Die Forderung nach einer kollektiven Interessenvertretung ist daher überflüssig und unsystematisch. Die passt damit aber nahtlos in Ihr Bild des Antrages.
Kurz gefasst: Lehrbeauftragte sind keine Angestellten. Mir ist durchaus bewusst, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jedes Beschäftigungsverhältnis jenseits der Verbeamtung als Ausbeutung sozusagen betrachten.
Wundern Sie sich nicht, dass ich mich dieser Meinung nicht anschließe. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Mindestlohn muss für alle gelten, sowohl für die Friseurin, den Altenpfleger als auch für den Lehrbeauftragten. Die Frage des Mindestlohnes beziehungsweise seine positiven Wirkungen in defizitären Bereichen brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Die Landesregierung hat sich dazu schon eindeutig positioniert.
Dennoch will ich auf die spezifische Situation der Lehrbeauftragten aufmerksam machen. Für mich stellt sich ganz grundsätzlich die Frage: Mit wem vergleichen wir die Lehrbeauftragten, wenn wir von unzureichender Vergütung und sozialversicherungsrechtlich nicht gesicherten Beschäftigungsverhältnissen sprechen? Wir vergleichen sie mit dem hauptberuflich tätigen wissenschaftlichen Personal. Die Arbeitsbedingungen für die mit Arbeitsvertrag eingestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind gut: öffentlicher Dienst, tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen, Sozialversicherungsschutz und Zusatzversorgung, wer will, Kündigungsschutz und, und, und.
Lehrbeauftragte, meine Damen und Herren, sind jedoch nicht hauptberuflich an den Hochschulen tätig, sondern nebenberuflich, und das ist der entscheidende Unterschied. Die eigentliche Erwerbsquelle zur Sicherung des Lebensunterhalts liegt woanders.
Die Hochschule ist nicht Arbeitgeber, ein Vergleich der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen ist damit nicht möglich. Und dies gilt, obwohl beide Gruppen unter Umständen identische Tätigkeiten ausüben.
Und ich will jetzt nicht mit der Aussage schließen, dann ist ja alles gut. Es gibt die Entwicklung, dass zunehmend Lehraufträge auch zur Sicherung des Lehrangebotes erteilt werden. Lehrbeauftragte sind für die Hochschulen eine unverzichtbare Personalreserve und sie waren es schon immer.
Mir ist ein Aufsatz aus dem Jahre 1996 von Dr. Gerhard Reinecke in die Hände gefallen. Bevor hochschulrahmengesetzlich geregelt wurde, dass Lehrbeauftragte einerseits öffentlich beauftragt und eben nicht als freie Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter oder als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingestellt sind, gab es zahlreiche arbeits- und verwaltungsgerichtliche Auseinandersetzungen. In dem Aufsatz wird darauf aufbauend eine Typisierung vorgenommen, die meines Erachtens noch heute, 15 Jahre später, aktuell ist.
An den rechtswissenschaftlichen Fakultäten sind Lehrbeauftragte überwiegend Richter, Rechtsanwälte, Notare oder auch Verwaltungsbeamte sowie gelegentlich wissenschaftliche Mitarbeiter.
Gute Juristen sind auch an Fachhochschulen oder anderen Fachbereichen als Lehrbeauftragte gefragt. Lehrbeauftragte wissenschaftlicher Fakultäten sind oft als Freiberufler wie Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater oder in leitenden Positionen eines Unternehmens tätig. Vergleichbare Aussagen kann man für niedergelassene Ärzte oder Apotheker in medizinischen oder pharmazeutischen Disziplinen treffen.
Lehrbeauftragte geschichtlicher Fakultäten sind im Hauptberuf Lehrer oder Angestellte sonstiger Forschungs- und Bildungsanstalten. Lehrbeauftragte technischer Fachrichtungen schließlich sind ebenfalls als Freiberufler oder leitende Angestellte tätig.
Der Lehrauftrag verleiht wissenschaftliches Renommee, das der eigenen Karriere förderlich ist, dies ist Typus 1. Anders...
Herr Saalfeld, wenn Ihnen wirklich das Thema wichtig ist, dann hören Sie doch einfach mal zu! Das ist auch eine Grundvoraussetzung, die man bei Bildung lernt.
(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwischenrufe sind erlaubt. – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Tja, da klatscht die richtige Fraktion.)
Ich mache gerade in Vertretung für den Bildungsminister deutlich, dass wir bei der Frage Lehrauftrag über Personen reden, die in ganz unterschiedlichen Situationen sind. Und da gibt es auch Personen, die sind in schwierigen Situationen. Dazu komme ich noch, aber Sie müssen einem die Gelegenheit geben, erst mal dorthin zu kommen.
Also ich glaube, dass es so ist, wie es schon vor 15 Jahren war, und ich weiß, dass es heute noch so ist, das wissen wir doch,
dass es gut verdienende Leute gibt, ich habe eben darüber gesprochen, Wirtschaftsberater, Steuerberater,
Ärzte und so weiter, die diesen Lehrberuf noch dazu haben, wo das zusätzliche Geld sicherlich nicht schlecht ist, aber wo es vor allem um das wissenschaftliche Renommee geht.
