Protocol of the Session on April 26, 2012

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Ministerpräsident Herr Sellering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass wir mehr als 20 Jahre nach der Einheit immer noch eine Rente Ost und eine Rente West haben.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das ist aber so.)

Die Menschen im Osten empfinden das als große Ungerechtigkeit, die sie nicht länger hinnehmen wollen, und sie wollen auch nicht länger vertröstet werden. Die Renten im Osten berechnen sich nach einem System, das als Übergang gedacht war und das inzwischen längst nicht der Realität entspricht. Die Grundannahme hinter diesem Übergangssystem war, dass sich durch steigende Löhne, durch den wirtschaftlichen Aufbauprozess die Renten in Ost und West schrittweise annähern.

Wir müssen heute feststellen, das ist nicht eingetreten. Das darf so nicht weitergehen. Gleiche Renten in Ost und West sind nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit und der Lebensqualität, es geht auch um Würde und Selbstbestimmung, es geht um Respekt vor der Lebensleistung von Millionen Menschen, die bei dem großen Veränderungsprozess durch die Deutsche Einheit, aber auch davor in der DDR unter schwierigen Bedingungen Enormes geleistet haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, deshalb setze ich mich seit Jahren dafür ein, dass die Bundesregierung ein einheitliches Rentensystem, einheitlich in Ost und West, auf den Weg bringt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Ich spreche dieses Thema regelmäßig in den Runden der Ostministerpräsidenten an.

Bei der Konferenz der Ostdeutschen Ministerpräsidenten 2010 hier bei uns im Land haben wir das auch verankert in einer gemeinsamen Erklärung, der sogenannten Warnemünder Erklärung. Wir haben verschiedentlich gemeinsame Vorstöße im Bundesrat von den Ostländern unternommen, bisher leider alles ohne Erfolg, ohne erkennbare Fortschritte. Die Bundesregierung mauert, obwohl die Bundeskanzlerin vor der Wahl ausdrücklich versprochen hat, dieses dringende Problem schnell anzugehen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ja ein Ding!)

Und, meine Damen und Herren, wer so etwas verspricht, der muss Wort halten, und der kann sich auch nicht dahinter verstecken, dass es ganz sicher keine einfache Lösung gibt, die allen gerecht wird. Dazu ist unser Rentensystem einfach viel zu kompliziert. Aber gerade weil dieses Rentenrecht so kompliziert ist, brauchen wir endlich durchgerechnete Vorschläge der Bundesregierung und das kann niemand anderes sonst machen, nur sie verfügt über die Daten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Es wird Zeit, ja.)

Wenn diese Berechnungen ergeben, dass eine angemessene Lösung nur durch höhere Kosten erreichbar ist, dann, meine ich, müssen wir uns dem stellen, denn gleichwertige Renten in Ost und in West, das ist eine so elementare Gerechtigkeitsfrage, das muss Vorrang haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir das bei uns in Mecklenburg-Vorpommern als gemeinsames Vorhaben in der Koalitionsvereinbarung festgelegt haben. Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von der LINKEN, wir brauchen Ihren Antrag nicht, um tätig zu werden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so!)

Und dieser Antrag ist leider, leider noch nicht einmal eine vernünftige Unterstützung der guten Arbeit,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, so ist es.)

die wir da gemeinsam machen, um voranzukommen. Dazu ist er einfach zu oberflächlich und einfach zu sehr parteitaktisch auf den Weg gebracht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das kennen wir schon.)

Meine Damen und Herren von der LINKEN, gerade weil dieses Thema so viele Menschen in unserem Land so persönlich berührt in ihrem Gerechtigkeitsempfinden, in ihrer Lebensgrundlage, dürfen Sie dieses Thema nicht zum Spielball parteitaktischer Auseinandersetzungen machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich rege an, dass wir hier als demokratische Parteien ernsthaft gemeinsam für die Interessen der Menschen eintreten. Und vor allem lassen Sie uns dabei ehrlich miteinander sein! Bei den Schwierigkeiten und der Komplexität der Materie muss doch jedem klar sein, dass die gerechte Lösung, die wir brauchen, die Lösung unter Berücksichtigung und Ausgleich aller berechtigten Interessen – es geht ja um die verschiedensten Generationen –, nicht in einem so oberflächlichen, vierzeiligen Antrag liegen kann, wie Sie ihn hier gestellt haben. Ich bin sicher, das ist Ihnen auch bewusst.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Hoffentlich.)

Meine Damen und Herren, die Rentenangleichung in Ost und in West ist die eine große Aufgabe, vor der wir stehen. Die zweite große Aufgabe in diesem Zusammenhang ist genauso dringlich. Wir müssen das Problem der drohenden Altersarmut im Osten endlich angehen.

