Protocol of the Session on September 28, 2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 27. Sitzung des Landtages am 28. September. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor.

Wir setzen unsere Beratung vereinbarungsgemäß fort und ich rufe auf – wie passend – den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Antrages der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Klärung von Sachverhalten im Zusammenhang mit der finanziellen Unterstützung der P+S Werften GmbH, auf Drucksache 6/1123. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1170 vor.

Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Klärung von Sachverhalten im Zusammenhang mit der finanziellen Unterstützung der P+S Werften GmbH – Drucksache 6/1123 –

Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1170 –

Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Situation der P+S Werften in Stralsund und Wolgast bewegt uns alle. Etwa 5.000 Arbeitsplätze sind bei der Volkswerft Stralsund, der PeeneWerft in Wolgast, bei den zahlreichen Zulieferern und den Dienstleistern bedroht. Um die große Bedeutung der Werftstandorte als einer der wenigen industriellen Kerne des Landes muss ich keine Worte verlieren. Auch deshalb hat das Land die Werften in der Vergangenheit wiederholt in Größenordnungen finanziell unterstützt. Es bestand und besteht Konsens zwischen den demokratischen Fraktionen, alles wirtschaftlich Vertretbare zu unternehmen, um den Werften und insbesondere den Beschäftigten und ihren Familien zu helfen.

Die Landesregierung, meine Damen und Herren, sagt, sie habe alles getan, was rechtlich möglich und wirtschaftlich sinnvoll war. Sie sagt weiter, das millionenschwere Engagement des Landes sei von vielen Experten innerhalb und außerhalb der Landesregierung gut überwacht worden. Und doch beantragen die Fraktionen der LINKEN und der Bündnisgrünen heute, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klärung von Sachverhalten im Zusammenhang mit der finanziellen Unterstützung der P+S Werften einzusetzen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen können oder wollen dieses nicht verstehen. Deshalb will ich es Ihnen noch einmal erklären.

(Vincent Kokert, CDU: Danke.)

Ein Untersuchungsausschuss wird gemeinhin als das schärfste politische Schwert der Opposition bezeichnet, denn damit kann auch eine parlamentarische Minderheit das in der Verfassung verbriefte Untersuchungsrecht des Landtages nutzen. Ein Untersuchungsausschuss ist fester Bestandteil der parlamentarischen Demokratie und der Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition. Die Opposition hat also die Möglichkeit, unabhängig und selbstständig die Sachverhalte zu prüfen, die sie für aufklärungsbedürftig hält. Im Kern geht es darum, mögliche Pflichtverletzungen, Verfahrensfehler, Fehlentscheidungen, Organisationsmängel oder sonstige Missstände und Unzulänglichkeiten im Verantwortungsbereich der Regierung aufzuklären. Der Untersuchungsausschuss dient damit der Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle.

Meine Damen und Herren, ich beschreibe den Sinn und Zweck des Untersuchungsausschusses deshalb so ausführlich, weil SPD und CDU seit Wochen nichts unversucht lassen, dieses verfassungsrechtlich verbriefte Recht der Opposition in der Öffentlichkeit madig zu machen.

(Vincent Kokert, CDU: Bitte?!)

Wie die berühmten drei Affen wollen weder die Landesregierung noch die Fraktionen von SPD und CDU einen Fehler

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Herr Holter, das ist unter Ihrem Niveau. Das ist unter Ihrem Niveau.)

im Krisenmanagement der Landesregierung erkennen: Sie wollen nicht hinsehen, sie wollen nicht hinhören und schon gar nicht wollen sie darüber reden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh, oh! – Udo Pastörs, NPD: Tosender Beifall. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Die Fraktionen der LINKEN und der Bündnisgrünen wollen Augen und Ohren offenhalten und mögliche Fehlentwicklungen klar benennen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir wollen nicht mehr und nicht weniger als notwendige Aufklärung. Und ich will einige grundsätzliche offene Fragen benennen:

Wie konnte es dazu kommen, dass die Rettungsbemü-

hungen der Landesregierung so grandios scheiterten?

Auf welchen Grundlagen hat die Landesregierung

ihre Entscheidungen getroffen und wie wirkten ihre Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen?

Warum hat die Landesregierung auf dem Höhepunkt

der Krise ihren Vertreter im Werftenbeirat abberufen und den Stuhl seitdem nicht mehr besetzt?

Warum änderte sich die Einschätzung der Lage im

August binnen weniger Tage derart dramatisch?

Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen stellen sich diese Fragen nicht. SPD, CDU und allen voran

Ministerpräsident Sellering, der die Bewältigung der Werftenkrise zur Chefsache erklärt hatte, beschweren sich seit Wochen bitter über das Agieren der Opposition.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Vincent Kokert, CDU: Machen Sie sich mal nicht wichtiger, als Sie sind! – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Die Koalition reitet scharfe Attacken gegen die LINKEN, gegen die Bündnisgrünen. Sie beschimpfen uns, wir seien „erbärmlich“ und „unredlich“.

