Protocol of the Session on September 27, 2012

Wir wollen einen grundlegenden Kurswechsel in der Rentenpolitik. Die gesetzliche Rente muss armutsfest gemacht werden. Es muss eine Mindestrente eingeführt werden, von der alte und kranke Menschen in Würde leben können. Das ist auch die Meinung der Bürger. Nach einer repräsentativen Umfrage, veröffentlicht am 12. September im Hamburger Magazin „Stern“, empfindet ein Großteil das deutsche Rentensystem als ungerecht. Vor allem Frauen, 75 Prozent, sind mit den aktuellen Regelungen unzufrieden. Bei den Männern waren es nur 69 Prozent. Drei Viertel der Befragten sympathisieren mit der Idee einer steuerfinanzierten Grundrente.

Angesichts dieser Zahlen, bitte ich Sie, stimmen Sie für unseren Antrag. Beauftragen wir die Landesregierung, für eine armutsfeste Mindestrente im Bundesrat tätig zu

werden. Nur Beschwörungen, wie hier von Frau Ministerin Schwesig wieder gehört, reichen nicht. Handeln Sie endlich oder weisen Sie nach, was Sie tun.

Und noch eine Randbemerkung: Wir fordern eine Mindest-, keine Einheitsrente. Auch wir wollen, dass der, der mehr einzahlt, eine höhere Rente erhält, also 1.050 Euro plus x. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun noch mal der Abgeordnete Herr Holter von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir machen uns hier im Landtag dafür stark und auch in der Öffentlichkeit, dass die Schulabgangsnoten der Schülerinnen und Schüler in Mecklenburg-Vorpommern besser werden. Wir machen uns dafür stark, und dafür wird es einen Antrag geben, dass die Schulabbrecherquote in Mecklenburg-Vor- pommern deutlich gesenkt wird. Wir machen uns dafür stark, dass diejenigen, die die Schule verlassen, durch eine gute Berufsausbildung möglichst schnell in eine berufliche Tätigkeit kommen, die dann, ausgehend von einem Mindestlohn, auch entsprechend tariflich entlohnt ist. Und wir machen uns dafür stark, dass diese Menschen nicht in Teilzeit arbeiten oder aus Zeit- und Leiharbeit kommen, sondern dass sie tatsächlich regulär unbefristet in den Unternehmen beschäftigt sind. Wir machen uns dafür stark …

(Udo Pastörs, NPD: Sie machen sich dafür stark, aber mit was für einem Ergebnis?)

Und wir machen uns dafür stark, dass diejenigen, die Unterbrechungen haben in ihrer Erwerbsbiografie – ob nun für Kindererziehungszeiten, auch durch Krankheit oder auch vielleicht durch ein Sabbatjahr oder andere Ursachen – dann gleichermaßen in die Rentenberechnung einbezogen werden. Wenn wir uns also hier darüber unterhalten, dass es um Generationen- und damit um Rentengerechtigkeit geht, dann beginnt diese Diskussion nicht erst dabei, wann die Rente berechnet wird, sondern schon viel, viel früher, nämlich in der Kindheit. Und deswegen ist für mich Rentenpolitik eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die viel früher beginnt als mit dem Renteneintrittsalter. Das ist unsere linke Position.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Zweitens. Es haben alle, die hier zu der Mindestrente gesprochen haben, entweder das missverstanden oder bewusst missgedeutet. Herr Lindner, und Sie haben es wirklich nicht verstanden. Ich will Ihnen das kurz erläutern:

Wenn wir über den Mindestlohn sprechen, dann redet die CDU von Lohnuntergrenze. Wenn wir über die Mindestrente sprechen, dann geht es um die Rentenuntergrenze. Alles andere, das hat Frau Stramm gerade deutlich gesagt, ist natürlich in Abhängigkeit von den Einkommen und dem Verdienst in den Erwerbsjahren zu berechnen, selbstverständlich. Und wir haben natürlich ein anderes Verständnis als die GRÜNEN beispielsweise, aber auch als die anderen Fraktionen, SPD und CDU, wie das Solidarprinzip in der Gesellschaft umgesetzt werden soll. Und da unterscheiden wir uns deutlich.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Und da sind wir eben der Überzeugung, Herr Dachner, jedes Einkommen soll zur Berechnung der Rente herangezogen werden, und jeder, der ein Einkommen hat, soll in die Rentenversicherung einzahlen.

(Manfred Dachner, SPD: Alle haben falsche, nur Sie haben die richtigen.)

