Protocol of the Session on June 20, 2012

Ich möchte es Ihnen noch mal erklären.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sie legen Standards fest für Kindergärten.)

Ja, richtig.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Und wir wollen auch Standards. Wo ist da der Unterschied?)

Und da wissen wir ganz genau, dass das durchfinanziert ist – Sie nicht! Sie müssten in der Situation dann quasi in zwei Jahren, wenn wir merken, die Steuereinnahmen sind nicht mehr so hoch, müssten wir sagen: Tut uns leid, liebe Eltern, das Geld haben wir in diesem Jahr nicht mehr, den Standard drehen wir wieder ab. Oder es kommt noch schlimmer: Man müsste sagen, was wir den Eltern nun gerade zulasten der Rücklagen für die weitere Absenkung des Betreuungsschlüssels zukommen lassen haben, haben wir nicht mehr, dann müssen die Eltern das jetzt tragen. Das ist das, was Sie mit Ihrer kurzsichtigen Politik erreichen, indem Sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass man Standards langfristig ausfinanzieren muss.

Und es gibt nur eine Regel dabei: Was ich mir heute leisten möchte, das muss ich mir auch übermorgen noch leisten können. Deshalb sind wir mit unserem neuen Ausgabenprogramm auch eher restriktiv, weil wir genau das zu Ende denken. Für heute und morgen aus einer aktuellen Kassenlage mal ein schönes Feuerwerk zu gestalten, das ist einfach. Also die Rücklage zu verpulvern oder die Überschüsse von 2011 in die Luft zu jagen, ich glaube, da könnten sich alle vor Freude überschlagen, was wir für Ideen haben. Zu sagen, was gilt übermorgen noch, was können wir durchhalten, was sind Schwerpunkte, das ist der wesentlich schwierigere Part.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Und ich räume ein, man kriegt nicht immer den Sympathiepreis dafür, da muss man sich gar nicht anstellen in der Hitliste, sondern man muss sich teilweise auch hinstellen und jemandem sagen: Hör zu, das, was du hier möchtest, kann gar nicht gehen und es tut auch nicht not. Das halte ich für mutige Politik, auch wenn sie nicht immer wohlfeil ist und bei jedermanns Liebling ankommt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich will mal einige aktuelle Beispiele nennen, die mir teilweise doch das Temperament hochgetrieben haben. Wenn ich die Diskussionen betrachte um die Standorte der Gerichte, so kann man natürlich bei diesen Diskussionspapieren – in diesem Stadium befindet sich das, was die Justizministerin da vorgelegt hat, was ich mit hohem Respekt unterstützen möchte –,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das sehen Ihre Abgeordneten aber ganz anders.)

da könnte man sagen, die eine oder andere Entscheidung, dies oder das ist noch nicht ausgewogen, aber dass man es grundsätzlich verreißt und so tut, als ob wir uns auch übermorgen noch jedes einzelne Amtsgericht,

jede klitzekleine Zwergenschule, jedes einzelne Theater und auch natürlich jede selbstständige Gemeinde leisten können, wer das den Leuten vorgaukelt, der ist einfach nicht ehrlich.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also muss es dazwischen einen Weg geben, lassen Sie uns sich doch vielleicht mal gemeinsam auf den konzentrieren.

Strukturentscheidungen werden in den nächsten Jahren auf der Tagesordnung stehen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da müssen Sie aber auch Zahlen vorlegen.)

Und entweder wir arbeiten sie ab oder aber wir halten uns wie die heiligen drei Affen die Ohren, die Augen und den Mund zu und nehmen zur Kenntnis, wie wir in eine Situation schleudern als Land, die viele Länder links und rechts schon haben.

Es ist immer alles relativ, meine Damen und Herren, und ich räume ein, wir könnten uns manches sicherlich schöner vorstellen, besser. Wer Bildung nennt als Thema, der weiß genau, dass er mich da immer im Inneren trifft. Natürlich sind wir dafür, an der Stelle Mittel freizubekommen, um damit arbeiten zu können. Aber bitte nach einem verabredeten Prozedere und nicht holterdiepolter, wer hat im Moment den besseren Vorschlag.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf aus dem Plenum: Holterdiepolter!)

