Protocol of the Session on August 29, 2012

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal möchte ich mich im Namen der SPD-Land

tagsfraktion bei der Sozialministerin Manuela Schwesig bedanken, dass aufgrund ihrer Veranlassung wir heute die Möglichkeit bekommen, uns konkret über den Sachverhalt in Bezug auf das Forschungsprojekt Wendel- stein 7-X informieren zu lassen.

(Udo Pastörs, NPD: Damit schließen wir uns an.)

Zuvor informierte die Ministerin zum Thema sowohl im Sozialausschuss und im Agrarausschuss in den vergangenen Wochen. Das Forschungsprojekt Wendelstein 7-X ist ein Kernfusionsexperiment des Max-Planck-Institutes für Plasmaphysik in Greifswald und gilt als Grundlagenforschung für Kernfusionskraftwerke.

Die Kernfusion ist eine Form der Energieumwandlung, dessen Prozesse für die Energiegewinnung genutzt werden könnten.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die dann möglicherweise auftretenden radioaktiven Substanzen gegenüber der Kernspaltung ein relativ niedrigeres biologisches Gefahrenpotenzial hätten.

Doch alles das ist Zukunftsmusik: Energiegewinnung durch Kernfusion.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Seit 1997 handelt es sich bei Wendelstein 7-X laut Errichtungsgenehmigung mit Auflagen um ein Projekt der wissenschaftlichen Grundlagenforschung, und nicht um eine Errichtung eines Kernfusionskraftwerkes.

(Udo Pastörs, NPD: Oh, das ist beruhigend.)

Nach dem Atomgesetz und der Strahlenschutzverordnung hat jeder Antragsteller ein Recht auf Erteilung der Genehmigung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Bei der Erteilung der Genehmigung ist es völlig gegenstandslos, ob ein energie- oder forschungspolitischer Nutzen aus dem Fusionsexperiment entsteht oder nicht. Es ist also nicht Aufgabe der Sozialministerin und der ihr zugeordneten Behörden, über den energetischen Nutzen zu entscheiden. Die Entscheidung über den energiepolitischen und wissenschaftlichen Nutzen muss im politischen Raum herbeigeführt werden.

Wir als SPD-Landtagsfraktion stellen uns dieser Diskussion. Sowohl heute als auch auf den Ausschusssitzungen konnte uns die Ministerin glaubhaft versichern, dass kein Antrag der Betriebsgenehmigung durch den Betreiber, hier das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, vorliegt. Das heißt, dass die Anlage nicht in Betrieb ist und damit von der Anlage keine Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Und solange der Bescheid zur Errichtungsgenehmigung mit den dazugehörigen Auflagen nicht nachweislich umgesetzt ist, wird auch die Erörterung zur Betriebsgenehmigung sich verzögern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Jaeger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 01.11.1952 war ein großer Tag für die Fusionsforschungsbefürworter. Dort klappte ein amerikanischer Test zum ersten Mal. Das Ergebnis war ein fast 2 Kilometer großes und 60 Meter tiefes Loch. Der Pilz stieg 40 Kilometer in den Himmel. Das ist die militärische Nutzung. In Wendelstein geht es nun darum, eine friedliche Nutzung der Kernfusion zu versuchen. Und da liegen nun genau auch die technischen Probleme.

Sowohl in der Sonne als auch beim militärischen Test kann man gigantische Drücke erzeugen. Das genau ist natürlich sehr, sehr schwierig auf der Erde außerhalb von militärischen Nutzungen zu erzeugen. Deswegen gibt es halt das Problem, dass man extrem hohe Temperaturen erzeugen muss. Wie gesagt, in der Sonne reichen etwa 14 Millionen Grad Celsius aus. Man hat aber 220 Milliarden Atmosphärendruck, da ist das möglich. Auf der Erde muss man jetzt wesentlich höher mit den Temperaturen gehen. Die ganzen technischen Probleme brauche ich jetzt nicht alle noch mal zu erläutern. Ich habe das an anderer Stelle auch schon mal getan.

