Protocol of the Session on August 29, 2012

(Vincent Kokert, CDU: Aha! Jetzt kommen wir mal zu Ihrem Konzept der Werftrettung.)

Und, Herr Kokert, Herr Kokert, ich kann Sie von der Fraktion der CDU nun wirklich nicht verstehen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Für einen ehemaligen Minister ist das unglaublich schwach.)

Teilnehmer der Betriebsversammlung am 21. August in Stralsund haben berichtet, dass die Kanzlerin erklärt hat, mehr Geld gäbe es nicht – da gibt es ja Konsens, dass das so ist: europarechtlich nicht möglich –,

(Vincent Kokert, CDU: Der Einzige, der das nicht verstanden hat, sind Sie.)

und nun, nun müsse Leistung auf der Werft gezeigt werden. Und das, meine Damen und Herren, ist nur logisch, denn Frau Merkel kann zu Hause im Wahlkreis nicht anders reden als in Europa.

(Vincent Kokert, CDU: Aha!)

Die Kanzlerin hat aber nicht gesagt, dass die 152,4 Millionen Euro nicht ausgeschöpft werden dürfen, denn auch Frau Merkel war klar, dass mit der Insolvenz die Aufträge und damit die Arbeit weg sind.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Wenn ich, meine Damen und Herren, zu entscheiden hätte zwischen Millionen und den Menschen auf den Werften, ich hätte mich immer für die Menschen entschieden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Das haben wir auch getan, Herr Holter.)

Und deshalb,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

und deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir ganz genau hinterfragen, auf welchen Grundlagen die Landesregierung ihre Entscheidungen getroffen hat. Nach einem derartigen Eiertanz, den Sie in der Vergangenheit hier aufgeführt haben, ist es regelrecht unsere Pflicht, diese Fragen zu stellen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Den Eiertanz haben Sie jedes Mal mit abgesegnet. Jedes Mal! Jedes Mal!)

Ich erlaube mir einen kurzen Blick auf den zeitlichen Ablauf der Dinge:

Ende 2011 – das ist hier schon in den Vorreden zum Ausdruck gekommen – gab es die ersten Meldungen, die ersten Signale, dass die beiden Standorte, also die P+S Werften in Liquiditätsprobleme kommen können.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das bestreitet ja auch keiner.)

Ende März ging ein Brandbrief von den Arbeiterinnen und Arbeitern der Werft beim Ministerpräsidenten ein. 14 Schiffe in 7 unterschiedlichen Typausführungen sollen in nicht einmal einem Jahr allein in Stralsund gebaut werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt halten Insider und Experten diese Aufträge nicht für durchführbar. Ende März wird der Finanzausschuss – darüber ist geredet worden, das ist auch öffentlich bekannt – über die Liquiditätsengpässe durch vertragswidriges Verhalten eines Bestellers oder zweier Besteller dann informiert und ein notwendiges Darlehen von 20,4 Millionen bereitgestellt. Auch da haben wir mitgemacht, natürlich.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Ende Mai hat sich die Lage bereits derart zugespitzt, dass die Landesregierung überraschend und binnen Tagen über ein Rettungspaket entscheiden und grünes Licht aus Brüssel einholen musste. Die Frage steht, ich habe sie damals gestellt, sie ist nicht beantwortet worden: Warum ist die Regierung erst kurz vor Toresschluss am 31. Mai aktiv geworden, um diese Rettung auf den Weg zu bringen, wenn sie gewusst hatten – bereits früher, zwischen Ende März und Ende Mai –, dass diese Liquiditätsengpässe eintreten können?

Laut Angaben fehlten damals 200 Millionen. Diese 200 Millionen werden durch ein Basisgutachten der Beratungsgesellschaft PwC ausgewiesen. Es vergehen keine vier Wochen, dann auf einmal fehlen 300 Millionen, also 100 Millionen mehr im Juli. Das wissen wir, das haben wir auch alle begrüßt, da beißt die Maus auch keinen Faden ab, dazu stehe ich. So, wie es in der Presseerklärung der Minister zitiert hat, habe ich das begrüßt, die Entscheidung der Landesregierung und auch der EU.

Im Juli gibt die EU dann endlich ihr Okay für diese Rettung, doch laut Aussagen des neuen Geschäftsführers Rüdiger Fuchs vom 20. August reichen die 152 Millionen nicht aus. Sie reichen bis Ende 2012 oder bis in das erste Quartal, das ist ja hinreichend bekannt.

Was ist – das frage ich noch mal – zwischen dem 16. und 20. August passiert? Was hat sich innerhalb von vier Tagen in der Bewertung und in der Einschätzung der Landesregierung in Bezug auf die P+S Werften geändert?

Bis zum 16. August standen Sie hinter den Aussagen von Herrn Brammertz, standen Sie hinter den Aussagen vom PwC, haben gesagt: Mit den 152 Millionen bringen wir die Werften über den Berg und können dann die Umstrukturierung anschließen. Warum wird innerhalb von vier Tagen eine Entscheidung getroffen, die in die Insolvenz führt? Warum, Herr Ministerpräsident, haben Sie Herrn Fuchs nicht nach Hause geschickt und gesagt, das Konzept ist nicht glaubwürdig, machen Sie ein neues Konzept?

