Protocol of the Session on August 29, 2012

Aber wo liegt die Ursache? Die Ursache liegt ganz klar darin, dass Sie vor Jahren den Arbeitsmarkt dereguliert haben, genauso wie Sie vor Jahren die Banken dereguliert haben und nun die Zeche zahlen müssen beziehungsweise die Zeche zahlen lassen von den meist weniger qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hier auch in unserem Land.

Der Herr Renz hat eben Niedriglöhne angesprochen oder Mindestlöhne angesprochen und hat darauf verwiesen: Ja, 10 Euro zahlt ja keiner, warum sollen wir das tun? Das ist nicht die Fragestellung. Die Fragestellung ist: Wie hoch muss der Mindestlohn sein, damit ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin nach durchschnittlich 45 Beschäftigungsjahren eine Rente bekommen kann, also Anwartschaften aufbaut, dass sie von dem Betrag auch einigermaßen menschenwürdig leben können. Und Sie sind es doch gerade von der CDU, die ständig die Menschenwürde wie eine Monstranz vor sich hertragen. Ich sage Ihnen, wenn Sie 45 Jahre Einkommensbiografie schaffen sollten hier in Ihrer BRD-Diktatur,

(allgemeine Unruhe – Heinz Müller, SPD: Na, na, na!)

dann haben Sie schon Glück. Und wenn Sie es dann auch noch schaffen, im Schnitt 1.400 Euro brutto monatlich zu bekommen, dann haben Sie nach 45 Jahren eine Rentenerwartung, …

(Torsten Renz, CDU: Das steht doch jetzt gar nicht zur Debatte! Sie müssen zum Thema sprechen, Herr Pastörs.)

Die steht hier sehr wohl zur Debatte, weil ich Sie einführe in die Debatte, Herr Renz. Und so einfach ist das.

(Heinz Müller, SPD: Ach ja? – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

… dann haben Sie 700 Euro Rente im Monat zu erwarten. Das ist Ihre Nächstenliebe! Das ist Ihre Menschenwürde!

Wir haben hier in Mecklenburg-Vorpommern eine Tarifbindung,

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

weil ja gerade die CDU ständig sagt, das ist eine Sache, die die Tarifparteien erledigen sollen.

(Torsten Renz, CDU: Sie müssen mal zuhören, was wir hier schon mehrmals ausgeführt haben.)

Wir haben hier eine Tarifbindung, …

Herr Pastörs, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

(Heinz Müller, SPD: Das begrüßen wir.)

… die liegt weiter unter 50 Prozent. Und es gibt hier Tarifverträge, die deutlich,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ein Rotlicht!)

deutlich unter 6 Euro die Stunde abgeschlossen sind. Das bitte ich zu bedenken und selbstverständlich stimmen wir dem Ersuchen zu überweisen zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Margret Seemann, SPD: Der Suppenkasper!)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gerkan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Udo Pastörs, NPD: Wenn ich so auf Ihre Figur gucke, dann passt „Suppenkasper“ wohl eher zu Ihrem Äußeren, gnädige Frau.)

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Bündnisgrünen begrüßen ausdrücklich, dass sich Menschen in einer Volksinitiative für einen Mindestlohn starkmachen. Neben meiner Funktion als wirtschaftspolitische Sprecherin bin ich auch Mitglied im Petitionsausschuss. Von daher liegt es mir besonders am Herzen, die Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern ernst zu nehmen.

Meine Damen und Herren, wir Bündnisgrünen haben uns für die Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro eingesetzt, um – Sie können sich erinnern – eine rechtlich sichere Lohnuntergrenze festzusetzen.

(Udo Pastörs, NPD: Es gibt doch nicht mal eine vernünftige Rente oberhalb des Minimums, was die Sozialhilfe zahlt.)

Wir hätten dieses Vergabegesetz auch gerne auf die Kommunen ausgedehnt, aber das fand leider keine Mehrheit im Landtag.

Der hier in Mecklenburg-Vorpommern eingeschlagene Weg, über ein Vergaberecht einen Mindestlohn einzuführen und durchzusetzen, ist ganz klar ein Umweg. Damit ist die Lücke einer bundesweit geltenden Mindestlohnregelung nicht geschlossen. Deshalb vertreten wir auch die Auffassung, dass die Einführung eines gesetzlich verankerten Mindestlohns eine wichtige wirtschaftspolitische Weichenstellung ist.

Uns Bündnisgrünen ist ebenfalls bekannt, dass von 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union 20 Mitgliedsstaaten über eine Mindestlohnregelung verfügen. Zum 1. Januar 2012 haben 9 Mitgliedsstaaten der EU ihre gesetzlich garantierten Mindestlöhne angehoben. Gerade erst wurde der gesetzlich garantierte Mindestlohn in Frankreich von 9,22 Euro auf 9,40 Euro angehoben. Im Großherzogtum Luxemburg gilt der höchste Mindestlohn in der EU. Dort haben Beschäftigte nun einen Anspruch auf mindestens 10,41 Euro brutto. Die südeuropäischen EU-Staaten hingegen haben Lohnuntergrenzen zwischen knapp 3 Euro in Portugal und 3,96 Euro auf Malta. Etwas darüber liegt mit 4,42 Euro Slowenien. In den meisten anderen mittel- und osteuropäischen Staaten sind die Mindestlöhne noch deutlich niedriger.