Ich möchte Ihnen kurz etwas erläutern aus der Drucksache aus dem Jahr 1994. Dort hat die Landesregierung etwas dem Landtag bekannt gegeben zum Thema Kernfusion. Und ein ganz wesentlicher Punkt, der aus Sicht der Landesregierung für die Kernfusion sprach, war, und das möchte ich Ihnen kurz vorlesen: „Kernfusion ist effizienter in der Bereitstellung von Energie für ein hochindustrialisiertes Land, als die regenerativen Energiequellen Sonne, Wind und Wasser in Mitteleuropa sein können.“ Das war die Voraussetzung, warum man in der Bundesrepublik Deutschland gesagt hat, wir müssen richtig Geld in die Hand nehmen, weil wir brauchen eine Alternative zu Kohle und Atom, weil dort die Ausgangsstoffe endlich sind.

Ich denke, auch in diesem Hohen Hause sind wir uns fast alle einig, dass diese Voraussetzung nicht mehr besteht, sondern die Bundesrepublik Deutschland jetzt den Weg der Energiewende bestreiten will, wir eher ein Problem damit haben, dass die regenerativen Energien zu schnell genutzt werden,

(Rudolf Borchert, SPD: Wir haben ja schon zu viel. Wir haben ja schon zu viel.)

wir mit dem Leitungsausbau nicht hinterherkommen, aber wir nicht mehr über die Frage diskutieren, ob es denn summarisch möglich ist.

Ein weiterer wichtiger Grund für das Experiment war, und das will ich Ihnen auch vorlesen: „Das MPI“, also das Max-Planck-Institut, „muss des Weiteren als notwendiger Wegbereiter für das ITER-Projekt gesehen werden, um das sich Greifswald-Lubmin bewirbt.“ Wie Sie wissen, haben im Jahr 2003 der Ministerpräsident und auch Bundeskanzler Gerhard Schröder die Bewerbung für das ITER-Projekt in Deutschland zurückgezogen.

(Egbert Liskow, CDU: Warum haben die das zurückgezogen?)

Das ITER-Projekt wird in Cadarache gebaut, in Frankreich. Und ich kann sagen, Gott sei Dank, dass es nicht bei uns gebaut wird, weil inzwischen belaufen sich die

Kosten auf weit über 7 Milliarden, das heißt, es ist mehr als eine Verdopplung der ursprünglich geplanten Kosten. Und Frankreich ist richtig mit dabei bei den Kosten.

(Egbert Liskow, CDU: Ja.)

Das Experiment wird übrigens auch niemals richtig Strom erzeugen, sondern da geht es um, glaube ich, 400 Sekunden, die man das Plasma aufrechterhalten möchte.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist ja viel. – Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Udo Pastörs, NPD)

Das ist ein Experiment. Wir verschleudern Milliarden, als hätten wir genug davon. Gleichzeitig diskutieren wir im Moment mit einer großen Berechtigung, wie die Kosten der Energiewende sind.

(Udo Pastörs, NPD: Das kann man auch anders sehen.)

Also ich finde, das muss man durchaus auch zusammen sehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Udo Pastörs, NPD: Das kann man absolut auch anders sehen.)

Aber jetzt kommen wir zum eigentlichen Genehmigungsverfahren, jetzt kommen wir zum eigentlichen Genehmigungsverfahren. Das Hauptproblem, was der BUND aufgedeckt hat –

(Udo Pastörs, NPD: Da gabs mal ein Forschungsverbot in der Richtung.)

und da möchte ich ausdrücklich dem BUND danken dafür –, das Hauptproblem besteht darin, dass aufgrund einer politisch positiven Grundstimmung, sage ich jetzt mal ganz vorsichtig, im Land Mecklenburg-Vorpommern im Genehmigungsverfahren über gewisse Schwächen sehr großzügig hinweggesehen wurde. Bereits 1998 hat ein Gutachter festgestellt, dass die Auflagen im Genehmigungsbescheid beim Beton, Hallentore, Decke und so weiter, nicht eingehalten werden.

(Egbert Liskow, CDU: Ach, das ist doch verkehrt, was Sie erzählen! Das ist doch falsch, was Sie erzählen!)

