Protocol of the Session on September 26, 2012

Lehrerprüfungsverordnung, Volksinitiative zum Theater zum Beispiel. Das musste auch innerhalb von vier Wochen über die Bühne gehen.

(Torsten Renz, CDU: Nee, jetzt waren wir bei Schule. Jetzt waren wir bei Schule!)

So muss dieser Gesetzentwurf bereits in der Dezembersitzung abschließend beraten werden, damit er rechtzeitig zu Jahresbeginn in Kraft treten kann. Der Landtag, insbesondere die Opposition, hat aber unter anderem die Aufgabe, die Arbeit der Landesregierung zu kontrollieren.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, ja, aber Sie sollen auch eigene Vorschläge machen.)

Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Fraktionen auch die Zeit bekommen, ihre Informations- und Mitwirkungsrechte sachgerecht auszuüben. Das gilt für die Theaterkonzepte, die uns gestern erst vorgestellt wurden, es gilt aber ebenso für diesen Gesetzentwurf. Dies ist auch eine Frage des Respekts gegenüber dem Parlament.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: Sehr richtig.)

Wir haben diesem Zeitplan trotzdem zugestimmt, weil wir nicht wollen, dass die rechtzeitige Entfristung der Schulwahlfreiheit an der verspäteten Einbringung durch die Landesregierung scheitert.

(Manfred Dachner, SPD: Scheitert auch nicht.)

Denn auch wir sind der Meinung, dass die freie Schulwahl künftig weiterhin möglich sein soll. Dies ist allerdings auch der einzige Punkt der Schulgesetznovelle, den wir uneingeschränkt begrüßen können.

(Vincent Kokert, CDU: Reden Sie das Land nicht schlecht!)

Im Prinzip teilen wir auch noch die Auffassung, dass einheitliche Maßstäbe bei der Leistungsbewertung sinnvoll sein können. Bisher sieht das Schulgesetz, wie bereits gehört, vor, dass jede Schule sich eigene Maßstäbe gibt. Dies kann von Schule zu Schule, manchmal aber auch innerhalb einer Schule beziehungsweise innerhalb einer Fachschaft zu erheblichen Unterschieden bei der

Bewertung führen. Einheitliche Bewertungsregelungen können diese Unterschiede verringern. Es ist aber ein Trugschluss anzunehmen, dass sie wirklich zu einer einheitlichen Bewertung führen würden. Auch mit Prozenttabellen ist die Benotung weiterhin in gewissem Maß abhängig von der subjektiven Entscheidung des Lehrers oder der Lehrerin,

(Torsten Renz, CDU: Das stimmt, Frau Berger.)

von der Schwere der Aufgabenstellung, vom Leistungsniveau der Klasse und zahlreichen weiteren Faktoren. Ich möchte da nur erinnern an die Studie der Hochschule Oldenburg aus dem September 2010, wo es darum ging, dass alleine der Name ausschlaggebend für die Bewertung war bei der gleichen Arbeit, also heißt ein Junge beispielsweise Kevin oder heißt er Lucas oder Jacob.

(Torsten Renz, CDU: „Kevin“ war ein gutes Beispiel. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Wenn hier nun das Prinzip der Selbstständigen Schule zugunsten eines zentralen Systems verlassen wird, handelt es sich gleichwohl um eine erhebliche Veränderung. Die einheitlichen Leistungsmaßstäbe betreffen alle Schülerinnen und Schüler dieses Landes. Ein neues Bewertungsmodell hat unmittelbare Auswirkungen auf die Abschlusszeugnisse. Es muss daher mit Bedacht entwickelt und vor allem mit Sachverständigen beraten werden. Wir fordern darum, dass der Bildungsausschuss einer entsprechenden Regelung zustimmen muss, wie dies auch bei der Lehrerprüfungsvorordnung vorgesehen ist. Das Parlament muss hier seiner Kontrollpflicht nachkommen dürfen.

Dabei werden wir allerdings auf eine Schwierigkeit stoßen. Und damit komme ich zurück auf meine Kritik am parlamentarischen Verfahren. Denn während wir hier darüber beraten, ob es künftig einheitliche Leistungsbewertungen geben soll, wenden die Schulen diese Leistungskriterien teilweise schon an. Im Schulamtsbezirk Rostock – und vermutlich auch darüber hinaus – wurde den Gymnasial- und Gesamtschulen bereits das neue Bewertungssystem übermittelt. Die Empfehlung lautete, die einheitlichen Maßstäbe sollten freiwillig für die 11. Klassen zu übernehmen sein. Dies ist auch so geschehen.

Die Bereitschaft ist aus Schulsicht natürlich auch verständlich. Denn sonst würden die 11. Klassen in diesem Schuljahr nach dem alten schulinternen Modell bewertet werden, im nächsten Schuljahr aber mit dem neuen einheitlichen Modell. Somit würden für einen bestimmten Schülerkreis zwei unterschiedliche Benotungssysteme in das Abiturzeugnis einfließen. Das Ganze führt zu der unmöglichen Situation, dass die Schulen bereits heute nach einem einheitlichen Modell bewerten, dessen Einführung voraussichtlich aber erst im Dezember hier in diesem Haus beschlossen wird,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

schlimmer noch, das Modell selbst wurde bisher weder veröffentlicht noch den Fraktionen zur Kenntnis gegeben.