(Jochen Schulte, SPD: Das ist Politik à la Holter. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

70 Millionen sind geflossen. Das ist bekannt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das glaub ich jetzt nicht.)

Der Weg zum Amtsgericht war am 20. August von Herrn Fuchs und vor der Presse öffentlich mitgeteilt worden. Am 21. – und das ist schon bezeichnend – geht die Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten und dem Geschäftsführer zu den Belegschaften nach Stralsund und Wolgast. Die Mitteilung sollte lauten: Morgen geht es in die Insolvenz. Das war dann auf einmal alles nicht mehr wahr.

Ich möchte mal wissen, wie es tatsächlich den Menschen in Stralsund und Wolgast, nicht nur den Werftarbeitern, ging, als sie diese Nachrichten erfahren haben.

Die Lage hatte sich dann aber sofort wieder geändert. Die Insolvenz wurde nicht angemeldet. Ich hatte die Hoffnung, dass jetzt Entscheidungen getroffen werden, um die Insolvenz hinauszuzögern und diese Chance zu nutzen, um, wie Herr Fuchs das gesagt hat, die Werften in Wolgast und Stralsund wieder in Takt zu bringen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das hat er ja auch.)

Sie hatten doch vor dem heutigen Tage wissen müssen, ob die Insolvenz abwendbar ist oder nicht. Darüber haben Sie auch übrigens im Wirtschaft- und Finanzausschuss keine Aussagen getroffen, außer Herr Mediger, der sich der Presse gegenüber, nachdem er das in den Ausschüssen kundgetan hatte, geäußert hatte, dass er das als schwierig ansehe und faktisch die Insolvenz unvermeidbar sei.

Jetzt frage ich Sie noch mal: Wem haben Sie denn nun geglaubt und vertraut? PwC? Sie haben PwC eingeschaltet. PwC hat auf der Grundlage von Herrn Brammertz eine Bewertung vorgenommen. Dann hat PwC auf der Grundlage von Herrn Fuchs eine Bewertung vorgenommen.

(Udo Pastörs, NPD: Die Banken.)

Sie sind blindlings dieser Einschätzung gefolgt. Das ist nämlich der Punkt, wo Sie heillos überfordert waren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und Sie haben wie das Kaninchen vor der Schlange gesessen, weil Sie nicht durchgesehen haben. Sie wussten nicht, was auf den Werften los ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Herr Holter! Ach, Herr Holter!)

Es hat die ganze Zeit dringender Handlungsbedarf bestanden. Und es hätte viel dafür getan werden müssen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist doch wirklich absurd, was Sie da erzählen!)

um die Insolvenz zu vermeiden. Herr Minister Glawe, Sie sind darauf eingegangen.

Und in den Gesprächen, die der Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister mit dem Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Suhr, mit mir geführt haben, war auch die Frage aufgeworfen worden: Welche Rolle spielen denn die Vertreter der Politik im Aufsichtsrat und welche Rolle spielen denn die Vertreter in dem Beirat, der ausdrücklich für diese Treuhandlösung geschaffen wurde? Die Frage, wie es um den Werftenbeauftragten in Mecklenburg-Vorpommern steht, wurde von Ihnen, Herr Minister Glawe, vom Tisch gewischt.

In den Haushaltsberatungen im Wirtschaftsausschuss haben Sie ausdrücklich noch mal erklärt, Herr Möller, der Dienststellenleiter in Berlin, bleibt der Werftenbeauftragte der Landesregierung. Heute erklären Sie: Nein, er sollte nie Werftenbeauftragter werden, er sei mit den Aufgaben in Berlin so belastet und ausgelastet, dass er das gar nicht mehr wahrnehmen kann. Was stimmt denn nun? Also hier verschaukeln Sie uns und machen uns etwas vor. Das nehme ich Ihnen nicht ab. Mir geht es nicht um Rüdiger Möller, damit Sie mich richtig verstehen. Mir geht es um die Frage …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Und was hat das mit der Insolvenz zu tun?)

Ich schätze Herrn Möller. Das ist nicht mein Punkt. Es geht nicht um Herrn Möller.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Es geht um die Frage: Welche Informationen wurden aus dem Beirat an die Landesregierung gegeben

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und warum hat die Landesregierung, nachdem Herr Möller seinen Posten dort niedergelegt hat, nicht sofort nachbesetzt, wissend, dass diese beiden Standorte, die P+S Werften im Schleudern sind, in der Gefahr sind und auf die Insolvenz zusteuern? Das ist eine Frage, die Sie nicht beantwortet haben. Und Sie haben das Organigramm am 20. August geändert. Das stinkt doch zum Himmel, was Sie hier machen! Sie wollen uns etwas vormachen,

(Heinz Müller, SPD: Ach, Herr Holter!)