Beratung des Antrages der Volksinitiative gemäß Artikel 59 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern „Für den Erhalt einer bürgernahen Gerichtsstruktur in Mecklenburg-Vorpommern“, Drucksache 6/1021.
Antrag der Volksinitiative gemäß Artikel 59 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern „Für den Erhalt einer bürgernahen Gerichts- struktur in Mecklenburg-Vorpommern“ – Drucksache 6/1021 –
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! „Volksinitiative bedeutet das Recht der wahlberechtigten Bürger, … dem Landtag Vorlagen zu unterbreiten, die Gegenstände der politischen Willensbildung“ sind. So sieht es Paragraf 2 Absatz 1 des Volksabstimmungsgesetzes in Verbindung mit der Landesverfassung vor.
Die Bürger sind also nicht darauf angewiesen, zu warten, bis ihre Abgeordneten ein Thema auf die Tagesordnung setzen. Sie können auch selbst aktiv werden und mitbestimmen, über welches Thema im Landtag debattiert werden soll. Von diesem Recht haben die Urheber der Volksinitiative Gebrauch gemacht. Sie zwingen den Landtag jetzt, sich mit ihrem Anliegen zu beschäftigen.
Ob dies angesichts der Tatsache, dass sich der Landtag bereits auf zwei Landtagssitzungen, diversen Rechtsausschusssitzungen damit befasst hat und angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Gesetzesvorhaben handelt, mit dem sich der Landtag ohnehin noch beschäfti
gen muss, erforderlich war, mag dahinstehen. Immerhin hat die Volksinitiative die Bedeutung der Justiz als dritte Säule der staatlichen Gewalt in den Blickpunkt von mehr als 35.000 Menschen gerückt.
Über 35.000 Unterschriften, ich finde, eine beeindruckende Zahl von Menschen, die sich der Forderung der Volksinitiative an den Landtag, „einer Schließung einzelner Gerichtsstandorte nur zuzustimmen, wenn die Präsenz der Justiz in einem Flächenland (wie) MecklenburgVorpommern erhalten bleibt und der Zugang der Bürger und Unternehmen zum Recht … nicht unangemessen erschwert wird“, angeschlossen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Allgemeinheit formuliert, hätte selbst ich unterschreiben können.
Aber schauen wir uns die Begründung noch einmal genauer an. Hier heißt es, dass nur noch 8 von 21 Gerichtsstandorten erhalten bleiben sollen, deshalb seien Entfernungen von mehr als 100 Kilometern zu befürchten.
Auch könne „die vorgesehene Einrichtung von Zweigstellen“ den Erhalt der Justiz in der Fläche nicht begründen, da sie problemlos „durch Rechtsverordnung“ am Landtag vorbei „aufgelöst werden können“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit dem Start der Volksinitiative im April sind nunmehr fast fünf Monate vergangen und vieles, was die Volksinitiative an Szenarien an die Wand gemalt hat, ist längst nicht mehr richtig – und das bereits einen Monat nach dem Start der Volksinitiative. Schon Anfang Mai habe ich Überlegungen meines Hauses öffentlich gemacht, die deutlich von den Befürchtungen der Initiatoren der Volksinitiative abweichen. Ich bin zu den Mitarbeitern in den Gerichten gefahren und habe mir ihre Argumente angehört. Ich habe alle Beteiligten und Interessierten aufgefordert, ihre Anregungen und Hinweise einzubringen.
Unter Berücksichtigung der Argumente, Anregungen und Hinweise und der inzwischen erfolgten Wirtschaftlichkeitsberechnung hat dann der Koalitionsausschuss in der letzten Woche die Eckpunkte festgelegt, auf deren Grundlage nunmehr ein Gesetzentwurf erarbeitet werden soll. So ist vereinbart worden, dass der Gesetzentwurf, anders als von der Volksinitiative dargestellt, 10 Amtsgerichte mit 15 Standorten, an denen amtsgerichtliche Aufgaben wahrgenommen werden sollen, beinhalten soll. Anders als es die Volksinitiative darstellt, sollen dabei die Zweigstellen im Gesetz als solche festgeschrieben werden. Damit können die Zweigstellen, anders als die Volksinitiative es darstellt, nur durch das Parlament im Rahmen einer Gesetzesänderung aufgelöst werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Veröffentlichung der Eckpunkte, die letzte Woche im Koalitionsausschuss vereinbart wurden, hat hohe Wellen im Meinungsbecken der Opposition geschlagen. Es war von Missachtung des Willens der Volksinitiative und von Missachtung der Bürgerbeteiligung die Rede.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Volksinitiative bringt den Landtag dazu, sich mit einem Thema zu beschäftigen, sie bewirkt aber nicht, dass eine Regierung ihre Arbeit an einem Gesetzesvorhaben unterbricht oder einstellt, bis der Landtag sich mit der Volksinitiative beschäftigt hat.
Insofern wundere ich mich schon, wenn Parlamentarier, die es eigentlich besser wissen müssten, davon reden, dass die Gerichtsstruktur nun bereits festgezurrt sei. Sie haben sich bereits in den letzten Landtagssitzungen ohne Volksinitiative mit der Gerichtsstrukturreform beschäftigt.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn man weiß, wie Koalitionsausschüsse arbeiten, kann man so etwas auch behaupten.)