Der Gesetzgeber ist aber nicht dafür da, Regelungen im Nachhinein zu legitimieren, die von der Landesregierung

insgeheim vorher schon eingeführt wurden. Wenn nämlich Sachverständige und Abgeordnete nun Bedenken gegen einzelne Regelungen hätten, müssten sie bei Änderungsvorschlägen in Kauf nehmen, dass für die Elftklässler dieses Landes erhebliche Unwägbarkeiten entstünden. Dies ist keine akzeptable Situation für ein parlamentarisches Verfahren und hätte ohne Weiteres dadurch verhindert werden können, dass dieser Gesetzentwurf rechtzeitig vorgelegt wird.

(Vincent Kokert, CDU: Jetzt werden Sie aber ernst, Frau Berger, jetzt werden Sie ernst.)

Auch für die einheitlichen Bewertungsmaßstäbe des Arbeits- und Sozialverhaltens werden wir eine Zustimmungspflicht des Bildungsausschusses beantragen. Wir halten eine Vereinheitlichung hier nicht für den richtigen Weg. Kopfnoten können aus unserer Sicht die komplexe Entwicklung einer Schülerpersönlichkeit nicht angemessen darstellen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Sie dienen zu oft der Disziplinierung der Schülerinnen und Schüler, anstatt fördernde Impulse zu geben.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Einheitliche Maßstäbe würden die Illusion der Objektivität noch zusätzlich befördern. Dies zeigt sich schon daran, dass das Arbeits- und Sozialverhalten laut Punkt 16 des Gesetzentwurfes künftig nicht mehr auf Klassenkonferenzen besprochen werden soll. Hier handelt es sich aber um eine fächerübergreifende Bewertung. Und was, wenn nicht das Arbeits- und Sozialverhalten sollte im Rahmen mit allen Lehrern einer Klasse gemeinsam besprochen werden? Auch hier sehen wir dringenden Änderungsbedarf.

Den größten Einwand, und Herr Minister Brodkorb hat es bereits erwähnt, erheben wir jedoch gegen die ersatzlose Streichung der individuellen Förderpläne für einen Großteil der Schülerinnen und Schüler.

(Vincent Kokert, CDU: Wirklich?!)

Wir können dieses Vorhaben nicht nachvollziehen.

(Marc Reinhardt, CDU: Fragen Sie mal die Lehrer!)

Immerhin wurden diese Förderpläne, und da müssten Sie, Herr Kokert, eigentlich an meiner Seite sein,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

immerhin wurden diese Förderpläne erst vor drei Jahren durch die rot-schwarze Landesregierung eingeführt.

(Vincent Kokert, CDU: Hat bloß niemand umgesetzt. Fragen Sie mal die Lehrer vor Ort, haben sie alles in die Ecke geworfen.)

Und der damalige Bildungsminister Tesch wies bei der Schlussabstimmung zur damaligen Schulgesetznovellierung in diesem Haus ausdrücklich darauf hin, ich zitiere: „Im Mittelpunkt steht der Rechtsanspruch der Schülerinnen und Schüler auf … individuelle Förderung.“ Im Mittelpunkt!

Es ist wichtig zu wissen, dass es sich bei der Streichung der individuellen Förderpläne nicht etwa um ein kleines Detail handelt, sondern um die Revidierung eines Kernanliegens der letzten Schulgesetznovelle, und zwar ohne irgendein Alternativkonzept vorzulegen.

(Torsten Renz, CDU: Das ist aber hart jetzt, der Vorwurf.)

Nun erwarten wir nicht, dass eine Landesregierung stur an einmal gefassten Beschlüssen festhält.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Selbstverständlich kann und soll korrigiert werden, was sich nach einer fundierten Auswertung als fehlerhaft oder sogar unsinnig erweist.

(Vincent Kokert, CDU: Aber in dem konkreten Fall sind Sie nicht der Meinung?)

Genau. In diesem Fall ist das leider nicht passiert, Herr Kokert.

(Vincent Kokert, CDU: Schade.)

Denn die entscheidenden Fragen sind doch: Sind die Förderpläne ein hilfreiches Mittel oder nicht? Haben sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler mit diesen Plänen verbessert?

(Vincent Kokert, CDU: Nee, das hat ja keiner geschrieben, das ist ja das Schlimme. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist ja Rechtsbruch gewesen.)

Fühlen sich Eltern und Schüler pädagogisch besser betreut? Konnten individuelle Schwächen und natürlich auch individuelle Talente und Fähigkeiten stärkere Beachtung finden? Das alles wäre durch Begleitstudien zu untersuchen gewesen und dann hätte hier über den Erfolg oder die Notwendigkeit dieser Methode individueller Förderung eine sachliche Debatte geführt werden können. Und wir wären die Ersten, die mit Ihnen über eine Optimierung der Maßnahmen sprechen würden.

(Vincent Kokert, CDU: Natürlich.)

Doch eine solche Evaluation liegt leider nicht vor. Stattdessen wird der Verzicht auf Förderpläne für alle nur mit der notwendigen Entlastung für die Lehrerinnen und Lehrer begründet, als wäre es nach 2009 eine völlig überraschende Entwicklung gewesen, dass die Förderpläne zu Mehrarbeit führen würden. Meine Damen und Herren, „Die Förderpläne für Schülerinnen und Schüler sind ein geeignetes Instrument, um jede Schülerin und jeden Schüler entsprechend seiner Eignung und Leistung zu fördern“. Diese Aussage stammt nicht von mir, sondern aus der Begründung des Antrages von SPD und CDU, den wir am Freitag noch besprechen werden.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist eine Rede von Herrn Tesch damals.)