Anders, meine Damen und Herren, sieht es hingegen bei den künstlerischen und wohl auch sprachvermittelnden Berufen aus. Dies ist der zweite zu beschreibende Typus. Und obwohl das ein Aufsatz von vor 15 Jahren ist, stimmt es heute mehr denn je.
Obwohl rechtlich als Nebenerwerb konzipiert, gehört der Lehrauftrag beispielsweise einer Kunst- oder Musikhochschule hier vielfach zu den existenzsichernden Einnahmen der Beauftragten. Auch das Vergabeverhalten der Hochschulen spiegelt diese Typisierung wider. Ein Blick in die Statistik des Statistischen Landesamtes macht deutlich, dass an der Hochschule für Musik und Theater Rostock im Jahre 2010 233 Lehrbeauftragte tätig waren, bei einer Stellenausstattung für 37 hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei den Universitäten stehen dagegen nur 382 Lehrbeauftragte 3.971 hauptberuflich beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gegenüber.
Das lässt den Schluss zu, dass bei der HMT ein Großteil des Lehrangebots der Hochschule durch Lehrbeauftragte gesichert wird. Im Bereich Musik der HMT Rostock werden durchschnittlich auch die höchsten Lehrverpflichtungen je Lehrauftrag erbracht, wie bereits auf Drucksache 6/1015 in der Antwort zu Frage 6 zu lesen ist. Die Daten belegen aber auch – und jetzt nehme ich wieder den oben oder zuerst beschriebenen Typus 1, also Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Ärzte et cetera in den Blick –, dass tatsächlich der durchschnittliche Umfang der Lehraufträge bei etwa vier LVS, also unterhalb einer als hauptberuflich geltenden Lehrtätigkeit liegt.
Meine Damen und Herren, die geforderte Einführung einer Mindestvergütung in die Lehrauftragsrichtlinie, die eine bisher die Vergabe regulierende Höchstvergütung ablösen soll, halte ich allerdings auch aus einem weiteren Grund für nicht zielführend, und dieser Grund ist recht simpel. Nach den Daten der bereits erwähnten Kleinen Anfrage schöpfen die Hochschulen den Höchstsatz regelmäßig aus. Sind diese Angaben richtig, wird Mindestvergütung von 8,50 Euro die Stunde längst gezahlt.
Die Antragsteller sehen nun nicht nur in einer Mindestvergütung, sondern auch in einer eigenen Personalvertretung die Lösung des Problems. Auch diesem Vorschlag vermag ich nicht zu folgen, bereits das in der Regel nur kurzzeitige, oft nur stundenweise Tätigwerden der Lehrbeauftragten steht einer kollektiven Interessenvertretung entgegen. Es muss die Frage erlaubt sein, wer wählt eigentlich wen, wenn ein ständiger Wechsel, kurze Zeit der Wählenden einerseits und der Gewählten andererseits vorprogrammiert ist. Und der Vergleich mit dem Landtag erschließt sich mir da nicht. Ich finde, dass das eine ganz pragmatische Frage ist, die man schon mal in diesem Zusammenhang stellen muss.
für ein Problem, was es differenziert geben kann. Und weil Sie sicherlich in Sachen Mindestlohn auch keine Belehrungen brauchen: Ich darf daran erinnern, es war vor allem die SPD in diesem Land, die jetzt gemeinschaftlich in dieser Großen Koalition einen Mindestlohn von 8,50 Euro durchgesetzt hat, und ich habe gerade
heute Morgen in der Fragestunde erklärt, dass es ganz einfach wäre, wenn wir das als Bundesgesetz hätten und dass wir aber derzeit in allen Bereichen prüfen, wie wir das durchsetzen.
Und, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie mich zuletzt auch noch als Sozialministerin eine Bemerkung machen an Sie, sehr geehrter Herr Saalfeld: Sie wissen, dass ich die GRÜNEN schätze, und ich schätze es auch, wenn frischer Wind ist. Und dieser frische Wind, dass der uns dann auch mal um die Ohren geht, das ist auch nicht schlecht. Aber ich finde persönlich, bei allem Engagement, dass Sie gelegentlich den Bogen überspannen. Wenn es Ihnen wirklich um die Sache geht – und Sie haben ja noch Redezeit, in der Sie sich austoben können –, dann müssen Sie sich einfach auch die Argumente, die gegen Ihre pauschalen Lösungen sprechen, anhören, und vielleicht könnte das dann ein gemeinsamer Auftakt sein zu einer Diskussion, was es konkret zu tun gibt.
Und wenn Sie hier Frau Dr. Seemann beleidigen mit dem Zitat: „Sie sprechen wie die Blinde von der Farbe“, würde ich Ihnen gern mal aus inklusionspolitischen Gründen sagen, Blinde haben Ahnung von der Farbe.
Also das möchte ich Ihnen schon sagen, das passt nicht. Sie müssen erst mal beweisen, dass Sie überhaupt über so viel Kompetenz und Erfahrung in Sachen Bildung und anderen Themen wie Frau Dr. Seemann verfügen, bevor Sie sich hier so aufspielen können!