrs ist gängige Praxis seit Jahren und wird in der Zukunft auch so fortgesetzt werden, zumindest, wenn ich das Tun der Landesregierung interpretiere. Und es ist auch eine bekannte Tatsache, dass Mecklenburg-Vor- pommern in der demografischen Entwicklung eine älterwerdende Bevölkerung enthält, wo es eine Zumutung ist, dass ältere und kränker werdende Menschen den Weg zu ihren Behörden und auch zur Justiz suchen müssen und immer längere Wege in Kauf nehmen müssen. Auch dieses ist nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger in diesem Bundesland.
Wer wie SPD und CDU auf der einen Seite der Volksinitiative „Für den Erhalt einer bürgernahen Gerichtsstruktur“ zustimmt und dann in Kenntnis all dieser Dinge in einer Entschließung feststellt, dass die geplante Gerichtsreform dem Anliegen der Volksinitiative ja Rechnung trägt, der verhält sich nicht nur widersprüchlich, sondern er missachtet – und das ist, finde ich, in dem ganzen Komplex aus meiner Sicht der umfassendste Vorwurf – bewusst das direkt demokratische Element einer Volksinitiative und den sich darin äußernden Willen von mehr als 35.000 Bürgerinnen und Bürgern, die diese unterstützt haben.
Dass die Volksinitiative im Widerspruch zur der geplanten Gerichtsstrukturreform steht, möchte ich hier an dieser Stelle noch mal ausdrücklich festhalten. Und wenn Sie sich vorstellen, Sie wären Initiator oder Unterstützer einer derartigen Volksinitiative und würden dann erleben, wie der Landtag diese über einen Entschließungsantrag uminterpretiert, ich glaube, Sie würden sich überlegen, ob Sie eine solche Initiative denn noch einmal anstreben würden. Das, glaube ich, ist kein gutes Beispiel für den Umgang mit einem positiv zu bewertenden Bürgerwillen, der sich dann in dieser Initiative zum Ausdruck gebracht hat.
Nun kommt der Vorwurf, der kam ja vorhin auch von den Vertretern der CDU und der SPD: Wo bleiben denn die konstruktiven Vorschläge der Opposition? Ich weiß, es gibt ja inzwischen einen Gesetzentwurf, der irgendwo grassiert. Wir haben den noch nicht gesehen beziehungsweise uns liegt er vor, aber aus anderen Quellen.