Das ist, Herr Dachner, das Prinzip der Bürgerversicherung – Herr Heydorn hat das hier auch noch mal erläu- tert –, welches wir von Anbeginn an immer vertreten haben. Solidarprinzip in der Gesellschaft bedeutet, dass alle, die ein Einkommen haben, in diese Versicherungssysteme einzahlen, dass alle daraus erhalten und dass die, die aber wenig einzahlen, natürlich mehr bekommen. Das ist Solidarität. Und darum geht es der LINKEN.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und wer in seinem Erwerbsleben entsprechenden Verdienst gehabt hat – und das hat Herr Heydorn ja hier vorgerechnet –, der soll auch eine höhere Rente bekommen. Und diejenigen, die einen höheren Verdienst haben, die haben auch die Chance, eine private Vorsorge abzuschließen. Na selbstverständlich, können Sie ja auch machen. Das ist eine freiwillige Angelegenheit. Aber das, was Sie machen, ist doch Folgendes, dass Sie die Lücken, die entstanden sind, durch private Vorsorge, auch derer, die es faktisch nicht leisten können, schließen wollen, egal, ob das die Zuschussrente von Frau von der Leyen ist oder die Solidarrente der SPD. Und das, glaube ich, sind klare Unterschiede.

Und, meine Damen und Herren, ich frage mich, ob Frau Schwesig nun als SPD-Politikerin hier gesprochen hat oder als Vertreterin der Landesregierung. Das, was ich vom Koalitionspartner CDU heute vernommen habe, war nicht die Unterstützung der Position, die Frau Schwesig hier bezogen hat.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Spricht die Koalition in Rentenfragen nun mit einer Stimme oder nicht?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nein.)

Das müssen Sie nun mal endlich bekennen.

Ich will noch einen weiteren Punkt anführen, der mit dem Armuts- und Reichtumsbericht zu tun hat. Der Armuts- und Reichtumsbericht fordert doch eine andere und auch eine weitere Diskussion heraus. Das ist die Diskussion über ein gerechtes Steuersystem, Steuerprinzip in der Bundesrepublik Deutschland. Wenn es also so ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter öffnet, dann müssen wir auch diejenigen, die immer reicher werden, stärker zur Kasse bitten. Da sind wir wieder bei dem Thema Vermögenssteuer, da sind wir wieder bei dem Thema Erbschaftssteuer und all den anderen Forderungen, die wir hier auch immer wieder eingebracht haben. Sie weigern sich aber, ein solches Steuersystem einzuführen. Sie, die SPD, reden zwar immer wieder auf Parteitagen darüber, aber konkret in Gesetzestexte das umzusetzen, das ist bisher ausgeblieben. Und Sie machen sich auch im Bundesrat im Übrigen dafür überhaupt nicht stark.

Wenn ich also will, dass Altersarmut verhindert wird, dann muss ich, Herr Heydorn, nicht nur die Beitragsbemessungsgrenzen aufheben, dann muss ich auch das Prinzip grundlegend infrage stellen. Das heißt erstens, dass alle, die ein Einkommen haben, einzahlen, und zweitens, notfalls, da sind wir wieder mit den GRÜNEN überein, muss steuerfinanziert zugelegt werden, damit auch tatsächlich eine armutsfeste Rente gezahlt werden kann. Das ist die Position der LINKEN. Und ich bitte Sie ganz einfach, unserem Antrag zuzustimmen.

Sie machen sich bloß nicht die Mühe, sich mit unserem Antrag auseinanderzusetzen. Wenn Sie nämlich …

(Heinz Müller, SPD: Ach, Herr Holter!)

Ja, jawohl, Herr Müller.

(Manfred Dachner, SPD: Was ist los?)

Ja, Herr Dachner, das ist eben die Überheblichkeit, das ist eben die typische Überheblichkeit, die aus Ihren Reihen kommt. Es lohnt sich nicht.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Nein, warum setzen Sie sich dann nicht mal inhaltlich damit auseinander?

(Egbert Liskow, CDU: Das hatten wir doch.)

Sie hätten doch Ihre Solidarrente da reinschreiben können mit einem Änderungsantrag. Warum machen Sie das denn nicht? Das, meine ich, ist eine Auseinandersetzung und genau das, was wir heute früh in dem ersten Tagesordnungspunkt beredet haben.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Wir stimmen Ihrem Antrag, Herr Ringguth, über die Besteuerung von interkommunalen Leistungen oder Nichtbesteuerung zu. Da geht es um ein gemeinnütziges Prinzip und hier geht es um ein Prinzip, wie Armut im Alter verhindert werden soll. Warum ist es dort nicht möglich, gemeinsame Positionen zu erarbeiten, fernab von den einzelnen parteipolitischen Positionen, wie hoch oder wie niedrig die Mindestrente dann tatsächlich sein soll?

