Protocol of the Session on May 23, 2012

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung auf Drucksache 6/362 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/362 bei gleichem Stimmverhalten wie bei der vorhergehenden Abstimmung angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und CDU – Entwurf eines KohlendioxidSpeicherungsausschlussgesetzes Mecklenburg-Vorpom

mern, auf Drucksache 6/385, und hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Energieausschusses auf Drucksache 6/750.

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und CDU Entwurf eines Kohlendioxid- Speicherungsausschlussgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KSpAusschlG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/385 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung (8. Ausschuss) – Drucksache 6/750 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Ausschussvorsitzende des Energieausschusses Herr Rudolf Borchert. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche heute als Vorsitzender zu Ihnen, um das parlamentarische Verfahren zum Ersten Gesetzentwurf des neuen Ausschusses für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung und seinen Beratungen zu erläutern. Und ich möchte meinen Bericht zum Anlass nehmen, Ihnen einige grundsätzliche Informationen auch zu dieser komplexen Thematik CCS zu geben.

Wir wissen es alle, meine Damen und Herren, der Klimaschutz ist seit mittlerweile einem viertel Jahrhundert die zentrale und globale umwelt-, energie-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Herausforderung, von der – wenn man es zugespitzt ausdrückt – die Zukunft der Menschheit abhängen wird; nicht mehr und nicht weniger. Das Hauptproblem dabei ist der seit Langem hemmungslose Verbrauch fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas durch den Menschen. Daraus resultiert ein Übermaß an CO2-Emissionen, die im Gegensatz zu vorherigen Jahrtausenden von der Natur nicht mehr aufgefangen werden können. Neben anderen Faktoren ist das CO2 im Wesentlichen mitverantwortlich für die Klimaerwärmung. Dies ist wissenschaftlich belegt und erfordert, meine Damen und Herren, politisches Handeln.

Dafür gibt es unterschiedliche Handlungsoptionen:

zum einen die Minderung des Verbrauchs fossiler

Energieträger, und dies ist im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum ein problematisches Feld für Industrienationen und insbesondere für Schwellen- und sogenannte Entwicklungsländer,

zum Zweiten der hundertprozentige, der hundertpro

zentige Ersatz fossiler Energieträger durch die Nutzung erneuerbarer Energien, Windkraft, Sonne, Biomasse, Wasserkraft, Geothermie und andere,

und drittens, da wird es interessant und spannend, die

große Hoffnung von Technikfetischisten und Leichtgläubigen, die langfristige Entfernung von CO2 aus unseren Wirtschaftszyklen sowie dessen Lagerung in den Weltmeeren oder Verpressung als Endlagerung in geologischen Formationen.

In Bezug auf Letzteres haben Wissenschaftler, Ingenieure die sogenannte CCS-Technologie entwickelt. Aus dem

Englischen übersetzt heißt das: die Kohlendioxidabscheidung und dessen Speicherung. Das heißt, das hauptsächlich bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstandene CO2, wie beispielsweise in Kohle- und Gaskraftwerken, in der Stahlindustrie und in Zementwerken oder in der Chemischen Industrie und Ölraffinerien, wird aus den Rauchgasen abgetrennt, in flüssiger Form oder als Gas gespeichert und soll in einem letzten Schritt hauptsächlich in unterirdischen geologischen Formationen gespeichert beziehungsweise endgelagert werden. Diese Technik könnte angeblich in entscheidendem Maße dazu beitragen, die CO2-Problematik zu lösen – so die Theorie einer isolierten Betrachtung, bei der zudem noch großtechnisches Neuland beschritten werden muss.

Dazu hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung in einer Expertise festgestellt, und ich zitiere: „Schätzungen künftiger Potenziale der CO2-“Speicherung „konzentrieren sich derzeit auf die“ Frage der „Speicherkapazität. Sie dürfte weniger durch die technische Machbarkeit als durch die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu anderen CO2-Minderungsstrategien sowie die gesellschaftliche wie auch politische Akzeptanz bestimmt sein. Es wird geschätzt, dass sich beim großtechnischen Einsatz der geologischen“ Speicherung „die Stromkosten für den Endverbraucher um 40 - 100 % erhöhen...“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das sind jetzt die Beratungsergebnisse des Ausschusses, ja?)

Das möchte, Herr Ritter, das möchte ich jetzt nicht weiter kommentieren, denn diese Aussagen sprechen für sich. Und da Mecklenburg-Vorpommern das Land der erneuerbaren Energien ist, meine Damen und Herren, brauchen wir zukünftig unsere unterirdischen Ressourcen. Gerade deswegen haben die Koalitionsfraktionen ihren Gesetzentwurf eingebracht.