Sie tun es heute erneut aufgrund der Volksinitiative und es wird nicht das letzte Mal sein, schließlich sind Sie diejenigen, die entscheiden, wie die Gerichtslandschaft zukünftig aussehen wird. Die dafür notwendige Entscheidungsgrundlage wird Ihnen der in Erarbeitung befindliche Gesetzentwurf liefern, der voraussichtlich im März 2013 den Landtag erreichen wird. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass Vertreter der Volksinitiative heute anwesend sind.
Der Erhalt einer bürgernahen Gerichtsstruktur in Mecklenburg-Vorpommern ist unser gemeinsames Ziel. Kernanliegen der Reformbemühungen ist es, langfristig bedarfsgerechte und tragfähige Strukturen zu schaffen. Nur dann kann es gelingen, auch zukünftig die hohe Qualität der Rechtsprechung in angemessener Zeit zu sichern.
Die Notwendigkeit einer Änderung überhaupt wird von dem einen oder anderen infrage gestellt, ganz nach dem Motto: Es läuft alles bestens. Auch wenn dies in vielen Bereichen gegenwärtig gilt, perspektivisch wird das nicht mehr überall der Fall sein können.
Es gibt Faktoren und Einflüsse, die auch Landesregierung und Landtag hier zum Handeln veranlassen. Dies ist zum einen die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung. Die Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern wird bis zum Jahr 2030 noch weiter zurückgehen. Weitere Einflussfaktoren sind unsere Alters- und Erwerbsstrukturen. Dies ist der eine Faktor, der fast alle Teile unseres Bundeslandes betreffen wird. Eine andere und auch nicht zu unterschätzende Tatsache ist, dass sich das Land auf zurückgehende Finanzmittel einstellen muss. Dem kann sich auch der Bereich der Justiz nicht verschließen. Es ist daher besonders im Hinblick auf den Demografiebericht der Landesregierung vom Januar 2011 keine Überra
Sehr geehrte Damen und Herren, alle Bereiche des Landes müssen sich an sinkende Bevölkerungszahlen und eben auch an wegfallende Solidarpakteinnahmen anpassen. Auch die Gerichte müssen dort ihren Beitrag leisten.
Dass die gegenwärtige Gerichtsstruktur in unserem Land angesichts der Entwicklung nicht auf Dauer ohne Anpassung bestehen kann, liegt bei sachlicher und nüchterner Betrachtung auf der Hand. Die aktuelle Gerichtsstruktur kann perspektivisch nicht in allen Bereichen eine effektive Aufgabenwahrnehmung sowohl in der Rechtsprechung als auch der Gerichtsverwaltung dauerhaft gewährleisten. Verständlich gibt es großes Interesse, am Status quo festzuhalten. Bislang wird vielerorts noch versucht, vorhandene Strukturen zu zementieren, anstatt Alternativvorschläge zu unterbreiten.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wie in Bad Doberan. – Peter Ritter, DIE LINKE: Oder wie in Sellin, wo wir 6 Millionen verbaut haben. Das wird nicht zementiert.)
Bei allem Verständnis für die Wahrnehmung dieser Interessen kommt es darauf an, auch zukünftig eine Gerichtsstruktur in unserem Land auch finanziell erhalten zu können.
Insofern freut es mich besonders, dass die Initiatoren und die Unterstützer der Volksinitiative in ihrem Antrag den Reformbedarf selbst nicht in Abrede stellen.
Sehr geehrte Damen und Herren, hinsichtlich der Reform der Gerichtsstruktur in Mecklenburg-Vorpommern hat die Justizministerin im Mai dieses Jahres erste Vorschläge unterbreitet und in einem ersten Arbeitsentwurf ihre Überlegungen für eine Gerichtsstrukturreform öffentlich vorgelegt, um eine breite inhaltliche Auseinandersetzung anzustoßen. Dieser erste Arbeitsentwurf der Justizministerin bot sehr breiten Raum für Diskussionen, auch und vor allem im Hinblick auf die Reformideen bezüglich der Fachgerichtsbarkeiten.
Als nächsten Schritt hat sich mittlerweile der Koalitionsausschuss, auch und gerade gestützt auf zahlreiche Stellungnahmen und Anregungen, auf einen gemeinsamen Vorschlag für Eckpunkte einer Gerichtsstrukturreform verständigt. Diese Eckpunkte tragen Stellungnahmen der Betroffenen bereits Rechnung. So wird auf die im ersten Arbeitsentwurf der Justizministerin noch vorgesehenen umfangreichen Umstrukturierungen bei den Fachgerichtsbarkeiten, wie zum Beispiel den Verwaltungsgerichten, weitgehend verzichtet. Die in dem vorliegenden Antrag geäußerte Annahme, dass von den bislang 21 Amtsgerichten nur 8 übrig bleiben sollen, kann nicht eintreffen. So soll es nach den Eckpunkten zukünf
Auch der im vorliegenden Antrag geäußerten Befürchtung, dass Zweigstellen durch Rechtsverordnung ohne Beteiligung des Parlaments aufgelöst werden können, wird mit den Eckpunkten begegnet. Die Zweigstellen sollen gesetzlich verankert und daher gerade nicht im Verordnungswege aufgelöst werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, es gilt nun, rechtzeitig die Voraussetzungen für zukunftsfähige Strukturen zu schaffen, statt später hinterherzusparen. In diesem Sinne werden wir den Antrag im Ausschuss umfassend und eingehend beraten. Insofern trifft es sich gut, dass ein Vorschlag für Eckpunkte einer zukünftigen Gerichtsstruktur vorliegt und der Antrag nicht im luftleeren Raum beraten werden muss. Wir stimmen für die Überweisung des Antrages in den Europa- und Rechtsausschuss. – Vielen Dank.