Protocol of the Session on May 24, 2012

Und ich muss noch mal zu Frau Stramm sagen: Sie haben hier über „Persönliches Budget“ gesprochen. Meines

Erachtens haben Sie das verwechselt mit dem „Trägerübergreifenden Persönlichen Budget“, das ist nämlich etwas ganz anderes. Mehrere Träger, die Geldmittel oder Sachleistungen zur Verfügung stellen und diese dann gemeinsam bündeln, das heißt „Trägerübergreifendes Budget“. Das hat mit dem „Persönlichen Budget“ nicht das zu tun.

So, und Barrierefreiheit. Wenn man sagt, okay, es gibt keine statistischen Analysen über öffentliche Gebäude und andere Einrichtungen: Unter Barrierefreiheit, dazu zählt nicht nur der Rollstuhlfahrer, sondern Sehbehinderte, Hörgeschädigte,

(Zurufe von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, und Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

so, und deswegen ist es ganz schwer, zu erfassen, wo sind die Gebäude in welcher Form barrierefrei oder rollstuhlgerecht.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden.)

Und das war auch das Problem bei den Arztpraxen. Wir haben uns eingeschaltet. Damals hatte ich eine Umfrage gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung gestartet. Das war auch ganz, ganz schwierig, dass man eine Umfrage macht, eine Statistik bekommt, welche Arztpraxen sind barrierefrei und welche Arztpraxen sind mit dem Rollstuhl zu erreichen. Das ist nämlich ein großer Unterschied, wo auch dann die einzelnen Verbände und Vereine Wert drauf legen. Herausgekommen sind diese Statistik und dass man jetzt zumindest ein Telefonverzeichnis hat, wo man beim Bürgerbeauftragten, so haben wir uns geeinigt, anrufen kann, und der Behinderte dann erfährt, welche Praxis er in seiner Nähe erreichen kann. So, oder man hat es über die KV so geschaltet.

Dass da noch viel Arbeit notwendig ist, hat auch die Kassenärztliche Vereinigung bestätigt. Es gibt ja ein Programm, gerade für den ländlichen Raum, was die Kassenärztliche Vereinigung bei einer Neugründung in der Praxis mit 50.000 Euro unterstützt. Und jetzt will man, wenn man dieses Geld herausgibt, einen Punkt daran anbinden, dass, wenn das Geld ausgereicht wird, man zumindest diese Praxis rollstuhlgerecht gestaltet. Dann wird dieses Geld auch ausgegeben, das hatten wir da besprochen.

Also, es sind schon einige Dinge erarbeitet worden. Der Bericht – muss ich noch mal wiederholen, und deswegen würde ich eigentlich im Namen der CDU- und SPDFraktion den Antrag stellen, ihn für erledigt zu erklären – war eine Grundlage. Der wichtige Bericht ist dann nachher der Landesaktionsplan, der dann Handlungsempfehlungen gibt, was will das Land und wie wollen wir das gestalten. Und es ist nicht der Bericht, der für den Bund war. Der Bericht war ausdrücklich für die Vorbereitung des Landesaktionsplans. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Schubert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen Augenblick, falsche Rede.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Zeit läuft! Eijeijei, Zeit läuft! – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Fangen wir noch mal an.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ende des Jahres 2009 lebten 154.000 Menschen mit gültigem Schwerbehindertenausweis in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei war das Geschlechterverhältnis, was für die GRÜNEN sicherlich wichtig ist, nahezu ausgeglichen. Viele Behinderungen treten erst mit zunehmendem Alter auf. So ist nicht verwunderlich, dass der Anteil der über 65Jährigen mit 47 Prozent sehr hoch ist.

Regional gibt es in Mecklenburg-Vorpommern auch einige Auffälligkeiten, denn in der Landeshauptstadt Schwerin und der Hansestadt Stralsund leben im Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl die meisten Menschen mit Behinderungen. Die wenigsten Menschen mit Behinderungen lebten Ende 2009 in den Altkreisen Bad Doberan, Güstrow und Nordwestmecklenburg. Und auch die Prognose für das Jahr 2030 lässt aufhorchen, denn dann werden rund 170.000 Menschen mit Behinderungen in Mecklenburg-Vorpommern leben.

Und nun kommen wir zum Wesentlichen, sozusagen dem Kernpunkt Ihrer Politik: Sie machen sich in den seltensten Fällen Gedanken darüber, welche Ursachen ein Problemfall hat und wie man den Ursachen dann begegnet, sondern Ihnen ist es wichtiger, wie Sie das Problem verwalten können. Dieses wird bei der Bevölkerungspolitik sehr deutlich erkennbar, indem Sie feststellen, dass immer weniger Kinder geboren werden, die Menschen immer älter werden und daher wenige junge Deutsche immer mehr älter werdenden Deutschen gegenüberstehen. Auch hier setzen Sie den Hebel nicht bei den Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenrate und somit an einer gesunden Bevölkerungspyramide an,

(Udo Pastörs, NPD: Mehr Rollstühle.)

sondern Sie machen sich einzig und allein Gedanken darüber, wie man die vergreisende Gesellschaft möglichst lange ohne spürbare Einschränkungen für die Senioren verwalten kann.