Es hat also jetzt, ich glaube, fast 14 Jahre gedauert, bis wir sagen, das muss jetzt überprüft werden. Ich lese Ihnen das vor aus den Schreiben,

(Egbert Liskow, CDU: Ja.)

die aus der Genehmigungsbehörde kommen, und zwar vom 10. Mai 2012, da steht: „Für den Beton der Hallentore hat das IPP die Auflage 5.1.12 nicht erfüllt; die Auflage kann auch nachträglich nicht erfüllt werden. Der Nachweis einer ausreichend abschirmenden Wirkung der Hallentore kann nur durch Dosisleistungsmessungen während einer Deuteriumentladung außerhalb der

Torushalle erfolgen – Auflage im Betriebsgenehmigungsbescheid.“ Das war eine der Ideen. „Ein Vorschlag für ein korrektes Verwaltungsverfahren bezüglich der nichterfüllten Auflage der Errichtungsgenehmigung kann ich nicht

anbieten. Eventuell könnte hier auch das SM nachfordern, nachbessern …???“ Und dann drei Fragezeichen, damit endet dieser Punkt.

Oder im Schreiben vom 06.06. dieses Jahres, auch vom LAGuS: „Die Nichtumsetzung der Auflage gemäß Ziffer 5.1.12 des Genehmigungsbescheides betrifft den Beton der baulichen Außenhülle. Damit können möglicherweise Zweifel an der Wirksamkeit der Abschirmung gegen Gamma- und Neutronenstrahlung begründet werden.“

(Egbert Liskow, CDU: Ja, könnten.)

Werden diese Zweifel behördlicherseits hingenommen, nimmt die Behörde ihre gesetzliche Verpflichtung gemäß Paragraf 14 Strahlenschutzverordnung nicht wahr. Folglich wurde in dem oben genannten Genehmigungsbescheid vom 18.12.1997 die zugrunde liegende Strahlenschutzplanung nicht eingehalten. Das sind erst mal die Tatsachen.

Und dieses Gutachten, was die Genehmigungsfähigkeit eigentlich bestreitet, ist nicht etwa vom BUND oder den GRÜNEN in Auftrag gegeben worden, sondern ist sozusagen von den Errichtern in Auftrag gegeben worden. Und genau dort liegt im Moment das Problem. Das soll geheilt werden. Ich kann grundsätzlich sagen, ich finde es sehr gut, dass Sie damit umgegangen sind in Form der Veröffentlichung aller Unterlagen. Ich würde mir allerdings tatsächlich wünschen, nicht nur die Unterlagen zu veröffentlichen, die der BUND konkret beantragt hat, sondern alle, die das Genehmigungsverfahren betreffen. Unter Umständen sind das nur wenige zusätzliche Seiten. Aber Sie können dann deutlich sagen, ich bin darüber hinausgegangen. Alles ist in diesem Fall transparent. Und das wäre ein sehr wichtiges und für uns auch gutes Zeichen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden natürlich auch selbstverständlich das Gutachten, was Sie in Auftrag geben, sehr genau verfolgen. Und ich möchte auch zur Klarstellung noch mal hier deutlich betonen: Von der im Bau befindlichen Anlage,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

von der im Bau befindlichen Anlage geht kein Sicherheitsrisiko aus. Und wir sind im Moment im Genehmigungsverfahren, das heißt also in der Vorbereitung für die zu erwartende Betriebsgenehmigung. Und das ist mir ein ganz wichtiger Punkt, dass wir jetzt sehr zügig klären, auch mit der Genehmigungsbehörde, wie das Problem geheilt werden soll, denn es gab Vorstellungen zu sagen, man könne ja mal einen Probebetrieb anfangen und dann von außen messen. Wenn Sie wissen, was für eine Durchschlagskraft Neutronenstrahlung hat – und da können Sie sich mal belesen im Internet zum Thema Neutronenbombe, die bewusst erfunden wurde, weil man wusste, welche geniale Wirkung aus militärischer Sicht Neutronenstrahlung hat –, dann ist es sinnvoll, genau diese Fragen alle vorher zu klären und nicht einen Großversuch ohne eine ausreichende Berücksichtigung des Strahlenschutzes zu starten.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das erwarte ich. Und wovor ich jetzt schon warnen möchte, ist, den Versuch zu unternehmen, den Genehmigungsbescheid nachträglich zu korrigieren und zu sagen, also die Höhe des Strahlenschutzes hat sich nachträglich als zu übertrieben herausgestellt. Wir gehen doch lieber auf einen geringeren Wert, den diese Anlage jetzt erfüllen kann. Damit werden Sie großes Misstrauen in der Bevölkerung ernten. Das sollten Sie auf jeden Fall nicht tun. Es gibt einen Bescheid, der muss eingehalten werden, und genau das muss auch nachgehalten werden.