Hier, meine Damen und Herren, versagen Sie nicht nur vor diesem Landtag, Sie versagen vor der Gesellschaft. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ums Wort hat noch mal die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig gebeten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Ja, Herr Holter, ich finde, das ist natürlich gute Demokratie, dass man erwarten kann, dass man sich mit einem Antrag, den eine der demokratischen Fraktionen vorlegt, ordentlich auseinandersetzt. Ich meine, das haben wir getan, obwohl Ihr Antrag zum Thema Altersarmut nur vier Zeilen hat, eine Zahl sagt, und zwar, was kommen soll, aber nicht eine Zahl sagt, was es alles kosten soll. Und

ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn man es wirklich ernst meint mit den Menschen im Land und wenn man seriöse Politik macht, dann, finde ich, muss man zu jedem Rentenvorschlag auch sagen, was kostet es und wie bezahlt man das. Und das haben Sie hier nicht getan. Es wäre eigentlich ein guter Grund zu sagen, alleine deswegen können wir nicht diskutieren. Wir haben trotzdem diskutiert und wir haben sehr umfangreich unsere Vorschläge hier skizziert. Und ich habe Ihnen ja gesagt, dass es auch Thema der nächsten Arbeits- und Sozialministerkonferenz sein wird.

Ich wollte mich aber gerne noch mal den GRÜNEN widmen. Ich weiß nicht, ob Frau Gajek jetzt noch da ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hinter Ihnen.)

Aha, okay.

Weil mir gestern schon aufgefallen ist in der Debatte zum Landespflegegesetz und heute auch wieder beim Thema Rente, dass die GRÜNEN immer sagen – und das finde ich ehrlich gesagt für sozialpolitische Themen ein bisschen zu wenig –, das finden wir alles nicht so gut, wir wollen eigentlich was anderes. Ich kann aber nie richtig erkennen, was eigentlich.

Gestern beim Thema Pflege wurde gesagt, es ist schon richtig, dass man nicht mehr die stationären Einrichtungen voranbringt, sondern mehr in den ambulanten Bereich das Geld steckt, das wollen wir als GRÜNE. Ich habe vorher als Ministerin vorgestellt, wir werden zukünftig nicht mehr den stationären Bereich so stark fördern und genau das Geld, was übrig bleibt – für 2013 alleine 1,5 Millionen Euro –, in den ambulanten Bereich stecken. Ich habe da keinen Unterschied gesehen. Und ich finde, die GRÜNEN müssten an der Stelle bei sozialpolitischen Anträgen genauer werden.

Und so war es heute auch beim Thema Rente. Warum hilft zum Beispiel die Idee, ob man es nun Mindestrente, Solidarrente und über die Höhe könnte man auch noch streiten, nennt, ist mal dahingestellt, aber warum hilft so eine Idee, dass man eine Rente hat, die über Grundsicherungsniveau liegt, gerade nicht Frauen? Und das kann ich nicht verstehen. Gerade das hilft Frauen. Was Frauen nicht hilft, egal ob wir über Rente 65, 67 sprechen, diese Regelung zu treffen, sondern gerade Frauen und zukünftig in unserem Land den vielen Alleinerziehenden hilft gerade, dass man sagt, dass wenn welche soundso viele Versicherungsjahre haben, zum Beispiel 40, dann bekommen sie hinterher eine Solidarrente und in diesen Versicherungsjahren stecken gerade Zeiten für Kindererziehung, Zeiten für Pflege. Sie wissen, dass es gerade Frau Dr. Seemann war und dass ich das unterstütze, dass gerade die Leistungen von Frauen bei der Rente besser berücksichtigt werden. Genau das beinhaltet eine Solidarrente.

Ich habe mich eher gewundert, dass die GRÜNEN solche Vorschläge ablehnen. Ja, Vorschläge, die im Raum sind, sind milliardenschwer und ich habe die GRÜNEN verstanden, dass sie das eher ablehnen, jedenfalls auf Bundesebene, weil sie nicht bereit sind, da mehr Geld reinzustecken. Und ich habe noch mal gegoogelt, man findet nicht viel vom Rentenkonzept, vor allem nicht viel Konkretes auf der Seite der GRÜNEN, man findet eben nur, dass es eine Garantierente geben soll, wo die Leute 30 Jahre Mitglied der Rentenversicherung sind. Daraus

kann ich nicht erkennen, ob Sie damit meinen, man soll wirklich 30 Jahre Beitrag zahlen oder es reicht, dass man nur 30 Versicherungsjahre hat. Das würde mich wundern, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die GRÜNEN wirklich dafür sind, dass jemand zum Beispiel 15 Jahre arbeiten muss und dann noch 15 Versicherungsjahre hat, zum Beispiel durch Erziehungszeiten oder Arbeitslosigkeit, und dann soll es schon die Solidarrente geben. Das wäre eine Überraschung. Das Problem ist, dass man es nicht konkret erkennen kann, weder bei den öffentlichen Auftritten noch in der Rede von Frau Gajek. Und ich bitte darum, dass zukünftig klarer dann der Vorschlag sein muss, was soll anders laufen.

Und dann möchte ich noch eins sagen: Ja, die Voraussetzungen für Rente beginnen schon in der Kindheit, aber es beginnt nicht erst in der Schule, Herr Holter.