Protocol of the Session on September 27, 2012

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Holter von der Fraktion DIE LINKE.

(Torsten Renz, CDU: Das haben Sie aber taktisch klug eingerichtet.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben im Präsidium beantragt, dass unser Antrag wie folgt abgestimmt werden möge: Wir wollen, dass unter der Ziffer I die Ziffern 1 bis 5 einzeln abgestimmt werden und dann kann die Ziffer II geschlossen abgestimmt werden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Erwartungen an die Debatte waren nicht sehr hoch, aber ich muss Ihnen sagen, ich bin schon sehr enttäuscht, wie Sie mit dem Thema Einheit hier im Landtag doch umgehen. Ich bin enttäuscht von der Regierung, auch vom Ministerpräsidenten,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Harry Glawe, CDU: Von Ihrer Rede, Herr Holter.)

dass er an der Debatte nicht mal teilnimmt, weil er gestern gerade empört gefordert hat, was die Einheit betrifft, was die Angleichung der Renten Ost und West betrifft.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Ich kann nur feststellen, es kommt immer darauf an, wer spricht. Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es immer noch nicht das Gleiche. Ich habe sehr wohl davon gesprochen, dass die Lebensleistungen in Ost und West vor der Einheit und nach der Einheit gewürdigt und anerkannt werden sollen. Ich habe sehr wohl gesagt, dass es nicht darum geht, etwas kleinzureden, was in 22 Jahren erreicht wurde. Die Rednerinnen und Redner auch Ihrer Fraktion, Herr Ringguth, haben das infrage gestellt. Ich verstehe nicht, warum Herr Schubert das macht.

Und mit keinem Wort hat jemand aus der Koalition den Bericht zur Deutschen Einheit bewertet, gewürdigt, Schlussfolgerungen gezogen. Darum geht es doch. Natürlich kann man einen Rückblick machen auf das, was 40 Jahre DDR ausgemacht haben. Herr Krüger, danke für Ihre Darstellung, da bin ich voll bei Ihnen. Dazu hat jeder seine subjektive Sicht, das ist auch ganz normal. Natürlich muss man das bewerten, was da war, aber darum ging es uns heute nicht. Uns ging es darum, nach 22 Jahren in die Zukunft zu blicken und für entschlossenes Handeln zu sorgen, dass all das, was heute noch zu kritisieren ist, tatsächlich auch kritisiert wird.

Und ich möchte im Gegensatz zu Ihnen mich mit den Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten im Osten nicht abfinden. Ich höre bei Ihnen, ich meine jetzt nicht Herrn Krüger persönlich, sondern bei Ihnen immer nur ein Argument: Das können wir uns nicht leisten, das gibt die Kasse nicht her.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ja, nur noch sparen.)

Was sollen denn die Menschen, die jetzt 22 Jahre am Aufbau Ost mitgewirkt haben, deren Leistungen wir, denke ich, doch gemeinsam würdigen werden, von einer solchen Debatte hier halten?

Und die Zahlen sprechen doch für sich. Roland Berger und „Das Handelsblatt“ schätzen ein: „Stillstand Ost“, „Der Osten fällt zurück“. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle sagt, es gibt zu wenig Endprodukte, weni

ger Innovation. Der Wirtschaftsminister spricht sehr vage und sehr allgemein,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

übrigens viel allgemeiner als das, was in unserem Antrag steht, über das, was er wirtschaftspolitisch machen will. Aber selbstverständlich, wenn ich …

(Harry Glawe, CDU: Da haben Sie nicht zugehört.)

Ich habe da sehr aufmerksam zugehört – es gehört sich so, dass man sich einander zuhört – im Gegensatz zu anderen hier im Haus.

Und natürlich, mit keinem Ton haben Sie darüber gesprochen, dass wir kleine Strukturen haben, dass es um kleine mittelständische Unternehmen in MecklenburgVorpommern und im Osten insgesamt geht. Mit keinem Ton hat hier irgendjemand über eine Zukunftsvision für Ostdeutschland gesprochen. Und das ist eigentlich mein Anspruch an die Debatte gewesen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Mit keinem Ton wurde über diesen Kapitalstock gesprochen, dass wir eine niedrige Investitionsquote haben, dass selbst die ostdeutschen Sparkassen im Westen das Geld anlegen, weil sie im Osten keine Anlagemöglichkeiten finden. Warum sprechen Sie darüber nicht?