Gleiches gilt auch für den steigenden Anteil von Menschen mit Behinderungen. Auch hier ist Ihr Augenmerk einzig und allein darauf ausgerichtet, wie man den Betroffenen Hilfe zuteilwerden lässt,

(Jochen Schulte, SPD: Tja, wir denken auch an NPD-Mitglieder.)

nicht aber, wie man die durch die Lebensverhältnisse bedingten Einschränkungen reduziert oder gar verhindert. Und auch dadurch wird wieder einmal deutlich: Ihre Politik ist absolut menschenfeindlich. Natürlich haben es die Menschen mit Behinderungen auch auf dem Arbeitsmarkt schwer, weil die real existierenden Bedingungen für viele kleine und mittelständische Unternehmen die Einstellung von Menschen mit Behinderungen gar nicht zulässt. Dennoch wird die Pflichtquote von 5 Prozent von mit schwerbehinderten Menschen zu besetzenden Arbeitsplätzen mit 4,6 Prozent fast erfüllt.

Noch ein paar Worte zu Ihrer Bildungspolitik: Es gibt eine Reihe von Einrichtungen, von sozialpädagogischen Zentren und Frühförderstellen. Um es aber noch einmal zu verdeutlichen, auf 1.000 Kinder in Tageseinrichtungen kommen 23 Kinder mit besonderem Förderbedarf. Die Bestrebungen seitens der Landesregierung und der Landespolitik mit dem Schlagwort „Inklusive Bildung“ sind eine einzige Katastrophe für die betroffenen Kinder, deren Eltern, die Lehrkräfte und auch für die Kinder ohne Behinderungen, deren Bildungsalltag massiv durch solche schlecht durchdachten Vorhaben beeinflusst wird. So ist die Wirklichkeit. Deshalb sind Ihre Handlungsempfehlungen, die ab der Seite 255 ausgeführt werden, mit einem Satz zusammenzufassen: Wir machen alles besser, aber wir wissen nicht genau wie, und Geld haben wir auch nicht. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Herr Köster, Sie sind wie immer ahnungslos in der Sache,

(Stefan Köster, NPD: Jo.)

denn die Handlungsempfehlungen, die Sie angesprochen haben, sind nicht die Handlungsempfehlungen der Landesregierung, sie sind die Handlungsempfehlungen der Prognos AG.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Sie werden im Laufe der Debatte doch mitbekommen haben, dass der Bericht nicht von der Landesregierung erarbeitet worden ist, sondern von der Prognos AG.

(Stefan Köster, NPD: Dann haben Sie nicht zugehört. – Udo Pastörs, NPD: Da haben Sie nicht zugehört.)

Und jeder hat jetzt die Möglichkeit, sich diese Handlungsempfehlungen zu eigen zu machen oder es sein zu lassen, oder sich Teile dieser Handlungsempfehlungen zu eigen zu machen und Teile sein zu lassen. Das heißt also, das ist eine Aufforderung zur Debatte, zur Diskussion darüber, was man letztendlich davon annimmt und akzeptiert und was man nicht annimmt. Also das sind nicht die Handlungsempfehlungen der Landesregierung.

(Stefan Köster, NPD: Hab ich auch gar nicht behauptet.)

Aber, Frau Stramm, ich hoffe, Sie können gleich noch ein bisschen vertieft nachlegen, weil ich ein bisschen enttäuscht bin. Also in Ihrer Einbringungsrede haben Sie zwei Punkte aufgegriffen: Das eine ist die Datenlage

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es gibt keine Einbringungsrede.)

und das Zweite ist die Auftragsvergabe.

Herr Ritter, Sie müssen keine Wortklauberei betreiben. Sie wissen ganz genau, was ich meine,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da sind Sie ja wohl König drin.)

Also Sie haben kritisiert, dass es zur Situation von Menschen mit Behinderungen keine ausreichende Datenlage gibt, und Sie haben die Auftragsvergabe an die Prognos AG kritisiert. Ich finde, für die Debatte über die Situation der Menschen mit Behinderungen in unserem Land ist das ein bisschen wenig und ich habe deswegen die Hoffnung, dass Sie da gleich noch mal vertieft nachlegen können.