(Vincent Kokert, CDU: Was?!)

Dabei haben Sie so viel Schaum vor dem Mund, dass Sie nicht mehr erkennen, dass Ihre Anwürfe zwar auf uns zielen, tatsächlich treffen Sie sich aber selbst.

(Heinz Müller, SPD: Na, ich glaub nicht.)

Was behaupten SPD und CDU nicht alles: Die Opposition sei stets frühzeitig und umfassend informiert worden.

(Vincent Kokert, CDU: Na, das stimmt ja. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Deshalb sei die Opposition unglaubwürdig, wenn sie heute kritisiert, was sie gestern unterstützt hat.

(Vincent Kokert, CDU: Das haben Sie jetzt gesagt. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Eiligst würden wir uns von Bord machen. Die Koalition irrt gewaltig, wenn sie meint, die Opposition auf diese Weise zum Stillhalten verpflichten zu können, nur weil uns die Landesregierung über ihre Entscheidungen informiert hat. Das ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit!

(Vincent Kokert, CDU: Ja. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Wie gut wir unterrichtet wurden, will ich Ihnen, meine Damen und Herren, kurz sagen. Vor Wochen haben wir nachgefragt, wer das Land wie lange in den Aufsichts- und Kontrollgremien der Werften vertreten hat. Auf diese einfache Frage haben wir erst Anfang dieser Woche eine Antwort bekommen. Wir wollten auch wissen, was das Land für die teuren Wirtschaftsberatungsunternehmen ausgegeben hat. Hier herrscht Schweigen im Walde. Auf diese einfache Anfrage haben wir bis heute keine Antwort. Und als der Wirtschaftsminister gefragt wurde, warum es denn keinen Werftenbeauftragten mehr gebe und wir keinen Vertreter im Beirat der Treuhand hätten, ernteten wir nur Achselzucken und trübe Blicke.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Das reicht uns nicht. Das Rumgeeier reicht uns nicht, wir wollen klare Antworten. Mit einer solchen Vorstellung der Landesregierung darf sich das Parlament nicht zufriedengeben.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die Vorwürfe der SPD und CDU entbehren jeder Grundlage. Sie wissen doch auch, dass sich jede Opposition zunächst auf die Angaben der

Landesregierung verlassen muss. Richtig ist, wir haben die Regierung bei ihren Bemühungen zur Rettung der Werften unterstützt, weil wir natürlich die Arbeitsplätze erhalten wollen und davon ausgingen, dass die Landesregierung weiß, was sie tut. Heute deutet vieles darauf hin, dass die Landesregierung offenbar vollkommen überfordert war und keinen Überblick hatte. Somit wurde auch der Landtag nur unzureichend informiert.

Symptomatisch will ich es an einem Beispiel darstellen, am Baufortschritt bei den Scandlines-Fähren. Noch am 23. August dieses Jahres erzählte uns die Landesregierung im Finanzausschuss, dass mit den Fähren im Wesentlichen alles in Ordnung sei. Sogar der Niedrigwasserhafen in Gedser könnte problemlos angefahren werden, das Gewicht sei demnach in Ordnung. Problematisch sei nur der Gastronomie- und Verkaufsbereich, da komme es zu Verzögerungen. Wenige Tage später erfahren wir aus den Zeitungen: Allein die Fähre „Berlin“ wiegt erst 200 Tonnen, dann sogar 580 Tonnen zu viel. Die Anfahrt nach Gedser erweist sich nun doch als problematisch. Und so etwas läuft bei der Landesregierung unter „fachkundigem Controlling“.

Meine Damen und Herren, Ministerpräsident Sellering behauptet gar, es ginge uns nicht um eine sachliche Aufklärung, sondern darum, ein parteitaktisches Kampfinstrument gegen die Regierung in die Hand zu bekommen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Heinz Müller, SPD: Wo er recht hat, hat er recht.)

Ich darf zitieren: „Ich glaube, die Menschen in unserem Land und speziell die Werftarbeiter haben ein Recht auf Aufklärung der vielen offenen Fragen.“ Diesen Worten ist nichts hinzuzufügen, Herr Sellering. Sie stammen von Ihrem Vorgänger im Amt Harald Ringstorff. Harald Ringstorff gebrauchte sie 1991 im Landtag aus Anlass des ersten Untersuchungsausschusses im Land, der sich mit der Werftenproblematik beschäftigte. Die damals oppositionelle SPD gab dem Untersuchungsausschuss den Namen „Werftensterben“. Stellen Sie sich vor, LINKE und Bündnisgrüne würden heute ihren Untersuchungsausschuss so oder so ähnlich nennen. Was soll also das Gerede vom parteitaktischen Kampfinstrument? Sie waren doch auch Justizminister, Herr Sellering. Sie müssten es besser wissen, wozu ein Untersuchungsausschuss nach Artikel 34 der Landesverfassung dient.

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)