Und wenn Sie dann den Bericht zur Deutschen Einheit aus 2012 heranziehen, die Zahlen haben wir hier hoch- und runterdekliniert, warum reden Sie nicht über die Herausforderung? Warum reden Sie nicht darüber, dass die Rentenangleichung sofort erfolgen muss, dass die Menschen es verdient haben, dass die Renten angeglichen werden? Da höre ich noch im letzten Jahr auf einem Rentenforum, da wird eine Arbeitsgruppe gebildet, und nicht mal die Arbeitsgruppe gibt es. Gestern konnten wir vernehmen im Zusammenhang mit dem Bericht über die Deutsche Einheit, dass nun dieser Angleichung eine Absage erteilt wird durch die Koalition in Berlin. Nicht mit einem Ton wird hier darüber von der Koalition gesprochen. Das kann man doch nicht hinnehmen!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber selbstverständlich. – Regine Lück, DIE LINKE: Richtig. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die Ostdeutschen haben doch ein doppeltes Problem: Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander und die Schere zwischen Ost und West geht zusätzlich auseinander. Und das sind die Benachteiligungen, über die wir hier heute ganz konkret sprechen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und deswegen muss es auch einen Appell an die Bundesregierung geben. Warum macht sich der Landtag Mecklenburg-Vorpommern gegenüber der Bundespolitik nicht stark und sagt, wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse? Mit keinem Ton haben Sie das heute gesagt.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Damit versagen Sie erneut vor der Gesellschaft, vor den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, in ganz Ostdeutschland. Und das meine ich mit Entschlossenheit und Engagement.

Natürlich kann man auf dem hohen Ross sitzen und sagen, wir arbeiten daran, ja, und da müssen wir mal aufmerksam hinschauen. Es tut mir leid, meine Damen und Herren, ich kann es wirklich nicht mehr hören!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich kann das Gejammer aber auch nicht mehr hören. Ich kann das Gejammer auch nicht mehr hören.)

Und es glaubt Ihnen auch keiner, es glaubt Ihnen auch keiner. Wo ist denn Ihr Zukunftsprogramm für Mecklenburg-Vorpommern?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich krieg einen dicken Hals! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ihr dicker Hals interessiert mich nun wirklich überhaupt nicht in dieser Frage.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das macht nichts, das macht gar nichts. Mich interessiert das Gejammer auch nicht mehr.)

Die Frage betrifft doch auch, was die Bundespolitik an Kürzungen für Ostdeutschland vornimmt. Da wird in der Arbeitsmarktpolitik ganz stramm zusammengestrichen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Langzeitarbeitslose werden benachteiligt, das Programm „Soziale Stadt“ wird zusammengestrichen und auch der Stadtumbau Ost wird weitergeführt, aber auf niedrigem Niveau.

(Zurufe von Rainer Albrecht, SPD, und Regine Lück, DIE LINKE)

Wenn wir uns die ganze Energiepolitik anschauen, dann können wir doch hier wirklich lang und breit darüber diskutieren, dass die groß angekündigte Energiewende gar nicht erst in Gang gekommen ist, geschweige denn, dass da überhaupt konkret zu sehen ist, wie sie dann vorangehen soll. Und da reden wir über energetische Gebäudesanierung. Aber wo sind denn die ganz konkreten Programme dafür? Das sind doch alles Fragen, die hier auf den Tisch gehören, wenn es um den Erfahrungsvorsprung Ost geht.

Und, Herr Krüger, Sie haben hier einige Punkte an- gesprochen, ich glaube, das war eine positive Würdigung. Nehmen wir mal das längere gemeinsame Lernen oder auch die Frage, wie die Kinderbetreuung organi- siert war – ich lasse die Ideologie jetzt bewusst mal außen vor, nicht, dass Sie mir das jetzt gleich wieder vorwerfen –, das sind doch Erfahrungen, die wir gemacht haben. Und wenn der Osten die Erfahrung gemacht hat, dass die Arbeitgeber in Größenordnungen aus den Arbeitgeberverbänden ausgetreten sind, dann ist das auch ein Erfahrungsvorsprung, und zwar ein negativer Erfahrungsvorsprung.

Wir fordern deswegen, dass die Politik sich starkmachen muss, dass die Arbeitgeber wieder zurückkehren in die

Tarifgemeinschaft. Und da können Sie doch im Fachkräftebündnis genau darüber reden, da gibt es doch Appelle so wie andere Appelle, wie sie hier vom Wirtschaftsminister oder von anderen in der Öffentlichkeit getan werden und auch dazugehören. Ich glaube schon, dass politischer Druck notwendig ist, um hier mehr Tarifhoheit und Tarifgebundenheit tatsächlich hinzubekommen.

Und selbstverständlich geht es darum, mehr zu tun für die Menschen im Osten. Aber wenn es Ihnen an Visionen fehlt und einer konkreten Strategie – und Ihr Koalitionsvertrag ist keine Zukunftsstrategie, das ist ein,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh doch, Herr Holter.)

das ist ein Programm, wie Sie über die fünf Jahre bis 2016 kommen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, nein.)

nicht mehr und nicht weniger –, wird Ihnen das schlecht gelingen, diese umzusetzen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, Herr Holter, nun verkraften Sie die Niederlage endlich! Verkraften Sie es endlich, dass Sie sie nicht mehr machen dürfen!)

Das erleben wir ja, das erleben wir ja gerade. Doch, doch, doch, doch, doch!

Und deswegen ist es hier,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Verkraften Sie es endlich mal! Schauen Sie nach vorn!)