Lassen Sie mich nur drei Sätze zur Datenlage sagen. Ich würde mir auch eine deutlich bessere Datenlage wünschen, weil man letztendlich damit bestimmte Prozesse besser steuern kann, aber man muss natürlich eins wissen: Diese Daten sind an einer Vielzahl von Stellen verortet und es ist nicht gewährleistet, dass diese Stellen alle miteinander kooperieren und die Daten zuliefern. Ob das die Bundesagentur für Arbeit ist, ob es das Jobcenter ist, ob es der überörtliche Sozialträger ist, der örtliche Sozialträger, ob es die – was gibts denn noch? –, die Servicestellen sind oder sonst was für Dinge, alle erheben Daten zu dem Bereich. Ob es die Vielzahl von sozialen Einrichtungen ist, die Daten erheben und Daten zuliefern, das ist schon ein unheimlich weiter Bereich.

Und natürlich wäre es sinnvoll, diese Daten zusammenzutragen, aber das gibt es nicht einfach so, da muss man dann auch bestimmte Dinge organisieren. Man muss das Personal, man muss das Geld haben, das zu bezahlen. Und da ist die Bereitschaft, sage ich mal, bei allen Akteuren nicht so gegeben, weil es ja nicht nur so ist, dass das Land ein Interesse haben sollte an einer präzisen Datenlage. Das gilt sicherlich auch für die örtliche Ebene und ich kann mich nicht erinnern, dass diese Dinge wirklich also auch örtlich systematisch erhoben werden.

Ein zweiter Satz noch zu der Auftragsvergabe, das Wesentliche hat die Ministerin gesagt. Wenn Sie einen derartigen Auftrag für 150.000 Euro abarbeiten wollen, dann müssen Sie im Bestand eine Vielzahl von Informationen und Daten haben, auf die Sie zurückgreifen können und die Sie für diesen Auftrag nicht noch mal extra erheben müssen. Eine Einrichtung wie die Prognos AG, die haben das. Andere haben das nicht. Deswegen hat es wahrscheinlich auch keine Bewerbungen von Hochschulen aus dem Land gegeben, weil die auf solche Datenbestände nicht zurückgreifen können und auch nicht die Möglichkeiten haben, solche Datenbestände innerhalb dieser Zeit und für dieses Geld zu erheben.

Aber jetzt wollen wir noch ein bisschen zur Sache kommen. Also wir haben ja hier ganz nette Ausführungen gehört, sowohl von Frau Gajek als auch von anderen, zum Thema Inklusion. Und da stehen jetzt zunächst die Fragen im Raum: Was versteht denn der Einzelne unter Inklusion und auf welchen Inklusionsbegriff wollen wir uns verständigen hier in diesem Land? Fokussieren wir enger

(Udo Pastörs, NPD: Fragen Sie Herrn Ritter, der wird es Ihnen sagen!)

oder bringen wir diesen breiten Inklusionsansatz der UNBehindertenrechtskonvention zur Umsetzung? Das heißt also, dass quasi jeder Mensch inklusiv behandelt werden

muss. Dann müssen wir aber auch die Fragen beantworten, wie letztendlich solche Dinge dann organisiert und bezahlt werden sollen und müssen.

Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Nehmen Sie Kindertagesstätten oder Schulen und stellen Sie sich mal vor, jedes Kind, egal mit welcher Behinderung, hat den Anspruch darauf, an jeder Schule unterrichtet beziehungsweise betreut werden zu können. Was bedeutet das an Investitionen, die da zu tätigen sind, ob im baulichen Bereich, ob im Bereich von Personal und so weiter und so fort? Also man kann gerne diesen umfassenden Inklusionsansatz, den kann man gerne diskutieren, aber wenn man anfängt zu sagen, das ist das, was wir unter Inklusion verstehen, dann muss man im zweiten Schritt natürlich auch hergehen und sagen, wer das denn alles finanziert. Wer ist derjenige, der beispielsweise im Land Mecklenburg-Vorpommern

(Udo Pastörs, NPD: So einen Blödsinn finanzieren soll.)

alle Schulen und Kindertagesstätten letztendlich so behindertengerecht ausstattet, dass Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderungen, egal welcher Art, diese Einrichtungen besuchen können? Ich finde, dass das ein Thema ist, an dem man sich wirklich dann auch überheben kann. Und bevor man anfängt, jetzt die Diskussion weiter voranzutreiben, glaube ich, ist es erst mal erforderlich, zu sagen, so, was verstehen wir unter Inklusion und was sind wir in Mecklenburg-Vorpommern letztendlich imstande, an inklusiven Lebensformen auch umzusetzen, und in welchem Bereich gibt es einfach für uns Grenzen, wo wir sagen, also das wird sich nicht inklusiv lösen lassen.