Sorry, das war jetzt nicht mal so gemeint.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, ich bin ein Begriff in der deutschen Sprache.)

Nein, Herr Holter, wenn ich mit Ihnen streite, dann über andere Dinge.

Also ich sags einfach noch mal zusammenfassend: Im Gegensatz zu einigen Behauptungen hier haben wir keinesfalls die Absicht, die Welt schönzureden. Wir wissen, dass dieses Land noch vor großen Herausforderungen steht in unserer Profilentwicklung, in unserem wirtschaftlichen Aufholprozess und natürlich verzahnt mit unserer Finanzpolitik. Aber auf der anderen Seite so zu tun, als hätten wir hier überhaupt nichts gekonnt, und mit eingezogenem Hals durch die Gegend zu schleichen, das halte ich auch für den falschen Weg.

(Torsten Renz, CDU: Richtig.)

Wir brauchen hier tatsächlich ein gesundes und völlig berechtigtes Selbstbewusstsein für das, was wir bereits erreichen konnten, und wir brauchen weiterhin den kritischen Blick für die Dinge, die wir noch bewegen müssen. Nur das ist ein Rezept, in den nächsten Jahren erfolgreich zu sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und an der Stelle noch einmal etwas Grundsätzliches. Ich will sonst wirklich nicht auf die Einzelthemen einge

hen, die in den Ausschüssen beraten wurden, dazu kommen ja jetzt noch die Beratungen. Aber, Herr Saalfeld, ich fange mal mit einem Kompliment an. Sie sind mir während der Ausschussberatung durchaus als interessierter, in der Sache interessierter Finanzer aufgefallen.

(Vincent Kokert, CDU: Jetzt kommt die Lehrerin.)

Ihre Fragestellung war belebend und Sie haben vielleicht auch an unserer Reaktion gemerkt, dass wir uns keinesfalls genervt fühlen durch solche Diskussionen, aber wer glaubt, nach nicht mal einem Jahr Mitglied hier im Parlament, er wüsste schon alles

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau.)

und müsste nicht mehr auch noch eine Menge dazulernen, der läuft Gefahr, dass er ziemlich schnell abhebt

(Tilo Gundlack, SPD: Das ist er schon.)

und wie ein Fesselballon über die Abgeordneten schwebt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Tun Sie sich das nicht an!

Das mache ich jetzt mal an einem Thema fest: Wenn Sie der Meinung sind, dass wir die 150 Millionen, die zusätzlich in die Kommunen gehen – nämlich einmal als Kofinanzierungsunterstützung für Investitionen und einmal als Hilfe zur Konsolidierung, damit auch die Kommunen auf diesem Weg mitgenommen werden, einen soliden Haushaltskurs einzuschlagen –, wenn Sie meinen, das hätten wir zulasten der Verschuldung gemacht, dann haben Sie bei den Ausführungen des Finanzministeriums mindestens einen Halbsatz überhört. Das war aber der entscheidende, denn wir haben ja des Langen und Breiten auch sehr deutlich gesagt, was wir mit den Überschüssen von 2011 machen. Die waren erheblich, Sie erinnern sich. Da war die erste Ansage, von diesen Überschüssen überweisen wir 50 Millionen und 100 Millionen in die Rücklage, um sie dann wieder daraus zu entnehmen, um tätig zu werden. Das ist schon mal die eine Aussage, die Ihnen widerspricht, dass das zulasten der Verschuldung gehen würde.

Und zum Zweiten will ich zwei Dinge gerne noch mal grundsätzlich auseinanderhalten. Wenn wir hier über keine Schulden reden, dann müssen wir deutlich unterscheiden, wir reden über keine neuen Schulden.

(Vincent Kokert, CDU: Genau.)

