Ich finde, dass am Ende nämlich ganz konkrete Argumente ausgetauscht werden müssen, weil die Frage „Mindestlohn“ sich auf den ersten Blick immer so einfach anhört. Und ich weiß es aus meinem Ressortbereich, dass man nicht mit pauschalen Lösungen immer allem gerecht wird. Ich zum Beispiel wollte mit Feuer und Flamme den Mindestlohn ins Landespflegegesetz
schreiben, bevor mir die Träger gesagt haben, wenn du das machst, dann sehen wir die Sorge, dass wir runterverhandelt werden. Ich will Ihnen nur sagen, die Frage „Mindestlohn“ ist nicht immer so einfach und pauschal. Und ich glaube, dass es interessanter wäre, die Argumente auszutauschen, sich zuzuhören und dann Lösungen im Sinne der Menschen zu finden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lehraufträge sind dafür da, qualifizierte Fachleute an die Hochschulen zu holen und den Studenten Erfahrungen aus der Praxis zu vermitteln. Idealerweise sollten sie hauptberuflich außerhalb der Hochschule tätig sein und ihre Praxiserfahrungen zeitweise in die Hochschule einbringen. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass es Lehrbeauftragte gibt, die von dieser Tätigkeit leben oder, besser gesagt, versuchen, davon
zu leben, hoch qualifizierte Akademiker, die sich auf Hartz-IV-Niveau herumschlagen und mit der Hoffnung auf bessere Tage selbsttrügerisch trösten.
Jährlich promovieren derzeit etwa 100.000 Männer und Frauen und noch einmal 2.000 habilitieren. Und denen stehen etwa 10.000 unbefristete Stellen an Hochschulen gegenüber. Gerade hervorragenden Hochschulabsolventen sollte sich diese Differenz nicht verbergen. Es kann nicht für jeden eine Stelle geben.
Das ändert allerdings nichts daran, dass Lehrkräfte als Ersatz für fehlendes Hochschulpersonal missbraucht werden und sich Akademiker dafür missbrauchen lassen, in der Hoffnung auf eine unbefristete Stelle. Und hier kommen die Rechenbeispiele der Antragsteller auf den Plan. Die Lehrbeauftragten würden nicht einmal den Mindestlohn bekommen, wenn man zu der geleisteten Präsenzstunde die Vor- und Nachbereitungszeit hinzurechnet. Diese wird dann auch jeweils mit einer Stunde angegeben. Woher Sie diese Zahlen jedoch haben, erschließt sich nicht. Eine Erhebung ist mir jedenfalls nicht bekannt.
Es bleiben also wieder mal zwei Möglichkeiten: Entweder die grüne Glaskugel oder irgendwann hat mal einer das für sich ganz persönlich angegeben und das wird nun, nachdem jeder vom anderen einmal abgeschrieben hat, einfach für alle angenommen. Aber es gibt sogar Aussagen von einem Tag Vor- und Nachbereitung. Wenn man den annimmt, dann müsste man nach Ihrer Intention einen Präsenzstundensatz von 367,50 Euro zahlen oder einzelfallbezogen auf Vertrauensbasis abrechnen.
Wer sich für eine wissenschaftliche Karriere über den Weg von Lehraufträgen entscheidet, begibt sich in einen wissenschaftlichen Wettbewerb mit unklarem Ausgang. Es gibt weder Garantien für eine Übernahme noch dafür, dass irgendwann die Traumstelle frei wird, auf die die Qualifikationen des Kandidaten exakt passen. Das Risiko dieses Weges geht jeder Einzelne für sich allein eigenverantwortlich, genau wie auch jeder Einzelne entscheidet, einen Lehrauftrag zu einem bestimmten Stundensatz anzunehmen. Jeder Einzelne kann für sich errechnen, ob er für dieses Geld seinen Dienst antreten wird oder eben nicht.
Unsozialer als die Nichtzahlung eines fiktiven Mindestlohnes ist es, hoch qualifizierte Menschen mit ausgewiesenen Nebentätigkeiten in die Lage zu versetzen, ein Leben zu bestreiten und damit Hoffnungen am Köcheln zu halten, die sich wohl niemals erfüllen werden. Wenn die Arbeit zum Leben nicht ausreicht, dann muss man sich der Realität stellen und von Karriereträumen im universitären Bereich Abstand nehmen. So mitleiderregend die Einzelsituationen auch sind, es darf nicht Aufgabe des Staates sein, fehlende akademische Stellen mit vermeintlich sozial gerechten Lehraufträgen zu ersetzen.
Ihren Punkt I. a) lehnen wir daher ab. Da wir aber in den Punkten I. b), c) und d) begründete Forderungen sehen, beantrage ich hiermit die Einzelabstimmung über die Punkte und Unterpunkte.