Meine Damen und Herren, der Energieausschuss hat den Gesetzentwurf in zwei Sitzungen beraten und in diesem Zusammenhang ein schriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt, um der Eilbedürftigkeit zu entsprechen. Denn mit dem Inkrafttreten der europäischen Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid waren die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union 2009 verpflichtet worden, bis zum 25. Juni 2011, letzten Jahres also, nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Abscheidung, den Transport sowie die dauerhafte Speicherung von CO2 in Kraft zu setzen.

Dies ist in Deutschland auf Bundesebene bisher nicht geschehen. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zwischen dem Bund und den Ländern, zum Teil auch innerhalb der Parteien, hängt der entsprechende Gesetzentwurf zurzeit im Vermittlungsausschuss fest, ohne dass eine Lösung in Sicht steht.

Darüber hinaus hat die Europäische Kommission wegen der Nichtumsetzung der CCS-Richtlinie in Deutschland bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Dies wird voraussichtlich dazu führen, dass die EU finanzielle Sanktionen gegen die Bundesrepublik Deutschland verhängen wird, die vom Bund anteilig auf die Länder weitergegeben werden können, sofern diese keine eigenen landesrechtlichen Regelungen verabschiedet haben.

Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung kann Mecklenburg-Vorpommern diesen möglichen Strafgeld

zahlungen gesetzeskonform mit einem Landesgesetz entgegenwirken und damit EU-richtlinienkonform eine Lagerung von CO2 in Teilen oder auch in der Gesamtheit von Mecklenburg-Vorpommern ausschließen. Das sind auch dann die wesentlichen Ziele des Gesetzes, für dessen Verabschiedung der Energieausschuss, meine Damen und Herren, bei Abwesenheit der NPD einstimmig votiert hat.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte an dieser Stelle nicht die detaillierten Anhörungsergebnisse darlegen. Diese können Sie dem Berichtsteil der Beschlussempfehlung entnehmen. Im Ergebnis möchte ich aber anmerken, dass sowohl der Wirtschafts- als auch der Landwirtschaftsausschuss in ihren Stellungnahmen empfohlen haben, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Auch die kommunalen Spitzenverbände, der BUND, der Bauernverband, der Verband der kommunaler Unternehmen sowie die Industrie- und Handelskammern des Landes haben dem Gesetzentwurf im Großen und Ganzen ohne Änderungsempfehlungen zugestimmt. Allerdings haben die wirtschaftsnahen Verbände und Vereinigungen darauf hingewiesen, dass umsetzbare CCS-Anwendungen wie die Abtrennung und der Transport von CO2 im Land nicht grundsätzlich ausgeschlossen beziehungsweise nur für eine Übergangszeit befristet ermöglicht werden sollten. Das ist allerdings nicht Ziel des Gesetzes.

Allein die Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern hat den Gesetzentwurf als nicht sinnvoll bewertet, weil das Land Gemeinschaftsregelungen der Europäischen Union verändern wolle. Darüber hinaus hat die Vereinigung die Notwendigkeit gesehen, dass die vom Bund festgelegten Klimaziele unter anderem auch mittels der CCS-Technologie erreicht werden sollen.

Meine Damen und Herren, ich bin den Koalitionsfraktionen sehr dankbar, dass sie diesen Gesetzentwurf eingebracht haben, da er auch auf die Nutzungskonflikte der in unserem Land vorhandenen Ressourcen abzielt, denn die für die dauerhafte Speicherung von CO2 infrage kommenden geologischen Formationen in unserem Land brauchen wir zukünftig verstärkt für die Speicherung oder Produktion von erneuerbaren Energien oder anderen Energieträgern. Eine CO2-Endlagerung in geologischen Horizonten wäre deshalb im Hinblick auf die Energiewende absolut kontraproduktiv.

Mit diesem Gesetzentwurf wird mittelbar auch die Notwendigkeit einer unterirdischen Raumplanung in unserem Land herausgestellt. Insofern bin ich der Landesregierung auch sehr dankbar, die dieses Problem erkannt hat und – so, wie im Energieausschuss dargestellt – die Raum- und Landesplanung auf den unterirdischen Bereich ausdehnen will. Damit würde das Land auch in dieser Frage zum Vorreiter in Deutschland werden.