(Rudolf Borchert, SPD: Nicht nur im Osten.)

Bei uns im Osten, aber gerade im Osten, haben viele Menschen durch die Brüche in ihrer Erwerbsbiografie – dadurch, dass sie lange Jahre nach der Wende unverschuldet arbeitslos waren, da haben viele gesagt, um überhaupt etwas zu haben, arbeiten sie für sehr viel weniger Geld als vorher – nur sehr niedrige Renten zu erwarten und sehr viele sind von Altersarmut bedroht.

Und da muss man sagen, die Bundesregierung ignoriert dieses Problem in einer Weise, die ich unverantwortlich finde. Es gab früher für ein Jahr Arbeitslosengeld II wenigstens 2,19 Euro mehr Rente pro Monat. Immerhin, natürlich noch viel zu wenig. Aber selbst das ist jetzt von der Berliner Koalition gestrichen worden.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich sage, die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit müssen bei der Rente in irgendeiner Weise mit angerechnet werden. Wir müssen alles tun, um dem Risiko von Altersarmut zu begegnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Jetzt hat die zuständige Arbeitsministerin einen Vorschlag vorgelegt und da muss man sagen, der löst dieses Problem nicht annähernd. Er hat zwar das selbstgesteckte Ziel, Altersarmut zu verhindern, aber gerade in dieser wichtigen Frage bietet er keine wirklich überzeugenden Antworten. Gerade die Menschen bei uns im Osten, die ja lange Zeit arbeitslos waren, die nicht auf die Zeiten kommen, die sie als Grundlage machen will, um überhaupt zu helfen, gerade die Menschen bei uns im Osten werden davon kaum profitieren. Ihnen würde der Zugang zu dieser Zuschussrente verwehrt bleiben, meine Damen und Herren.

Wie wenig von dieser Bundesregierung in dieser wichtigen Frage zu erwarten ist, das zeigt sich übrigens daran, dass selbst dieser völlig unzureichende Vorschlag von Frau von der Leyen noch kassiert worden ist von der FDP, die sagt, da machen wir nicht mit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das finde ich wirklich traurig. Selbst das geht der FDP noch zu weit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Rudolf Borchert, SPD: Tja, von der FDP kann man ja nichts anderes erwarten.)

Meine Damen und Herren, deshalb ist klar: Wir werden uns als Landesregierung in engem Schulterschluss mit den Landesregierungen der anderen ostdeutschen Länder, das ist immer wieder Thema da, weiter mit großem Nachdruck dafür einsetzen, den Bund endlich zum Handeln zu bewegen. Darauf haben wir uns in der Koalition verständigt. Und wir werden nicht nachlassen, uns weiter für ein Rentensystem einzusetzen, das die Lebensleistung der Menschen im Osten respektiert und das wirksam gegen Altersarmut vorgeht. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Danke, Herr Sellering.

Das Wort hat jetzt Herr Lindner von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Hauses!

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Ich freue mich, zu so einem emotionalen Thema hier heute sprechen zu dürfen.

Altersarmut betrifft nicht nur wegen der wachsenden Anzahl älter werdender Menschen viele Bürger und Bürgerinnen unseres Landes, schon allein das Schlagwort Armut macht jeden von uns betroffen. Es fragt sich nur, ob Emotionen an dieser Stelle angebracht sind zu diskutieren. Ist es nicht vielmehr so, dass wir wahrscheinlich eine beträchtliche Anzahl von speziellen armutsgefährdenden Situationen finden werden, die wir an dieser Stelle gar nicht fachlich alle darstellen und abschließend beurteilen können? Armut und die zu begründenden Anlässe sind mannigfaltig.

Sie haben mit Ihrem Antrag einen Aspekt herausgegriffen, um mit den Ängsten anderer Menschen Politikfelder zu bedienen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Oh nee, das tut weh!)

Abgesehen davon, dass ich es nicht schätze, möchte ich Ihnen Folgendes dazu sagen: Sie fordern Gerechtigkeit in der Rentenfrage. Sie fordern allerdings – wie gewohnt rückwärtsgewandt – eine Art Gerechtigkeit zwischen Ost und West, anstatt sich heute den Tatsachen zu stellen und differenzierte Konzepte, die den unterschiedlichen regionalen und strukturellen Besonderheiten in unserem Land gerecht werden, zu fordern. Das Abstellen auf den Zeitablauf seit der Wende ist dabei auch wieder sehr gefühlsbetont.

(Egbert Liskow, CDU: Aha!)