Den Punkt II lehnen wir ab, da sich, wie es die Richtlinie über die Vergabe von Lehraufträgen klar vorgibt, mit den Lehrbeauftragten kein Dienstverhältnis begründet. Ihr Lehrauftrag findet im Rahmen einer selbstständigen und selbstverantwortlichen Tätigkeit statt und da ist
schon rein rechtlich die Forderung nach einem Rechtsanspruch der Interessenvertretung an der Hochschule abzulehnen. – Vielen Dank.
(Dr. Margret Seemann, SPD: Was?! – Udo Pastörs, NPD: Das steht Ihnen gar nicht zu als Präsidentin, was Sie da machen!)
Sie sind die Partei des Mindestlohns, sagten Sie gerade, Frau Schwesig, und bedürfen daher keiner Belehrung. Ja, Frau Schwesig, auf jeden Fall, das spreche ich Ihnen zu, Sie haben den Mindestlohn hier eingeführt, aber Ihr Mindestlohn ist ein Schmalspurmindestlohn und Sie messen hier immerzu mit zweierlei oder dreierlei Maß. Und ich finde, ein Mindestlohn sollte für alle gelten. Deswegen erlaube ich mir hier trotzdem die Kritik, dass wir den Mindestlohn auf möglichst viele Berufsgruppen ausweiten sollten.
Wie angekündigt gehe ich jetzt auf die Problematik der unbezahlten Lehraufträge ein, weil ich das vorhin zeitlich nicht geschafft habe. Fast zehn Prozent der Lehrbeauftragten haben in den letzten Semestern nicht nur unterbezahlt, sondern sogar unentgeltlich gearbeitet. Zehn Prozent! Dabei steht im Landeshochschulgesetz im Paragrafen 76 Absatz 2 unmissverständlich, Zitat: „Der Lehrauftrag ist zu vergüten.“ Das wird zwar eingeschränkt, nämlich, „außer der oder die Lehrbeauftragte verzichtet auf eine Vergütung“. Mit diesem bedenkenswerten Zusatz steht es immerhin im Gesetz. Schon das ist doch kurios.
Es gibt nicht gerade viele Gesetze – berichtigen Sie mich gern –, aber es gibt nicht gerade viele Gesetze, in denen ein möglicher Verzicht auf Arbeitslohn bereits rechtlich geregelt ist. Im Gegenteil: Vielfach verhindern Gesetze und Tarifvereinbarungen sogar den individuellen Verzicht auf Leistungen, eben um Lohndumping und den selbstzerstörerischen Wettbewerb zwischen den einzelnen Arbeitnehmern zu verhindern. Lehrbeauftragte finden auf den entsprechenden Formularen hingegen sogar ein großes Kästchen, damit sie den Lohnverzicht schnell und unbürokratisch ankreuzen können.
Man stelle sich dies für Bäcker, Beamte oder Hubschrauberpiloten im Landesdienst vor – ein Arbeitsvertrag mit einem Kästchen für den Gehaltsverzicht, unvorstellbar meines Erachtens! Auch bei Ausschreibungen oder bei öffentlichen Aufträgen für Selbstständige
und Freiberufler ist so ein Kästchen meines Wissens nicht üblich. Und das ist auch richtig so, denn aus einer Vielzahl von Gründen …
Und das ist auch richtig so, denn aus einer Vielzahl von Gründen ist es in diesem Land eine Selbstverständlichkeit, dass geleistete Arbeit honoriert wird, und das muss auch für Lehrbeauftragte an den Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern gelten.
Die Promotionsstudenten und -studentinnen – und es handelt sich eben leider nicht nur um reiche Ärzte und was Sie da sonst noch alles in Ihren Vorstellungen hantieren – der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock haben unlängst die Praxis der unentgeltlichen Lehraufträge an ihrer Universität kritisiert.
Ich habe nicht gesehen, dass die Ärzte auf die Barrikaden gegangen sind. Das ist ein realer Fakt, da gehen Leute auf die Barrikaden an den Hochschulen, haben diese Praxis also kritisiert.
Mehrfach sei es vorgekommen, dass Promovenden zu kostenloser Lehre gedrängt worden seien. Es ist schwer, seinem Doktorvater oder seiner Doktormutter einen solchen Wunsch auszuschlagen, das können wir uns alle vorstellen.
Nachwuchswissenschaftler stehen aber noch unter einem anderen Druck. Für eine weitere wissenschaftliche Karriere müssen sie in der Regel Lehrerfahrungen nachweisen. Vor die Wahl gestellt, einen unbezahlten Lehrauftrag zu erhalten oder gar keinen, entscheiden sie sich oft mehr oder weniger freiwillig für die unbezahlte Arbeit.
Die Zukunftsängste junger Akademiker werden hier einfach unter Billigung des Staates ausgenutzt. Damit muss meines Erachtens in Zukunft Schluss sein!
Dabei ist Berufserfahrung natürlich in allen Branchen für den beruflichen Werdegang vorteilhaft oder sogar notwendig. Aber niemand käme auf die Idee, von einem KfzSchlosser oder einem Amtsrichter zu verlangen, erst einmal ein wenig unbezahlt zu arbeiten, um damit Berufserfahrung zu sammeln. Wo leben wir denn?