Ebenfalls danken möchte ich den beteiligten Sachverständigeninstitutionen und den mitberatenden Ausschüssen, die sich allesamt bereit erklärt hatten, unter größtem Zeitdruck dem Energieausschuss ihre schriftlichen Stellungnahmen fristgerecht zuzuleiten. Danken möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen des Energieausschusses, die sich auf dieses stark verkürzte Gesetzgebungsverfahren eingelassen und ebenso eine qualifizierte Beratung ermöglicht haben. Sie alle waren von der Notwendigkeit sowie der Eilbedürftigkeit dieses Gesetzes

überzeugt, wie man auch unschwer am Votum des Ausschusses erkennen kann.

Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, dass auch Sie dem Votum des Energieausschusses folgen und ebenso für die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und CDU stimmen.

Abschließend möchte ich an dieser Stelle auf einen bürotechnischen Fehler aufmerksam machen, für den ich mich entschuldigen möchte. In der Beschlussempfehlung auf Seite 4 der Drucksache 6/750 muss es richtigerweise heißen: „Der Landtag möge beschließen, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/385 unverändert anzunehmen.“ Ich bitte das Präsidium, diesen Sachverhalt bei der Abstimmung zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Borchert.

Da uns dieser Fehler auch aufgefallen ist, haben wir das schon berücksichtigt und werden das bei der Abstimmung dann entsprechend formulieren.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Energieminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Schlotmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute steht ja das Kohlendioxid-Speicherungsausschlussgesetz Mecklenburg-Vorpommern zur Schlussabstimmung auf der Tagesordnung. Ich erspare es Ihnen und mir jetzt, die Rede, die ich bei der Einbringung gehalten habe, noch mal zu wiederholen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Oooh!)

Das hat nichts damit zu tun, dass ich das Parlament missachte, aber man muss nicht alles hier wiederholen und zum dritten und vierten Mal aussprechen. Trotzdem werden Sie erlauben, dass ich drei, vier Dinge noch mal anspreche.

Erstens möchte ich mich beim Parlament dafür bedanken, dass dieses Gesetz so schnell auf den Weg gebracht wurde. Das ist nicht alltäglich, aber ich glaube – und darauf gehe ich gleich noch mal ganz kurz ein –, dass es auch zwingend notwendig war, und, wie gesagt, dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz wird die sogenannte CO2-Speicherung in Mecklenburg-Vorpommern verboten und da will ich einen Ausspruch eines von mir sehr geschätzten Kollegen und Parteifreundes benutzen: „Und das ist gut so“, meine Damen und Herren. Wieso soll, die Frage ist mir in der letzten Woche öfter

gestellt worden, wieso soll nun ein Landesgesetz erlassen werden, das diese Speicherung verbietet? Ich will zwei Gründe anführen:

Erstens. Es gibt ein Sicherheitsproblem. Es gibt kein, kein einziges Konzept, um einen Dichtheitsnachweis vor der Genehmigung an der Speicherstätte zu führen. Was das bedeutet, können Sie sich alle vorstellen und denken.

Zweitens. Kollege Borchert hat es auch angesprochen, die geologischen Formationen, die ja unzweifelhaft bei uns im Land vorhanden sind und die als CO2-Speicher theoretisch geeignet wären, können und, wenns nach mir geht, sollen zur Speicherung beziehungsweise Produktion von erneuerbaren Energie verwendet werden und dazu dienen.

Diesen zukunftsweisenden Technologien, meine Damen und Herren, müssen wir den Vorrang einräumen. Die Speicherung von CO2 steht aber jeder anderen Nutzung des betroffenen unterirdischen Aerials entgegen und damit wir als Land Mecklenburg-Vorpommern keine Handlungsoptionen verlieren, müssen wir die tiefen Erdschichten in unserem Land zunächst für CO2 blockieren.

Meine Damen und Herren, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind mit der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates aus dem April 2009 über die geologische Speicherung von Kohlendioxid verpflichtet – verpflichtet! –, bis zum 25. Juni des vergangenen Jahres nationale Gesetze über die Abscheidung, den Transport und die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid zu erlassen. Ich erinnere, wir haben jetzt Mai 2012 und das entsprechende Bundesgesetz schmort seit Monaten im Vermittlungsausschuss. Wir bewegen uns also hier im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und als Land sind wir verpflichtet – und wir sehen uns verpflichtet – zur eigenen Umsetzung einer EURichtlinie, wenn der Regelungsgegenstand auch in den Bereich der Länder fällt.

Ich betone also, die EU-Richtlinie schreibt ausdrücklich nicht vor, dass eine CO2-Speicherung zugelassen werden muss. Es besteht ein volles Wahlrecht, ob man eine Speicherung gestattet oder eben auch nicht. Das bedeutet für uns im Klartext, solange der Bund keine eigene Gesetzgebung umsetzt, solange greift der Inhalt der EURichtlinie in vollem Umfang in der Bundesrepublik.