(Udo Pastörs, NPD: 1,50, das geht bis 1,50 runter!)

Sehr geehrte Damen und Herren, weshalb erzähle ich Ihnen dieses hier?

(Marc Reinhardt, CDU: Das fragen wir uns auch. – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Nun, ich will Ihnen noch einmal deutlich vor Augen führen, in welchen Verhältnissen diese Zahlen sich bewegen. Und eines ist nach unserer Einschätzung zu beachten: Ja, ein Mindestlohngesetz für Deutschland ist überfällig, aber wesentlich ist hier die von der Politik festzulegende Höhe des Mindestlohnes. Wir haben in Deutschland eine moderate Inflationsrate mit einer Teuerungsrate, die im nächsten Jahr bei circa zwei Prozent liegen wird. Bisher lag sie unter zwei Prozent.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist aber nicht mehr moderat!)

In anderen EU-Ländern fällt die Inflationsrate bedeutend höher aus, sodass beispielsweise die Anhebung des Mindestlohnes in Großbritannien – ja, kaum zu glauben, aber Großbritannien verfügt über einen Mindestlohn, der 7,01 Euro beträgt – durch die Teuerungsrate vollständig aufgefressen wird. Das heißt, ohne Einbeziehung volkswirtschaftlich relevanter Daten, meine Damen und Herren,

(Udo Pastörs, NPD: Also nationalstaatliche Lösungen. Da sind wir sehr dafür.)

ist ein Vergleich der Höhe von Mindestlohngrenzen schwierig. Dennoch ist die festzulegende Grenze in ihren Konsequenzen von großer Bedeutung sowohl für den Lohnempfänger als auch für die Unternehmer, die diese Löhne zu zahlen haben.

Wir halten an einer Mindestlohngrenze in Höhe von 8,50 Euro fest, weil wir überzeugt sind, in einem ersten Schritt zum gesetzlich festgelegten Mindestlohn ist genau diese Grenze eine vertretbare und ein Erfolg für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Wir plädieren dafür, die Volksinitiative und den Antrag quasi in dem Sinne in die Ausschüsse – Sozialausschuss als federführenden und mitberatend in den Wirtschaftsausschuss – zu überweisen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Das Wort hat jetzt die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Volksinitiative mit ihren 17.000 Unterschriften hat ein wichtiges Thema aufgegriffen, und zwar das Thema „Guter Lohn für gute Arbeit“.

Ich will zunächst den Betrag mal dahingestellt sein lassen, aber die Botschaft, die ja hinter diesen Unterschriften steckt, ist eine Botschaft, die auch die Landesregierung unterstützt, dass die Arbeit in unserem Land, aber auch deutschlandweit gut entlohnt werden soll. Und die Frage von guten Löhnen wird eine entscheidende Frage sein, wie es auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung im Land weiter verlaufen wird.

Es sind bisher 23 Prozent, also fast ein Viertel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen Lohn unterhalb von 8,50 Euro erhalten. Also in unserem Land arbeiten ein Viertel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für weniger als 8,50 Euro. Zum Vergleich: In Niedersachsen sind es 12 und in Hamburg 8 Prozent. Das ist natürlich nicht akzeptabel und da muss gegengesteuert werden, das ist auch Ziel der Koalition. Und man kann darüber diskutieren, ob das nun Mindestlohn oder Lohnuntergrenze heißt, aber Fakt ist, dass es, denke ich, gerade in den letzten Jahren gelungen ist, mehr Vertreter der demokratischen Parteien davon zu überzeugen, dass wir zumindest eine Art Lohnuntergrenze brauchen, die sicherstellt, dass diejenigen, die acht Stunden arbeiten, auch am Ende des Monats von diesem Lohn leben können.

(Torsten Renz, CDU: Genau.)

Und ich glaube, das ist nicht nur eine Existenzfrage, weil man ehrlich sein muss, selbst 8,50 Euro den ganzen Monat ist noch nicht viel Geld. Aber es ist eine Frage von Leistungsgerechtigkeit

(Udo Pastörs, NPD: Das ist ein Hungerlohn!)

und auch eine Frage des Vorbilds gegenüber Kindern, dass in unserer Gesellschaft gewährleistet wird, dass,

wenn Leute fleißig sind, wenn sie sich anstrengen, wenn sie einen ganzen Monat arbeiten, dass sie damit auskommen und nicht am Ende des Monats zum Sozialamt gehen müssen. Das ist nicht nur eine Frage der Existenz, sondern auch eine Frage der Würde von Arbeit.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Und deshalb denke ich, wenn sich viele Menschen in unserem Land finden, die die Idee der guten Löhne, die Idee der Lohnuntergrenze oder des Mindestlohnes unterstützen – ob mit diesen Unterschriften in der Volksinitiative oder auch bei vielen Umfragen, die stattfinden, oder aber auch durch das Wahlergebnis, weil das war auch ein Thema des Wahlkampfes –, dass das gut ist, weil es zeigt, dass viele Menschen, vor allem auch viele, die das gar nicht betrifft, das Problem, sagen: In unserer Gesellschaft geht es nur gerecht zu, wenn es am Ende auch für Arbeit eine gute und gerechte Entlohnung gibt.