Protocol of the Session on August 30, 2012

Insofern zeigen die vielen Beispiele, dass es Zeit wird, das Thema Minijobs anzugehen. Wie Sie wissen, habe ich hier intensive Gespräche mit den Gewerkschaftsvertretern bereits geführt. Dennoch muss uns klar sein, dass Veränderungen an den Minijobs deswegen auch schwierig sind, weil es sicherlich Menschen gibt, für die das gar nicht die dauerhafte Lösung ist, wie Studenten oder Rentner, und die ziemlich enttäuscht wären, wenn man ihnen diese zusätzliche Möglichkeit wegnimmt. Bei uns im Land sind es immerhin 90.000 Menschen, die einen Minijob haben, und deshalb ist es wichtig, dass wir uns diesem Thema widmen.

Aber die Kritik an den Minijobs zeigt jedenfalls, dass die Bundesregierung meines Erachtens nicht die richtige Schlussfolgerung daraus gezogen hat, obwohl es ihre eigene Sachverständigenkommission ist, die ja sagt, die Minijobs sind eigentlich Gift, auf Dauer darauf zu setzen. Die Bundesregierung will die Minijobs ausweiten durch die Anhebung der Bezugsgrenze. Und das lehnt die Landesregierung ab. Dem wird sie natürlich im Bundesrat nicht zustimmen.

Ich finde, zum Thema prekäre Beschäftigung gehört mehr als das Thema Minijobs. Wir müssen generell

den Niedriglohnbereich im Auge haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns weiter für den Mindestlohn von 8,50 Euro einsetzen und dass wir im eigenen Land ganz konkrete Schritte gegangen sind. Und es ist auch wichtig, vor allem darauf zu achten, dass im Bereich Minijobs oft nicht nur für 400 Euro gearbeitet wird, sondern dass damit ja auch viel Schwarzarbeit verdeckt wird.

Wir haben Initiativen bereits gestartet zum Thema Mindestlohn, und das wissen Sie. Ich habe schon gestern angekündigt die Initiative auf der nächsten Arbeits- und Sozialministerkonferenz, wir haben auch Initiativen anderer Länder im Bundesrat unterstützt, wir bleiben da dran. Insofern erübrigt sich meines Erachtens der Antrag, weil, wie gesagt, das Thema Minijobs ist schon länger ein Thema, das ist auch öffentlich bekannt durch diverse Pressemitteilungen, gemeinschaftlich zum Beispiel mit dem DGB. Wir werden die Anhebung der Einkommensgrenzen nicht mittragen, an der Unterstützung für den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn sind wir dran. Und wie Herr Foerster sagt, dieser Mindestlohn würde automatisch eine Stundenbegrenzung sein.

Die Frage der Weiterbildung ist eine richtige Frage. Meines Erachtens wäre es besser, zu einer Regelung zu kommen, dass es für jeden Minijob auch einen schriftlichen Arbeitsvertrag gibt, in dem diese Dinge drinstehen. Insofern ist die Aufforderung, den Einfluss im Bündnis für Arbeit geltend zu machen, auch nicht mehr notwendig, weil ich dieses Thema schon angesprochen habe. Insofern sehen Sie, auch bei diesem Thema ist die Landesregierung dran, und deshalb bedarf es dieses Antrages nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Entwicklung bei den Minijobs ist ein Problem. Es ist kein arbeitsmarktpolitischer Erfolg, wenn jeder fünfte Job ein Minijob ist. Vielmehr ist es ein Armutszeugnis, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache. Die meisten Minijobberinnen und Minijobber finden sich in Dienstleistungsbranchen wie Handel, Hotel- und Gaststättengewerbe, Gesundheitswesen, also in „klassisch frauen- dominierten Berufssparten“. Die größte Altersgruppe bilden die 45- bis 50-Jährigen, also Menschen im sogenannten besten Alter.

Die soziale Absicherung von Minijobberinnen und Minijobbern ist völlig unzureichend. Aus einem Minijob ergeben sich keine Versicherungsansprüche in Bezug auf Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung und nur sehr geringe Rentenversicherungsansprüche. In den vergangenen zehn Jahren ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bundesweit kontinuierlich gesunken um 1,5 Millionen. Gleichzeitig ist die Teilzeitbeschäftigung um insgesamt 1,7 Millionen angestiegen. Zwei Drittel dieses Anstieges entfallen auf Minijobs. Wer angesichts solcher Zahlen bestreitet, dass Minijobs reguläre Beschäftigung ersetzen, der, meine Damen und Herren, will den Missstand nicht sehen und der will auch nicht sehen, dass inzwischen ganze Branchen auf das Geschäftsmodell Minijob setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Minijobs rechnen sich für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, nicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Minijobs sind durch Niedriglöhne, hohe Fluktuation und sehr geringe Aufstiegsmöglichkeiten für die so Beschäftigten gekennzeichnet. Die Kritik an den Minijobs wächst. Immer mehr Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Verbänden und Gewerkschaften, so beispielsweise der Deutsche Frauenrat, der Sachverständigenrat, die Bertelsmann Stiftung, der DGB, das IAB, um nur einige zu nennen, kritisieren die Minijobs und fordern deren Abschaffung in der bestehenden Form.