Die alten, die wir da auf dem Schornstein haben, rund 10,5 Milliarden, die sind doch in der Tat noch ein riesiger Wert, eine riesige Herausforderung für uns, und insofern ist es natürlich so, dass auch wir, die wir keine neuen Schulden aufnehmen, ständig neue Kredite aufnehmen, um die alten abzulösen. Das ist ein ganz normales Finanzmanagement, das da so läuft. Und natürlich kann man auch behaupten, wenn man mehr tilgt und nicht in die Rücklage legt, ist man finanzpolitisch noch klüger. Ich behaupte, unsere Ausgewogenheit, indem wir 100 Millionen zur Tilgung eingesetzt haben, die konkreten Ausgaben, die ich benannt habe, für die Kommunen, dazu

kommen ja dann auch noch mal rund 17 Millionen, die wir über den Finanzausgleich dort zusätzlich draufgeben, wenn wir das alles zusammennehmen, dann haben wir eine ausgewogene Vorsorge für die nächsten Jahre. Sie haben es oft genug gehört, ich weiß es.

Sie hören immer wieder, Solidarpaktmittel laufen aus, Sie hören immer wieder, dass ab 2014 eine neue EUFörderperiode beginnt mit schlechteren Bedingungen für uns, weil wir nicht mehr Ziel-1-Gebiet sind. Sie hören ab und zu auch mal das Thema Länderfinanzausgleich – und ich möchte das mal nach vorne rücken. Was sich da im Moment abzeichnet im Chor der Länder, wird gefährlich für uns. Es geht jetzt nicht mehr nur darum, dass die verabredeten Solidarpaktmittel, die wir hier im Osten auch gerade im Interesse der Kommunen über Jahre mehr hatten, in Riesenschritten von 80 Millionen Jahr für Jahr runtergehen, sondern es geht darum, ob es gelingt, in der Bundesrepublik das gemeinsame Ziel „Angleichung der Lebensverhältnisse“ über den Länderfinanzausgleich zu erheben.

Und ich sags einfach nur mal, weil ich oft genug damit konfrontiert bin – ich werde auch heute im Anschluss an diese Debatte wieder nach Berlin fahren, weil die Finanzminister zum Fiskalpakt und natürlich auch dazu zusammensitzen –, es gibt sehr starke Länderinteressen, dass das – was im Moment uns noch zugutekommt zum Ausgleich der Finanzkraft – von den Geberländern nicht mehr reingegeben wird. Und da wird mit legalen Mitteln gearbeitet. Manchmal sind die auch ganz schön trickreich, manchmal ist es die Androhung einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Welche Rolle spielt Herr Kretschmann denn dabei? – Vincent Kokert, CDU: Der schreit am lautesten. – Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will mal eins zusammenfassen: Länderfinanzausgleich ist überhaupt keine A-B-Problematik, sondern Länderfinanzausgleich ist eine Frage der Länderinteressen.

(Torsten Renz, CDU: Schön umschrieben.)

Wir sind gut beraten, wenn wir uns mit den anderen Nehmerländern eng zusammenschließen, uns mit gemeinsamen, belastbaren Papieren auch über Gutachter dafür starkmachen, dass es weiterhin diesen solidarischen Austausch gibt. Und da gibt es sehr, sehr viele Einzelinteressen. Im Prinzip muss man jedes der 16 Bundesländer einzeln betrachten.

Uns kommt es darauf an, dass wir mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner im Tross zusammenbleiben, denn das wird sich demokratisch auch wieder abspielen zum Schluss, sowohl im Bundesrat als auch vorher im Bundestag. Deshalb ist Mecklenburg-Vorpommern an dieser Stelle auch hoch engagiert. Wir koordinieren im Moment die Gruppe unter dem Titel „Forum Finanzausgleich“, um uns zu wappnen für eine Zeit, die uns auch nach 2020 noch faire Möglichkeiten lässt, die unterschiedliche Steuerkraft in dieser Bundesrepublik auszugleichen, damit wir als Land auf eigenen Füßen stehen können und nicht durch eine gegenläufige Politik mehr in Schwierigkeiten kommen.

Konsolidierung heißt immer, Ausgaben im Blick zu behalten, aber es ist auch der Zweiklang, auf die Einnahmen,

auf die müssen wir genauso achten. Und da will ich nicht noch einmal unsere Vorstellungen nennen, mit denen wir Einnahmen erweitern könnten für staatliches Gestalten. Wir haben das mit der Grunderwerbssteuer zumindest in unserem Verantwortungsbereich getan. Das hat uns nicht überall positive Presse gebracht,