Es ist doch absurd, mit viel Geld ein Beschäftigungsinstrument zu subventionieren, das maßgeblich zur Ausweitung des Niedriglohnsektors beiträgt. Es ist gleichfalls absurd, ein Beschäftigungsinstrument zu fördern, das für Arbeitslose nur in Ausnahmefällen einen dauerhaften Einstieg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung schafft. Ein Instrument, das kein existenzsicherndes Einkommen und keine eigenständige soziale Sicherung bietet und das die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt behindert, kann kein Zukunftsmodell sein.

Zwei Drittel aller Minijobs werden von Frauen ausgeübt. Für die meisten dieser Frauen sind sie eine Niedriglohnfalle. Sie bleiben die sogenannten Zuverdienerinnen und laufen Gefahr, in Altersarmut zu landen. Minijobs tragen dazu bei, dass das Fachkräftepotenzial vieler Frauen ungenutzt bleibt. Das alles widerspricht unseren Bündnisgrünen-Zielen und -Ansprüchen in der Arbeitsmarktpolitik, aber auch in der Frauen- und Gleichstellungspolitik.

Die geplante Ausweitung der Minijobverdienstgrenzen von 400 auf 450 Euro lehnen wir Bündnisgrünen deshalb ab. Wir brauchen kein Wachstum prekärer Jobs, sondern mehr existenzsichernde Beschäftigung mit Perspektiven.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn, der automatisch auch eine Begrenzung der Wochenarbeitszeit in Minijobs bedeuten würde. Wir unterstützen den Antrag der LINKEN-Fraktion.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wundere mich doch sehr. Hat irgendjemand von Ihnen wirklich zu irgendeinem Zeitpunkt geglaubt, dass Minijobs Leuten, irgendwelchen Menschen ihre Existenz sichern können?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Offensichtlich die Bundesregierung von Schröder.)

Minijobs, wie der Name sagt, sind Zuverdienstmöglichkeiten,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Tegtmeier, seit wann gibt es denn so was?)

Zuverdienstmöglichkeiten.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und jeder, der da was anderes hineininterpretiert,

(Heinz Müller, SPD: Du hast völlig recht.)

interpretiert da, glaube ich, zu viel hinein.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und ich bedauere es eigentlich sehr, Herr Foerster, dass Sie Ihre Kleine Anfrage an die Landesregierung so unspezifisch gestellt haben, was den Zuverdienst zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung angeht. Sie haben das vermischt, Vollzeit mit Teilzeit, das ist von daher überhaupt gar nicht aussagekräftig, weil ich gehe davon aus und ich habe den Anspruch, dass jeder Mensch seinen Lebensunterhalt mit einer Vollzeitstelle sichern können soll,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sollte.)

sichern können soll. Deswegen setzen wir uns ja auch vehement für Mindestlöhne ein, absolute Untergrenze 8,50 Euro. Das gilt nicht nur für einen Vollzeitjob, für einen Teilzeitjob, das gilt selbstverständlich für jede andere Beschäftigung hier im Land auch.

Und schon aus diesem Grund würde ich niemals davon ableiten, dass auch jeder, der einen Teilzeitjob ausübt, dass ich den Anspruch habe, dass jeder, der irgendeine Stelle ausübt, damit seine Existenz sichern kann,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Torsten Renz, CDU: Sehr richtig.)

gleichwohl ich das an einen Vollzeitarbeitsplatz doch knüpfe.

Frau Tegtmeier, lassen Sie eine Anfrage des Abgeordneten Foerster zu?

Eine lasse ich zu.

Frau Kollegin Tegtmeier, können Sie mir die Frage beantworten, wer denn eigentlich verantwortlich war für die Einführung dieses Instrumentes?

Sie spielen jetzt wieder auf das Jahr 2003 an. Zu diesem Zeitpunkt war ich persönlich zum Beispiel sehr engagiert im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. Da haben wir uns vehement gerade dagegen gewehrt, haben uns leider, wie wir alle wissen, nicht durchgesetzt. Wir haben uns seinerzeit auch intern, parteiintern gegen etliche Auswüchse oder Regelungen bei den Hartz-IVGesetzen verwahrt, weil das, und das ist immer noch meine feste Überzeugung, für Frauen besondere Nachteile brachte. Ich sage nur allein das Wort „Familienvorstand“, was wieder auf den Tisch kam, und anderes mehr. Ich weiß, dass Sie das sehr gern machen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nein, weil Sie uns vorwerfen, dass wir uns dafür engagieren.)

dass Sie uns Sippenhaft vorwerfen für alle Entscheidungen, die jeweils unter sozialdemokratischer Federführung getroffen sind, uns hier haftbar machen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist Tatsache. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Machen Sie das weiter so! Ich halte es im Gegenzug trotzdem nicht so,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

aber bitte, das können Sie tun, wie Sie wollen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Eiertanz.)

Sehr geehrte Damen und Herren, in erster Linie sind meiner Auffassung nach nicht die Minijobs als solche, sondern deren Missbrauch das Problem.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Keine Alternative.)

Deren Missbrauch!

(Torsten Renz, CDU: Genau. Das ist richtig, Frau Tegtmeier.)

Wenn die Fraktion DIE LINKE hier in der Einleitung unter Punkt 1 des Antrages formuliert: „Werden reguläre Beschäftigungsverhältnisse durch Minijobs verdrängt, verringern sich die Einnahmen für die sozialen Sicherheitssysteme“, würde ich sagen, wenn reguläre Beschäftigungsverhältnisse durch Minijobs verdrängt werden, ist das eine riesengroße Schweinerei.

(Heinz Müller, SPD: So ist es.)